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07.01.2020 09:18

Vernachlässigung im Kindesalter beeinflusst spätere Gehirngröße

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Erwachsene, die als Kinder aus rumänischen Heimen adoptiert wurden, haben kleinere Gehirne als Adoptierte, die keine vergleichbare Vernachlässigung im Kindesalter erfahren haben. Je mehr Zeit die Kinder im Heim verbracht hatten, desto geringer war ihr Gehirnvolumen später. Das berichtet ein internationales Forschungsteam unter Federführung des King’s College London in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences, kurz PNAS, vom 6. Januar 2020. An der Arbeit beteiligt war auch Prof. Dr. Robert Kumsta von der Ruhr-Universität Bochum.

    Mithilfe der Magnetresonanztomografie erfassten die Forscherinnen und Forscher das Gehirnvolumen von 67 Erwachsenen im Alter zwischen 23 und 28 Jahren, die in rumänischen Kinderheimen aufgewachsen waren. Dort waren sie stark vernachlässigt worden, bevor sie in englische Familien adoptiert worden waren. Die Daten verglichen die Wissenschaftler mit denen von 21 englischen Adoptierten ohne Heimerfahrung.

    Volumen nimmt mit jedem Monat ab

    Die Gehirne der rumänischen Adoptierten waren durchschnittlich 8,6 Prozent kleiner als die der Kontrollgruppe. Je länger die Heimerfahrung war, desto kleiner war auch das Gehirnvolumen: Jeder zusätzliche Monat in der Institution ließ das Gehirn um drei Kubikzentimeter schrumpfen, was 0,27 Prozent des Gesamtvolumens entspricht. Diese Veränderungen gingen mit einem verminderten IQ und vermehrten ADHS-Symptomen einher.

    Die Forscher schlossen aus, dass das verminderte Volumen mit dem Ernährungszustand, der Körpergröße oder einer genetischen Prädisposition für ein kleineres Gehirn zusammenhing.

    Schlechte Bedingungen in Heimen

    Die Studie war Teil der English and Romanian Adoptees Study, die 1990 kurz nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Rumänien begann. Die Kinder kamen im Alter von wenigen Wochen in die Heime, wo sie unter extrem schlechten hygienischen Bedingungen lebten, wenig zu essen hatten, kaum persönliche Fürsorge erfuhren und selten soziale oder kognitive Anreize bekamen. Sie verbrachten zwischen 3 und 41 Monaten dort. Frühere Ergebnisse hatten bereits Langzeitfolgen für die psychische Gesundheit offengelegt. Die aktuelle Studie untersuchte nun erstmals, wie sich schwere Vernachlässigung im Kindesalter auf die Gehirnstruktur auswirkt.

    Kompensation möglich

    Die Veränderungen traten vor allem in drei Hirnregionen zutage, die wichtig für Organisation, Motivation, das Integrieren von Informationen und das Gedächtnis sind. Eine Hirnregion, der rechte inferiore Temporallappen, war bei rumänischen Erwachsenen allerdings größer als bei der Kontrollgruppe, was mit verminderten ADHS-Symptomen einherging. Laut den Forschern ein Zeichen für eine Anpassung, die die negativen Folgen der Vernachlässigung anteilig kompensieren kann. Solche Effekte könnten auch erklären, warum manche Individuen weniger von der Vernachlässigung betroffen zu sein scheinen als andere.

    Förderung

    Die Studie wurde unterstützt von: Medical Research Council (Grant MR/K022474/1), Economic and Social Research Council (Grant RES-062-23-33), National Institute for Health Research (NIHR) Clinical Research Network, NIHR Biomedical Research Centre, Maudsley National Health Service Foundation Trust. Die Erstautorin Dr. Nuria Mackes hat an der RUB Psychologie mit dem Schwerpunkt Kognitive Neurowissenschaften studiert und wurde durch ein Promos-Stipendium unterstützt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Robert Kumsta
    Genetische Psychologie
    Fakultät für Psychologie
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: 0234 32 22676
    E-Mail: robert.kumsta@rub.de


    Originalpublikation:

    Nuria K. Mackes, Dennis Golm, Sagari Sarkar, Robert Kumsta, Michael Rutter, Graeme Fairchild, Mitul A. Mehta, Edmund J. S. Sonuga-Barke: Early childhood deprivation is associated with alterations in adult brain structure despite subsequent environmental enrichment, 2020, in: Proceedings of the National Academy of Sciences, DOI: 10.1073/pnas.1911264116


    Bilder

    Robert Kumsta, Leiter des Lehrstuhls für Genetische Psychologie der Ruhr-Universität Bochum, war an der Studie beteiligt.
    Robert Kumsta, Leiter des Lehrstuhls für Genetische Psychologie der Ruhr-Universität Bochum, war an ...
    © RUB, Marquard (Dieses Foto darf nur für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum im Kontext dieser Presseinformation verwendet werden.)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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