idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.07.2021 10:18

Solarzellen: Drei Kristallschichten erzeugen tausendfache Power

Tom Leonhardt Pressestelle
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Der photovoltaische Effekt ferroelektrischer Kristalle in Solarzellen lässt sich um den Faktor 1.000 erhöhen, wenn drei verschiedene Materialien in einem Gitter angeordnet werden. Das haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einer Studie gezeigt. Dafür erzeugten sie kristalline Schichten aus Barium-, Strontium- und Calciumtitanat, die sie abwechselnd übereinanderlegten. Die Ergebnisse, die zu einer deutlich höheren Effizienz von Solarmodulen beitragen könnten, wurden in der Fachzeitschrift "Science Advances" veröffentlicht.

    Aktuell basieren die meisten Solarzellen auf Silizium, doch ihr Wirkungsgrad ist begrenzt. Seit einigen Jahren wird deshalb an neuen Materialen geforscht, etwa an Ferroelektrika, wie Bariumtitanat, einem Mischoxid aus Barium und Titan. "Ferroelektrisch bedeutet, dass das Material räumlich getrennte positive und negative Ladungen besitzt", erklärt der Physiker Dr. Akash Bhatnagar vom Zentrum für Innovationskompetenz SiLi-nano der MLU. "Die Ladungstrennung führt zu einer asymmetrischen Struktur, die eine Stromerzeugung unter Licht ermöglicht." Im Gegensatz zu Silizium benötigen ferroelektrische Kristalle für den photovoltaischen Effekt keinen sogenannten pn-Übergang, also keine positiv und negativ dotierten Schichten, was die Herstellung von Solarmodulen wesentlich erleichtert.

    Reines Bariumtitanat absorbiert allerdings wenig Sonnenlicht und erzeugt demzufolge einen vergleichsweise geringen Lichtstrom. Die neuere Forschung hat jedoch gezeigt, dass die Kombination verschiedener Materialien in extrem dünnen Schichten die Ausbeute der Sonnenenergie deutlich erhöht. "Wichtig dabei ist, dass sich ein ferroelektrisches mit einem paraelektrischen Material abwechselt. Letzteres weist zwar keine getrennten Ladungen auf, kann unter bestimmten Bedingungen, etwa bei niedriger Temperatur oder leichten Modifikationen der chemischen Struktur, jedoch ferroelektrisch werden", erklärt Bhatnagar.

    Die Forschungsgruppe von Bhatnagar hat nun herausgefunden, dass der photovoltaische Effekt nochmals deutlich verstärkt wird, wenn sich die ferroelektrische Schicht nicht nur mit einer, sondern mit zwei verschiedenen paraelektrischen Schichten abwechselt. Yeseul Yun, Doktorandin an der MLU und Erst-Autorin der Studie, sagt: "Wir haben das Bariumtitanat zwischen Strontium- und Calciumtitanat eingebettet. Dafür werden die Kristalle mit einem Hochleistungslaser verdampft und auf Trägersubstraten wieder abgelagert. Das so hergestellte Material besteht aus 500 Schichten und ist etwa 200 Nanometer dick."

    Für die photoelektrischen Messungen wurde das neue Material mit Laserlicht bestrahlt. Das Ergebnis überraschte selbst die Forschungsgruppe: Im Vergleich zu reinem Bariumtitanat ähnlicher Dicke war der Stromfluss bis zu 1.000-mal stärker - und das, obwohl der Anteil des Bariumtitanats als photoelektrische Hauptkomponente um fast zwei Drittel reduziert wurde. "Offenbar führt die Interaktion der Gitterschichten zu einer wesentlich höheren Permittivität - also dazu, dass die Elektronen aufgrund der Anregung durch die Lichtphotonen deutlich leichter abfließen können", erklärt Akash Bhatnagar. Die Messungen haben obendrein gezeigt, dass dieser Effekt sehr robust ist: Er war über einen Zeitraum von sechs Monaten nahezu konstant.

    Die weitere Forschung muss nun zeigen, welche Ursachen genau für den überragenden photoelektrischen Effekt verantwortlich sind. Bhatnagar ist zuversichtlich, dass das demonstrierte Potenzial des neuen Konzepts für die praktische Anwendung in Solarmodulen genutzt werden kann: "Die Schichtstruktur zeigt in allen Temperaturbereichen eine höhere Ausbeute als ein reines Ferroelektrikum. Zudem sind die verwendeten Kristalle deutlich langlebiger und benötigen keine spezielle Verpackung."



    Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft und mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt.


    Originalpublikation:

    Studie: Yun, Y., Mühlenbein, L., Knoche, D.S., Lotnyk, A., Bhatnagar, A. Strongly enhanced and tunable photovoltaic effect in ferroelectric-paraelectric superlattices. Science Advances (2021). DOI: 10.1126/sciadv.abe4206
    https://advances.sciencemag.org/content/7/23/eabe4206


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter
    Elektrotechnik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).