idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.05.2021 15:20

Johann Joachim Winckelmann: Neues BMBF-Projekt untersucht Abschriften des berühmten Kunsthistorikers

Ronja Münch Pressestelle
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Johann Joachim Winckelmann gilt als Begründer der wissenschaftlichen Kunstgeschichte und der Archäologie im deutschsprachigen Raum. In einem großen Forschungsprojekt untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der TU Darmstadt nun die Einflüsse anderer Gelehrter auf sein Werk. Grundlage bildeten für Winckelmann insbesondere die Schriften italienischer, französischer und englischer Gelehrter, die er in Auszügen abschrieb und damit sogenannte Exzerpthefte füllte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt für drei Jahre mit knapp 1,1 Millionen Euro.

    Exzerpte waren viele Jahrhunderte lang die gängigste Methode, um Wissen zu "speichern". Auszüge aus den Werken anderer Autoren wurden abgeschrieben, dienten als Erinnerungshilfe für Gelesenes, aber auch als Reservoir für eigene Werke. "Exzerpte waren bis ins 19. Jahrhundert für alle Wissenschaftler sehr wichtig. In der Forschung finden sie heute bislang jedoch noch wenig Beachtung", so die Germanistin Prof. Dr. Elisabeth Décultot, Humboldt-Professorin und Direktorin des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA) an der MLU. Sie leitet das neue Projekt zu den Exzerptheften Johann Joachim Winckelmanns (1717-1768) gemeinsam mit Prof. Dr. Paul Molitor vom Institut für Informatik der MLU und Prof. Dr. Andrea Rapp von der TU Darmstadt. In einer großen Digitaledition sollen die Exzerpthefte zusammen mit den Originalwerken, aus denen Winckelmann diese abgeschrieben hatte, und entsprechenden Textstellen in seinen eigenen Werken veröffentlicht und mit entsprechenden Querverweisen versehen werden.

    "Das Projekt soll als Pilotprojekt zur Erforschung solcher Exzerpte dienen", so Décultot. Während sie ihre Expertise zur Kunstgeschichte und Winckelmanns Werken einbringt, steuern die Projektpartner ihre Erfahrung im Bereich der Digital Humanities bei. Molitor betreut die technische Seite des Projekts, die Philologin Rapp bringt ihre Expertise bei der digitalen Textanalyse ein. Die Digitaledition soll im Open-Access-Verfahren für weitere Forschung zur freien Verfügung gestellt werden.

    Durch die Verbindung der verschiedenen Texte will das Team unter anderem den Umgang Winckelmanns mit fremden Texten erforschen. "Es gibt in seinen Werken viele Fälle von dem, was man heute Plagiat nennen würde", so Décultot. Der Vergleich mit den Exzerptheften soll helfen, herauszufinden, an welchen Stellen er Textteile mit oder ohne Nennung der Autorschaft verwendet.

    Bevor die Werke digital verglichen werden können, müssen sie jedoch vollständig erschlossen werden. "Die Exzerpthefte umfassen circa 7.500 Seiten, zu einem Großteil aus Werken fremdsprachiger Autoren", sagt Décultot. Diese liegen zu einem Großteil bereits digital in Form von Scans vor und müssen nun in Textform erfasst und teils übersetzt werden. "Winckelmann hat eine Vielzahl kunsthistorischer Begriffe im Deutschen geprägt, indem er französische oder italienische Wörter als Grundlage nutzte", so die Wissenschaftlerin. Mithilfe der computergestützten Analyse hofft Décultot, weitere bisher noch nicht aufgedeckte Verbindungen zwischen Winckelmanns Quellen und seinen eigenen Werken zu finden.

    Winckelmann wurde 1717 in Stendal geboren und studierte für vier Semester an der Universität Halle und später in Jena. Danach arbeitete er als Hauslehrer und Bibliothekar, bevor er schließlich nach Italien reiste und in Rom zum "Aufseher aller Altertümer im Kirchenstaat" ernannt wurde. Er gilt als Begründer der modernen Kunstgeschichte und Archäologie.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Elisabeth Décultot
    Institut für Germanistik / IZEA
    Telefon: +49 345 55-23594
    E-Mail: elisabeth.decultot@germanistik.uni-halle.de


    Bilder

    Eine Seite aus den Exzerptheften von Johann Joachim Winckelmann
    Eine Seite aus den Exzerptheften von Johann Joachim Winckelmann

    Bibliothèque Nationale de France, Département des manuscrits, Paris, Sign. Allemand, Bd. 62, Bl. 73r


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).