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09.12.2019 10:54

Grabenkämpfe der Parteien spalten die Gesellschaft

Samira Rosenbaum Dezernat Kommunikation
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

    Politikwissenschaftler der Universität Bamberg erforschen gesellschaftliches Klima in Deutschland.

    Wie nehmen sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen gegenseitig wahr? Und was bedeutet das für den Zusammenhalt in der Gesellschaft? Diese Fragen untersuchten die Bamberger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Marc Helbling und Sebastian Jungkunz in einer aktuellen Studie, für die sie 1229 Personen in Deutschland repräsentativ befragten. Die Forscher fanden heraus, dass die stärker werdende Polarisierung der Parteien das gesellschaftliche Klima in Deutschland negativ beeinflusst. Eine besondere Rolle spielt dabei die AfD.

    „Die Polarisierung in der Parteienlandschaft nimmt zu und wird von der AfD maßgeblich vorangetrieben“, sagt Marc Helbling, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, insbes. Politische Soziologie. Die AfD habe Potenziale aktiviert, die vorher schon vorhanden, aber noch in der CDU eingebunden waren. Sebastian Jungkunz erklärt: „Durch die zunehmende Radikalisierung der AfD und ihre intensive Kommunikation über die sozialen Medien ist auch die gesellschaftliche Debatte immer stärker polarisiert worden.“

    Ablehnung ist asymmetrisch

    Dass die unterschiedlichen Parteien sich gegenseitig ablehnen, ist kein Geheimnis. Marc Helbling und Sebastian Jungkunz untersuchten nun erstmals, in wieweit sich das auch im gesellschaftlichen Miteinander zeigt. Dafür erstellten sie eine Vignetten-Studie: Bei einer Kurzbeschreibung einer Person veränderten sie jeweils einzelne Personenmerkmale des Protagonisten wie Herkunftsland oder Wahlverhalten und gaben die Versionen der Beschreibung verschiedenen Gruppen von Befragten. Auf diese Kurzbeschreibung bezogen sich Aussagen, welche die Teilnehmenden im Fragebogen anschließend einordnen sollten.

    Helbling und Jungkunz fanden heraus: Die befragten Bürgerinnen und Bürger nehmen die Meinungen der Parteien auf und tragen sie weiter. Dabei verinnerlichen sie nicht nur Inhalte, sondern auch die ablehnende Haltung gegenüber anderen Parteien. Allein die Tatsache, dass jemand einer anderen Partei angehört, führt dazu, dass man dieser Person deutlich weniger Sympathie entgegenbringt. In einem zweiten Schritt verglichen die Wissenschaftler die Anhänger der Mitte-Parteien SPD und CDU mit denen der AfD. Diese beiden Lager lehnten sich gegenseitig besonders stark ab. Dabei stellten die Forscher fest, dass die Ablehnung asymmetrisch ist: Die Anhängerinnen und Anhänger der gemäßigten Parteien lehnen Personen, die der AfD nahestehen, deutlich stärker ab als umgekehrt.

    „Die Ursache der Polarisierung ist nicht, dass Wählerinnen und Wähler sich mit ihrer Partei und deren Zielen immer stärker verbunden fühlen“, erklärt Jungkunz. Die politische Zuordnung funktioniere mittlerweile verstärkt darüber, wem man nicht nahesteht und von wem man sich distanzieren möchte. „Sich von der AfD zu distanzieren ist für die Mitte-Parteien ein Muss. Das konnte man bei der letzten Bundestagswahl 2017 gut beobachten.“ Je stärker die gegenseitige Ablehnung, desto eher gehe der soziale Zusammenhalt in einer Gesellschaft verloren und auch die Konsensbildung im politischen Prozess leide unter Umständen.

    FPÖ vergleichsweise etabliert

    Die Forscher haben ebenfalls 1094 Österreicherinnen und Österreicher befragt. Im Nachbarland ist der gesellschaftliche Graben nicht ganz so tief. Die rechtspopulistische FPÖ existiert schon länger und ist dort etablierter. Um die Spaltungen in einer Gesellschaft zu überwinden, gibt es keine einfachen Lösungen. „Letztlich muss die Politik die Folgen der Globalisierung abschwächen“, sagt Jungkunz. „Sie muss durch überzeugendes Handeln eine Möglichkeit zur positiven Identifikation bieten, die soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft bekämpfen und so der Polarisierung ihre Grundlage entziehen.“

    Weitere Informationen zur vollständigen Studie unter: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/01402382.2019.1674578 [Titel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmen]


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Sebastian Jungkunz
    Lehrstuhl für Politikwissenschaften, insbes. Politische Soziologie
    Tel.: 0951/863-3019
    sebastian.jungkunz@uni-bamberg.de


    Originalpublikation:

    https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/01402382.2019.1674578


    Bilder

    Sebastian Jungkunz
    Sebastian Jungkunz
    Tim Kipphan/Universität Bamberg
    None

    Prof. Dr. Marc Helbling
    Prof. Dr. Marc Helbling
    Tim Kipphan/Universität Bamberg
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Politik, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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