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07.10.2019 12:58

Der Stammbaum der Stabschrecken

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

    Stab- und Gespenstschrecken sind eine formenreiche und äußerst bizarr anmutende Insektengruppe, die weltweit vor allem in tropischen und subtropischen Gebieten verbreitet ist. Bekannt sind sie für ihre – für Insektenverhältnisse – beeindruckenden Körpergrößen und die Fähigkeit, in verblüffender Weise Pflanzenteile wie Zweige, Blätter oder Rinde nachzuahmen, um sich vor Fressfeinden zu tarnen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen hat nun den ersten phylogenomischen Stammbaum dieser Insekten veröffentlicht.

    Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution erschienen.

    „Bislang wurden die verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der Stabschrecken bestenfalls an einer Handvoll Genen untersucht. Dies ist die erste Studie, bei der für jede Art weit über 2000 Gene vergleichend analysiert wurden“, erklärt Dr. Sven Bradler von der Universität Göttingen, Seniorautor der Studie. 38 Stab- und Gespenstschrecken aus aller Welt, darunter auch ein Wandelndes Blatt, standen den Forscherinnen und Forschern des 1KITE-Projekts (1000 Insect Transcriptome Evolution) für diese Untersuchung zur Verfügung. „Bisherige Studien waren nicht in der Lage, die frühe Evolution dieser Insekten aufzuklären. Dies hat sich mit dem deutlich umfangreicheren neuen Datensatz nun geändert, der auch die Entstehung der frühesten Linien nachzuzeichnen vermag“, erläutert Dr. Sabrina Simon, Erstautorin des Artikels von der Universität Wageningen.

    Das verblüffendste Ergebnis hierbei ist, dass die Verwandtschaftsbeziehungen der früh entstandenen Großgruppen der Stab- und Gespenstschrecken bisherige Ansichten weitgehend widerlegen. Sie entsprechen viel stärker der geografischen Verbreitung als der körperlichen Ähnlichkeit der Tiere. So deckte das Team eine neuweltliche Linie ausschließlich süd- und nordamerikanischer Arten und eine ursprünglich altweltliche Linie auf, die von Afrika bis Neuseeland reicht.

    Die Rekonstruktion der biogeografischen Geschichte der Insekten, die Sarah Bank, Doktorandin an der Universität Göttingen und Co-Autorin der Studie, durchführte, brachte darüber hinaus weitere unerwartete Ergebnisse: „Die völlig unterschiedlich aussehenden Stabschrecken Madagaskars gehen auf einen einzigen gemeinsamen Vorfahren zurück, der diese Insel vor etwa 45 Millionen Jahre besiedelte.“

    Die Altersbestimmung des Stammbaums lässt zudem den Schluss zu, dass die meisten Linien erst nach Aussterben der Dinosaurier vor etwa 66 Millionen Jahren entstanden. Somit ist die bemerkenswerte Tarnung dieser Insekten vermutlich anschließend als Anpassung an räuberische Vögel und Säugetiere entstanden.

    „Stabschrecken gewinnen zunehmend an Bedeutung als Modellorganismen für evolutionsbiologische Forschung“, erklärt Bradler mit Blick auf zukünftige Studien. „Der umfangreiche neue molekulare Datensatz ist noch lange nicht erschöpfend ausgewertet und dürfte noch spannende Erkenntnisse hinsichtlich der Funktion der zahlreichen ermittelten Gene bereithalten.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sven Bradler
    Georg-August-Universität Göttingen
    Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie
    Untere Karspüle 2, 37073 Göttingen
    Telefon: (0551) 39-25430
    Email: sbradle@gwdg.de
    Internet: http://www.uni-goettingen.de/de/207553.html


    Originalpublikation:

    Sabrina Simon et al. Old World and New World Phasmatodea: Phylogenomics Resolve the Evolutionary History of Stick and Leaf Insects. Frontiers (2019). https://doi.org/10.3389/fevo.2019.00345


    Bilder

    Nicht ähnlich, aber von gleicher Herkunft: Neuweltstabschrecken (oben) und Altweltstabschrecken (unten) bilden überraschenderweise eigene evolutive Linien innerhalb dieser Insektengruppe.
    Nicht ähnlich, aber von gleicher Herkunft: Neuweltstabschrecken (oben) und Altweltstabschrecken (unt ...
    Fotos: Christoph Seiler
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    Dr. Sven Bradler
    Dr. Sven Bradler
    Foto: Universität Göttingen
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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