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16.10.2020 10:35

Solarzellen der Zukunft

Susanne Langer Kommunikation und Presse
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Organische Solarzellen lassen sich kostengünstiger herstellen und flexibler nutzen als Solarzellen aus kristallinem Silizium, erreichen bisher aber nicht deren Effizienz und Stabilität. Die Forschungsgruppe um Prof. Christoph Brabec, Direktor des Instituts für Materialien in der Elektronik und Energietechnologie (i-MEET) am Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften der FAU, arbeitet seit Jahren an der Verbesserung dieser Faktoren. FAU-Nachwuchswissenschaftler Andrej Classen konnte nun im Rahmen einer Doktorarbeit zeigen, dass die Effizienzsteigerung über lumineszente Akzeptormoleküle führt. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift „Nature Energy“ erschienen.*

    Bei wolkenlosem Himmel kann die Sonne in unseren Breitengraden eine Strahlungsenergie von circa 1.000 Watt pro Quadratmeter liefern. Marktübliche monokristalline Silizium-Solarzellen wandeln bis zu einem Fünftel dieser Energie in elektrischen Strom um. Ihr Wirkungsgrad beziehungsweise ihre Effizienz liegt bei etwa 20 Prozent. Seit September 2019 hält die Arbeitsgruppe um Prof. Brabec mit 12,6 Prozent den Effizienz-Weltrekord für organische Photovoltaik-Module (OPV). Das am Energie Campus Nürnberg (EnCN) entwickelte mehrzellige Modul hat eine Fläche von 26 cm². „Wenn wir im Labor auf über 20 Prozent kommen, erreichen wir in der praktischen Anwendung vielleicht 15 Prozent und können damit der Silizium-Solarzelle echte Konkurrenz machen“, sagt Prof. Brabec.

    Flexibel einsetzbar und energieeffizient in der Herstellung
    Die Vorteile organischer Solarzellen liegen auf der Hand. Sie sind dünn und biegsam wie eine Folie und lassen sich leicht an verschiedene Substrate anpassen. Über das verwendete Makromolekül lässt sich die Wellenlänge „einstellen“, bei der das Sonnenlicht absorbiert wird. Ein mit organischen Solarzellen beschichtetes Bürofenster, das im roten und infraroten Spektralbereich absorbiert, würde nicht nur die Wärmestrahlung abschirmen, sondern gleichzeitig Strom erzeugen. Ein Kriterium, das angesichts der Klimakrise immer wichtiger wird, ist die Betriebsdauer, ab der eine Solarzelle mehr Energie erzeugt, als ihre Herstellung verbraucht hat. Diese sogenannte Energierücklaufzeit ist stark abhängig von der verwendeten Technologie und dem Standort der Photovoltaik (PV)-Anlage. Nach neuesten Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) liegt die Energierücklaufzeit von PV-Modulen auf Siliziumbasis in der Schweiz bei 2,5 - 2,8 Jahren. Bei organischen Solarzellen wären dies hingegen nur einige wenige Monate, sagt Dr. Thomas Heumüller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Brabec.

    Leistungsverlust für die Ladungstrennung
    Im Vergleich mit der „klassischen“ Silizium-Solarzelle hat ihre organische Schwester jedoch einen entscheidenden Nachteil: Das Sonnenlicht erzeugt nicht sofort freie Ladungen für den Stromfluss, sondern sogenannte Exzitonen, in denen die positiven und negativen Ladungen noch gebunden sind. „Um zu freien Ladungen zu kommen, mit denen Elektrizität gewonnen werden kann, braucht es einen Akzeptor, der nur die negative Ladung anzieht und damit zur Ladungstrennung führt“, erklärt Dr. Heumüller. Um die Ladungen zu trennen, ist eine gewisse Triebkraft nötig, die sogenannte driving force. Diese Triebkraft ist abhängig von der Molekularstruktur der verwendeten Polymere. Da bestimmte Moleküle aus der Stoffklasse der Fullerene eine große Triebkraft besitzen, hat man sie bisher bevorzugt als Elektronenakzeptoren in organischen Solarzellen eingesetzt. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass eine große Triebkraft auf Kosten der elektrischen Spannung geht. Damit sinkt auch die Leistung der Solarzelle, gemäß der für Gleichstrom geltenden Formel Leistung gleich Spannung mal Stromstärke.

    Andrej Classen wollte nun herausfinden, wie klein die driving force werden kann, um gerade noch eine vollständige Ladungstrennung des Exzitons zu erreichen. Dafür verglich er Kombinationen aus vier Donor- und fünf Akzeptorpolymeren, die ihr Potenzial für organische Solarzellen bereits bewiesen haben. Mit ihnen stellte Classen unter exakt den gleichen Bedingungen 20 Solarzellen mit einer Triebkraft von nahe Null bis 0,6 Elektronenvolt her.

    Leistungssteigerung durch bestimmte Moleküle
    Die Messergebnisse lieferten erstmals den Beweis für ein bereits in der Forschung angenommenes Boltzmann-Gleichgewicht zwischen Exzitonen und getrennten Ladungen, den sogenannten Charge transfer (CT)-Zuständen. „Je mehr die Triebkraft gegen Null geht, desto mehr liegt das Gleichgewicht auf der Seite des Exzitons“, sagt Dr. Larry Lüer, Spezialist für Photophysik in der Arbeitsgruppe Brabec. Daher müsse sich die Forschung zukünftig darauf konzentrieren, das Exziton am Abklingen zu hindern, das heißt, dessen Anregungs-„Lebensdauer“ zu erhöhen. Bisher habe man sich nur auf die Lebensdauer des CT-Zustandes konzentriert. Das Abklingen des Exzitons kann durch Aussendung von Licht (Lumineszenz) oder durch Wärmeentwicklung geschehen. Durch geschickte Modifikation des Polymers könnte die Wärmebildung auf ein Minimum reduziert werden, so dass vor allem die Lumineszenz übrig bleibt. „Die Effizienzsteigerung organischer Solarzellen führt daher über hoch lumineszente Akzeptor-Moleküle“, prophezeit Andrej Classen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Andrej Classen
    Tel.: 09131/85-27634
    andrej.classen@fau.de


    Originalpublikation:

    10.1038/s41560-020-00684-7


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter
    Elektrotechnik, Energie, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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