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20.01.2020 10:21

Wie Klimawandel und Geburtenrate zusammenhängen

Katrina Jordan Abteilung Kommunikation
Universität Passau

Warum stockt der demographische Übergang in Subsahara-Afrika? Prof. Dr. Michael Grimm, Entwicklungsökonom an der Universität Passau, zeigt anhand von historischen Daten aus den USA, weshalb der Klimawandel die Geburtenrate in armen, ländlichen Regionen steigern könnte.

Kinder dienen in armen, ländlichen Regionen nicht nur der Altersvorsorge, sondern auch der Absicherung gegen befürchtete Risiken wie Ernteausfälle. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Michael Grimm, Inhaber des Lehrstuhls für Development Economics von der Universität Passau, in einer Studie zum demographischen Übergang in den USA im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Der Begriff „demographischer Übergang“ beschreibt einen typischen Verlauf in der Bevölkerungsentwicklung, bei dem zunächst die Sterberate sinkt und – zeitlich versetzt dazu – auch die Geburtenrate.

„Meine Auswertung zeigt, dass bäuerliche Familien in Gegenden (Counties) mit starken Wetterschwankungen mehr Kinder hatten als in Regionen mit weniger starken Wetterschwankungen.“ Kinder übernehmen Tätigkeiten im Haushalt und erlauben dadurch älteren Familienmitgliedern, mehr Arbeit auf dem Feld oder in nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu verbringen. Mit zunehmendem Alter können die Kinder in schlechten Zeiten auch selbst direkt bei der Einkommenserzielung mitwirken. In die Studie flossen 945.038 Beobachtungen aus historischen Zensus-Daten zu Frauen zwischen 15 und 39 Jahren ein sowie historische Wetteraufzeichnungen und Daten zur Landwirtschaft und zum Bankenwesen. Der Effekt, wonach starke Wetterschwankungen mit einer hohen Geburtenrate einhergehen, hält auch dann stand, wenn potentielle andere strukturelle Unterschiede zwischen Gegenden mit hohen und niedrigen Wetterschwankungen berücksichtigt werden.

Die Notwendigkeit der Absicherung durch Kinder schwindet mit dem Einzug von Bewässerungsanlagen, modernen landwirtschaftlichen Methoden und dem Bankenwesen. In Zusammenhang mit den Bewässerungsanlagen konnte der Entwicklungsökonom den größten Effekt feststellen: Bereits bei einem Anteil von 25 Prozent bewässerter Fläche gemessen an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche, führte eine erhöhte Regenfallvariabilität zu keiner erhöhten Geburtenrate mehr; diese glich dann der Geburtenrate in Gegenden mit geringer Regenfallvariabilität. Bewässerungsanlagen bedeuteten, dass die Höfe nicht mehr fürchten mussten, dem Risiko von Schäden etwa durch Dürren hilflos ausgesetzt zu sein. Einen signifikanten Effekt konnte auch beim Einsatz von Maschinen festgestellt werden.

Parallelen zur Situation in Subsahara-Afrika

Prof. Dr. Grimm forscht schwerpunktmäßig zu den ärmsten Regionen Afrikas. Für die Zeit um die Jahrhundertwende sieht er in den USA viele Parallelen zur Situation in manchen Gegenden in Subsahara-Afrika, wo der demographische Wandel derzeit stockt: „Ein Großteil der US-amerikanischen Haushalte war in der Landwirtschaft tätig, insbesondere jene Siedlerinnen und Siedler, die sich nach Westen ausbreiteten. Maschinen gab es nicht, der Kapitalstock lag bei Null. In vielen Gegenden herrschten starke Wetterschwankungen mit wechselnden Perioden von zu wenig oder zu viel Regen“, so Prof. Dr. Grimm.

Die historischen Daten liefern aus Sicht von Prof Dr. Grimm wichtige Erkenntnisse für aktuelle Herausforderungen der Entwicklungspolitik: Denn der Klimawandel verschärft das Risiko extremer Wetterlagen, was wiederum erklären könnte, weshalb der demographische Übergang in manchen Gegenden Subsahara-Afrikas stockt. „Um den demographischen Wandel zu beschleunigen, müssen künftige Maßnahmen nicht nur den strukturellen Wandel hin zu einer modernen Volkswirtschaft bewerkstelligen, sondern auch ganz besonders den Aspekt der Absicherung berücksichtigen, etwa in Form von Krankenversicherungen oder sozialer Sicherungsnetze “, so Prof. Dr. Grimm.

Die Studie ist in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift Journal of Economic Geography erschienen.

Rückfragen zu dieser Pressemitteilung richten Sie bitte an das Referat für Medienarbeit, Tel. 0851-509 1439.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Grimm, michael.grimm@uni-passau.de


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1093/jeg/lbz039 - LInk zur Originalstudie


Bilder

Ergänzung vom 08.12.2020

Text: Kathrin Haimerl


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

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