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01.02.2019 10:25

EU-Projekt zur Rolle der Darmflora bei Leberversagen

Dr. Anne Hardy Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Welchen Einfluss hat die Darmflora auf die Entstehung von Leberzirrhose und Leberversagen? Diese Frage untersuchen 22 europäische Institutionen in dem Projekt MICROB-PREDICT.

    Die Europäische Union fördert das Vorhaben in den kommenden sechs Jahren mit 15 Millionen Euro. Wissenschaftlicher Koordinator des multizentrischen Forschungsprojekts ist der Hepatologe Prof. Jonel Trebicka von der Goethe-Universität.
    „Jährlich sterben weltweit 1,2 Millionen Menschen an Leberzirrhose, doch weniger als zehn Prozent des Forschungsfeldes beschäftigen sich mit dekompensierter Zirrhose und dem akut-auf-chronischem Leberversagen ACLF. Deshalb ist es dringend nötig, neuartige Behandlungsmethoden zu entwickeln und den Betroffenen zu helfen“, so Jonel Trebicka.

    Betroffene zeigen erste Symptome wie Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum, später kommen reduzierte Gehirnfunktion und häufig auch Blutungen im Verdauungstrakt hinzu. Stufenweise entwickelt sich daraus akut-auf-chronisches Leberversagen. Schließlich kann der Körper die mangelnde oder fehlende Funktion der Leber nicht mehr kompensieren („dekompensierte Zirrhose“) und der Patient stirbt.

    Genetische Veranlagung und/oder Infektionen können das Risiko für dekompensierte Zirrhose erhöhen und die Prognose verschlechtern. Eine wichtige Rolle spielen Abweichungen innerhalb des Darm-Mikrobioms (Darmflora) wie eine eingeschränkte Barrierefunktion der Darmwand, zu viele Barriere-überschreitende Bakterien und systemische Entzündungsprozesse. Eine aktuelle multizentrische Studie der Europäischen Stiftung zur Erforschung chronischen Leberversagens (EF-CLIF, Barcelona) zeigte, dass bakterielle Infektionen in westlichen Ländern häufige Auslöser für ACLF sind.

    Oberstes Ziel von MICROB-PREDICT ist, durch die Erforschung des menschlichen Darm-Mikrobioms personalisierte, Mikrobiom-bezogene Behandlungsstrategien zu entwickeln, um ACLF zu verhindern oder wirksam zu behandeln, so dass weniger Menschen daran sterben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die biologischen Mechanismen von dekompensierter Zirrhose und ACLF verstanden und verlässliche Vorhersagen für deren Entstehung identifiziert werden.

    „Der Bedarf an stärker personalisierten Behandlungsmethoden wird klar, wenn man bedenkt, dass es erhebliche, aber größtenteils immer noch unerklärbare, individuelle Unterschiede bei der Entstehung von dekompensierter Zirrhose und ACLF gibt“, erklärt Prof. Trebicka. „Gleichzeitig steckt darin die Chance für wirksamere, gezieltere, und mehr auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlungen.“

    Das europaweite Forschungsprojekt wird mehr als 200.000 einzelne Mikrobiom- und andere Patientendaten von circa 10.000 Probanden vorheriger großangelegter Studien wie GALAXY, LIVERHOPE und PREDICT zusammenführen und auswerten. Die Erstellung einer umfangreichen Datenbank aus Stuhl-, Blut-, Speichel-, Darmschleimhaut- und Urinproben über den gesamten Verlauf der Leberkrankheit wird langfristige Analysen ermöglichen – ein deutlicher Vorteil gegenüber früheren Studien.

    Zusätzlich suchen die Forscher im Mikrobiom nach Biomarkern, die es ihnen erlauben, zwischen einem gesunden, risikoarmen Zustand und der Gefahr einer dekompensierten Zirrhose bis hin zu ACLF zu unterscheiden. Ebenso soll untersucht werden, wie der Behandlungserfolg an der Zusammensetzung des Mikrobioms abgelesen werden kann, und zwar unter Berücksichtigung möglicher Umwelteinflüsse (z.B. Schadstoff-Exposition), Lebensgewohnheiten (z.B. Rauchen), Ernährung (z.B. Alkoholkonsum), Begleiterkrankungen, Alter, geographischen Unterschieden und sozioökonomischen Verhältnissen.

    Die Forschungsergebnisse sollen zur Entwicklung neuer klinischer Tests für Ärzte und neuer alltagstauglicher Geräte für Patienten mit Lebererkrankungen führen, zum Beispiel in dezentrale diagnostische Tests und modernste Nanobiosensoren für Smartphone-verlinkte Patienten-selbstkontrolle. MICROB-PREDICT versucht auch, sogenannte “molekulare Fingerabdrücke”, die den Erfolg der Behandlung mit menschlichem Albumin in einer kontrollierten klinischen Studie (ALB-TRIAL) verlässlich prognostizieren, zu identifizieren und zu verifizieren.

    „Das sechsjährige Projekt konzentriert sich also auf Behandlungsansätze, die auf wissenschaftlichen Ergebnissen und neuen Erkenntnissen über die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen beruhen, und nicht allein auf Symptomen. Dadurch sollen personalisierte, effektive und zielgerichtete Behandlungsstrategien entwickelt und die Belastung für den Patienten sowie das Gesundheitswesen reduziert werden“, fasst Prof. Trebicka die Ziele zusammen.

    In MICROB-PREDICT Projekt kooperieren spezialisierte Ärzte, führende Mikrobiom- und Medizintechnik-Experten sowie die Patientenorganisation ELPA und die Europäische Gesellschaft zur Erforschung der Leber (EASL). Träger ist die European Foundation for the Study of Chronic Liver Failure (EFCLIF), eine Stiftung, welche ein Netzwerk von mehr als 100 Universitätskliniken Europaweit innerhalb des EASL vereint. Dazu gehört auch das Universitätsklinikum der Goethe-Universität.


    Bilder zum Download finden Sie unter: http://www.uni-frankfurt.de/76085071



    Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

    Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der drei größten deutschen Universitäten. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist die Goethe-Universität Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. www.goethe-universitaet.de

    Herausgeberin: Die Präsidentin der Goethe-Universität Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main,
    Tel: 069 798-12498, Fax: 069 798-763 12531, hardy@pvw.uni-frankfurt.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Informationen: Prof. Dr. Dr. Jonel Trebicka, wissenschaftlicher Koordinator von MICROB-PREDICT, Medizinische Klinik I, Fachbereich Medizin, Campus Niederrad, Telefon: (069) 6301-4256, jonel.trebicka@kgu.de.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

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