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10.10.2019 16:49

Babys im Mutterleib von Umweltöstrogenen belastet

Rainer Klose Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

    Das frühkindliche Leben im Mutterleib ist besonders empfindlich für die Wirkung von Umweltschadstoffen. Ein Team der Empa und der Universität Wien konnte nun erstmals nachweisen, wie sich ein Schadstoff aus Lebensmitteln - das Umweltöstrogen Zearalenon - im Mutterleib verbreitet und zu bedenklichen Stoffwechselprodukten umgewandelt wird.

    Fremdöstrogene werden über die Umwelt, insbesondere über die Nahrung, aufgenommen. Sie können als östrogenartige Substanzen den körpereigenen Hormonhaushalt tiefgreifend beeinflussen. Das weit verbreitete Lebensmittelöstrogen Zearalenon wird von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildet und gelangt vor allem über den Speiseplan mit Brot oder Müsli in unseren Körper.

    «Die Plazentaschranke bietet dem ungeborenen Kind einen gewissen Schutz gegenüber Bakterien, Viren und manchen Fremdstoffen wie zum Beispiel bestimmten Medikamenten oder vom Körper aufgenommene Umweltgifte. Doch Zearalenon wandert, wie wir nun erstmals zeigen konnten, durch die Plazenta hindurch», sagt Benedikt Warth vom Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien.

    Einzigartiger Mutterkuchen

    Der Weg von Zearalenon durch den Mutterleib konnte bei Analysen ermittelt werden, für die voll funktionierende Plazenten, die nach geplanten Kaiserschnitten zur Verfügung standen, genutzt wurden. «Es ist entscheidend, menschliche Plazenten zu verwenden, um aussagekräftige Resultate zum Transport und Stoffwechsel von Zearalenon zu erhalten», sagt Empa-Forscherin Tina Bürki vom Particles-Biology Interactions-Labor in St. Gallen. «Der Grund sind die Eigenschaften des menschlichen Mutterkuchens, weil Struktur, Funktion und metabolische Kapazität einzigartig und spezifisch sind."

    Die Forschenden ermittelten nicht nur die Konzentrationen von Zearalenon im Gewebe der Plazenta selbst. Sie simulierten mittels einer Nährlösung vor Eintritt und nach Austritt aus der Plazenta auch den Bereich des Stofftransports, dem der Fötus ausgesetzt ist. Gleichzeitig konnten sie die verschiedenen Stoffwechselprodukte untersuchen, die durch Enzyme in der Plazenta gebildet werden.

    70-fach erhöhte Aktivität

    «Sobald wir Umweltstoffe aufnehmen, werden diese im Körper über unseren Stoffwechsel in der Regel entgiftet und ausgeschieden. Es gibt aber auch Enzyme, die diese Substanzen noch stärker aktivieren», sagt Bürki. So auch in diesem Fall: Die Plazenta bildet aus Zearalenon ein neues Stoffwechselprodukt mit einer etwa 70-fach höheren Östrogenaktivität. Selbst geringe Konzentrationen könnten damit schon einen grösseren Effekt auf das Kind im Mutterleib haben als bisher angenommen. «Diese Erkenntnis sollte in künftigen Risikobewertungen berücksichtigt werden – auch wenn die Grenzwerte schon jetzt in Kindernahrung und Muttermilchersatzprodukten strenger geregelt sind als für normale Produkte und die EU die weltweit niedrigsten Grenzwerte eingeführt hat», so Benedikt Warth.

    Das körpereigene Gleichgewicht der Hormone ist sehr sensibel. Man geht davon aus, dass sich eine frühe Exposition mit Fremdöstrogenen viele Jahrzehnte später auf verschiedene Erkrankungen wie Brust- oder Gebärmutterhalskrebs, aber auch auf andere Symptome wie eine verfrühte Pubertät oder Unfruchtbarkeit auswirken könnte. «Bis weitere Forschungsergebnisse vorliegen, kann man lediglich zu einer abwechslungsreichen Ernährung raten, um die Belastung mit den Giftstoffen zu reduzieren», so das Autorenteam.

    Mit der Analysemethode können über 50 verschiedene Fremdöstrogene in biologischen Proben simultan nachgewiesen werden. «Unsere Methode umfasst praktisch alle wichtigen Fremdstoffe, die auf das östrogene System wirken. Das beinhaltet auch zahlreiche andere Substanzen, über die aktuell viel diskutiert wird, wie Bisphenol A oder Pestizide», so Warth. Mit der neuen analytischen Methode erhoffen sich die Forschenden, künftig die Exposition und kombinatorischen Wirkungen von Umweltschadstoffen im menschlichen Körper besser untersuchen zu können.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Tina Bürki
    Laboratory for Particles-Biology Interactions
    Empa
    Tel. +41 58 765 7696
    tina.buerki@empa.ch

    Assoz. Prof. Dr. Benedikt Warth
    Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie
    Universität Wien
    Tel. +43 664 60277 70806
    benedikt.warth@univie.ac.at
    https://exposomics.univie.ac.at/
    https://lmc.univie.ac.at/


    Originalpublikation:

    B Warth, K Preindl, P Manser, P Wick, D Marko, T Buerki; Transfer and metabolism of the xenoestrogen zearalenone in human perfused placenta; Environmental Health Perspectives (2019); https://doi.org/10.1289/EHP4860


    Bilder

    Das Lebensmittelöstrogen Zearalenon wandert durch die Plazenta, wie Forschende der Universität Wien und der Empa nun erstmals zeigen konnten.
    Das Lebensmittelöstrogen Zearalenon wandert durch die Plazenta, wie Forschende der Universität Wien ...
    Universität Wien
    None

    Empa-Forscherin Tina Bürki im Plazenta-Labor in St.Gallen.
    Empa-Forscherin Tina Bürki im Plazenta-Labor in St.Gallen.
    Empa
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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