idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
04.07.2019 11:11

Der Urahn des Weißen Hais

Stephan Brodicky Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Die Gruppe der Makrelenhaiartige umfasst einige der charismatischsten uns bekannten Haiarten, wie den Makohai, den berüchtigten Weißen Hai und nicht zuletzt Megalodon, den größten bekannten räuberischen Hai, der jemals die Weltmeere durchstreifte. Eine internationale ForscherInnengruppe um Patrick L. Jambura von der Universität Wien fand nun heraus, dass die Zähne dieser Top-Räuber eine einzigartige Struktur besitzen, aufgrund welcher sie den Ursprung dieser Gruppe zu einer kleinen, bodenlebenden Haiart aus dem mittleren Jura (vor 165 Millionen Jahren) zurück rekonstruieren konnten. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht.

    Ähnlich zu menschlichen Zähnen bestehen Haizähne aus zwei mineralisierten Geweben: einer harten Schale (Zahnschmelz) und dem darunter liegenden Dentin. Das Dentin der Haizähne kann unterschiedlich aufgebaut sein: entweder ist es sehr kompakt wie in den Zähnen der Säugetiere (Orthodentin) oder es ist spongiös und erinnert an echte Knochen (Osteodentin). Orthodentin kommt nur in der Zahnkrone vor, während das Osteodentin die Wurzel bildet, mit der der Zahn im Kiefer verankert ist. Bei einigen Haiarten kommt Osteodentin auch in der Krone vor und ergänzt das dortige Orthodentin.

    Patrick L. Jambura von der Universität Wien und seine KollegInnen verwendeten hochauflösende Mikro-CT Aufnahmen um den Zahnaufbau des Weißen Hais und seiner Verwandten zu untersuchen und fanden dabei eine einzigartige Ausbildung der Zahnkrone, die von keinem anderen Hai bekannt ist: die Zähne von Vertretern dieser Gruppe besitzen kein Orthodentin. Stattdessen bildet das Osteodentin nicht nur die Wurzel, sondern füllt auch die gesamte Zahnkrone aus. Dieser Aufbau ist nicht nur eine Neuerung innerhalb der Haie, sondern ist im gesamten Tierreich absolut einzigartig.

    Eine weitere Haiart wurde im Rahmen dieser Studie untersucht - der bereits vor langer Zeit ausgestorbene Hai Palaeocarcharias stromeri. Diese Art ist bekannt für seine gut erhaltenen Skelette aus den 150 Millionen Jahren alten Solnhofenern Plattenkalken in Süddeutschland, doch die Zähne der Gattung sind auch aus noch älteren Ablagerungen (165 Millionen Jahren) bekannt (Anmerkung: Haiskelette bestehen nicht aus Knochen sondern aus Knorpel, der normalerweise bei der Fossilisation nicht erhalten bleibt). Palaeocarcharias war ein eher unscheinbarer Hai und hatte nicht viel gemeinsam mit den heutigen Makrelenhaiartigen. Er war ein träger, bodenlebender Hai der nicht größer als einen Meter wurde, im Flachwasser lebte und sich dort wahrscheinlich von kleinen Fischen ernährte, die er mit seinen dolchartigen Zähnen aufspießte.

    Bis heute waren die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Art ein Rätsel für WissenschafterInnen, da der Körperbau sehr an einen Teppichhai erinnert, die Zähne jedoch Ähnlichkeiten mit Makrelenhaiartigen aufweisen. Die Untersuchung der Zahnmikrostruktur dieser Art offenbarten, dass Palaeocarcharias den selben einzigartigen Zahnaufbau besitzt, der nur von Vertretern der Makrelenhaiartigen bekannt ist. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass dieser kleine, unscheinbare Hai den Weg für eine der berüchtigsten Hai-Linien bereitete, aus welcher sowohl der ausgestorbene Megalodon als auch der heutige Weiße Hai entstammen.

    "Orthodentin kommt in den Zähnen aller bekannten Wirbeltiere vor, egal ob Fisch oder Säugetier - mit Ausnahme der Makrelenhaiartigen, welche einen einzigartigen Zahnaufbau aufweisen. Diese Entdeckung erlaubt es uns, den fossilen Hai Palaeocarcharias dieser Gruppe zuzuordnen, was ihn gleichzeitig zum ältesten bekannten Vorfahren des Weißen Hais macht. Es ist amüsant zu sehen, dass selbst dieser gigantische Top-Räuber, der heutzutage in aller Munde ist, in der Evolution ganz klein anfing", so Jambura.

    Publikation in Scientific Reports
    Patrick L. Jambura, René Kindlimann, Faviel López-Romero, Giuseppe Marramá, Cathrin Pfaff, Sebastian Stumpf, Julia Türtscher, Charles J. Underwood, David J. Ward, Jürgen Kriwet (2019) Micro-computed tomography imaging reveals the development of a unique tooth mineralization pattern in mackerel sharks (Chondrichthyes; Lamniformes) in deep time. In: Scientific Reports.
    DOI: 10.1038/s41598-019-46081-3


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Patrick Jambura, MSc
    Institut für Paläontologie
    Universität Wien
    1090 - Wien, Althanstraße 14
    +43-677-625-429-19
    patrick.jambura@gmail.com


    Originalpublikation:

    https://www.nature.com/articles/s41598-019-46081-3


    Bilder

    Fossiles Skelett des knapp einen Meter großen Palaeocarcharias stromeri aus dem Jura-Museum Eichstätt.
    Fossiles Skelett des knapp einen Meter großen Palaeocarcharias stromeri aus dem Jura-Museum Eichstät ...
    © Jürgen Kriwet
    None

    Hochauflösende CT-Aufnahmen zeigen den selben Zahnaufbau in Weißen Haien und dem 160 Millionen Jahren alten Palaeocarcharias stromeri.
    Hochauflösende CT-Aufnahmen zeigen den selben Zahnaufbau in Weißen Haien und dem 160 Millionen Jahre ...
    © Patrick L. Jambura
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geschichte / Archäologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).