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17.06.2019 09:10

Wichtiger Schritt der Evolution entdeckt: Körperwärme ohne Muskelzittern

Nina Grötschl Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien

    Die eigene Körpertemperatur unabhängig von der Außentemperatur regulieren zu können, war ein wichtiger Schritt in der Evolution vieler Säugetiere und Vögel. Damit diese Wärme überhaupt produzieren können, spielt neben dem sogenannten Muskelzittern vor allem das braune Fettgewebe der Tiere eine wichtige Rolle. Jedoch nur rund 20% der endothermen Vögel und Säugetiere besitzen dieses spezielle Körperfett. Einer Forschungsgruppe der Vetmeduni Vienna gelang es nun erstmals nachzuweisen, dass ein dritter Mechanismus tief drinnen im Muskelgewebe ohne jegliches Muskelzittern ausreicht, um neugeborenen Säugetieren ohne braunes Fettgewebe das Überleben trotz kalter Außentemperaturen zu sichern.

    Seit kurzem geht die Forschung davon aus, dass die sogenannte zitterfreie Wärmebildung im Muskel (Muskel-NST; Muscle nonshivering thermogenesis) eine wichtige Rolle in der Thermoregulation von Tierarten spielt, denen braunes Fettgewebe (BAT; brown adipose tissue) fehlt. Bei der zitterfreien Wärmebildung im Muskel handelt es sich um einen biochemischenMechanismus, der unabhängig von Muskelkontraktionen Wärme erzeugt – und zwar basierend auf der Aktivität einer ATPase-Pumpe im sarkoplasmatischen Retikulum (SERCA1a), die vom Protein Sarcolipin gesteuert wird.

    Nachweis anhand neugeborener Wildschweinferkel

    Eine Forschungsgruppe vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna untersuchte nun, ob Muskel-NST tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Thermoregulation bei Arten ohne BAT spielt. Dabei gingen sie der Frage nach, ob dieser Mechanismus in neugeborenen Wildschweinferkeln ausreicht, damit diese trotz der kalten Frühlingstemperaturen ihre Körpertemperature stabil halten können. Das Team fand, dass die Neugeborenen ihre Wärmeproduktion während der ersten fünf Lebenstage verbesserten, obwohl die Intensität des Muskelzitterns abnahm, was auf einen zunehmenden Beitrag von Muskel-NST hinweist. Die Entnahme von Skelettmuskelgewebe zur Analyse der SERCA-Aktivität sowie der Genexpression von SERCA1a und Sarkolipin konnte diese Vermutung bestätigen, es wurde ein altersbedingter Anstieg aller drei Variablen sowie der Körpertemperatur festgestellt.

    Erhöhte Muskelaktivität verbessert die Temperaturregulierung deutlich

    Die soeben im Fach-Journal Scientific Reports erschienene Studie weist damit eindeutig nach, dass die verbesserte Thermogenese während der Entwicklung von Wildschweinen nicht auf Muskelzittern zurückzuführen ist, sondern sich durch die beobachtete Zunahme der SERCA-Aktivität, also der zitterfreien Wärmebildung im Muskel, erklärt. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Muskel-NST bei großen Säugetieren, denen BAT fehlt, der Hauptmechanismus der Wärmeerzeugung bei Kältestress sein kann, was die Hypothese bestätigt, dass Muskel-NST wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der evolutionären Entwicklung der körpereigenen Wärmeerzeugung, der sogenannten Endothermie, gespielt hat“, erklärt Studienleiterin Julia Nowack, die inywischen an der Liverpool John Moores Universitz in England arbeitet.

    „Zusammengenommen zeigen unsere Daten zum ersten Mal, dass muskelbasiertes NST über SERCA1a eine Rolle bei der Thermoregulation von Wildtyp-Säugetieren spielt, denen BAT fehlt. Im evolutionären Prozess war die Muskel-NST wahrscheinlich insbesondere während der kälteren Nachtstunden wichtig“, so Nowack weiter.

    Stabile Körpertemperatur – einer der wichtigsten evolutionär entwickelten Mechanismen

    Die Regulierung einer hohen und stabilen Körpertemperatur unabhängig von klimatischen Bedingungen ist einer der wichtigsten Mechanismen, der sich während der Evolution von Säugetieren und Vögeln entwickelte. Nach jahrzehntelanger, intensiver Forschung ist mittlerweile bekannt, wie Säugetiere mit braunem Fettgewebe (BAT) auch in kalten Umgebungen ohne Muskelzittern (NST) eine optimale Körpertemperatur aufrechterhalten. BAT besitzen allerdings nur rund 20% der endothermen Vögel und Säugetiere. Welcher Mechanismus bei Fehlen von NST und BAT wirkt, war bis dato jedoch unbekannt. Ein wissenschaftliches Rätsel, das die ForscherInnen der Vetmeduni Vienna nun lösen konnten.

    Service:
    Der Artikel „Muscle nonshivering thermogenesis in a feral mammal“ von Julia Nowack, Sebastian G. Vetter, Gabrielle Stalder, Johanna Painer, Maria Kral, Steve Smith, Minh Hien Le, Perica Jurcevic, Claudia Bieber, Walter Arnold und Thomas Ruf wurde in Scientific Reports veröffentlicht.
    https://www.nature.com/articles/s41598-019-42756-z

    Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
    Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna. Die Vetmeduni Vienna spielt in der globalen Top-Liga mit: 2018 belegt sie den exzellenten Platz 6 im weltweiten Shanghai-Hochschulranking im Fach „Veterinary Science“. http://www.vetmeduni.ac.at


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Julia Nowack
    Natural Sciences and Psychology
    Liverpool John Moores University
    T +44 (0) 151 231-2415
    J.Nowack@ljmu.ac.uk


    Originalpublikation:

    Der Artikel „Muscle nonshivering thermogenesis in a feral mammal“ von Julia Nowack, Sebastian G. Vetter, Gabrielle Stalder, Johanna Painer, Maria Kral, Steve Smith, Minh Hien Le, Perica Jurcevic, Claudia Bieber, Walter Arnold und Thomas Ruf wurde in Scientific Reports veröffentlicht.
    https://www.nature.com/articles/s41598-019-42756-z


    Weitere Informationen:

    https://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinformation...


    Bilder

    Wildschweine
    Wildschweine
    Julia Nowack
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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