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24.09.2021 15:03

BRIESE-Preis 2020: Wie durchdringen Fluide Meeressedimente? Eine wichtige Frage auf dem Weg zur Klimawandel-Eindämmung

Dr. Kristin Beck Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

    Mit dem BRIESE-Preis für Meeresforschung 2020 würdigt die Jury die herausragende Forschung von Dr. Christoph Böttner zu der Frage, wie sich Fluide – Flüssigkeiten und Gase – in Meeressedimenten ausbreiten. Dies basiert auf den unterschiedlichsten Prozessen und kann in vieler Hinsicht auch klimarelevant sein. Böttner kombinierte sehr unterschiedliche Methoden aus der Geophysik, Geologie und Geochemie auf neue Weise, um die zugrundeliegenden geologischen Prozesse genauer zu analysieren. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der Reederei Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG gestiftet und vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) wissenschaftlich betreut.

    Fluide – damit bezeichnet man sowohl Flüssigkeiten als auch Gase, die den gleichen physikalischen Gesetzen folgen – sind wichtiger Bestandteil fast aller geologischen Prozesse auf der Erde. Obwohl diese in der Erdkruste ablaufen, wirken sich viele auch auf die darüber liegenden Meere oder die Atmosphäre aus. Wie die Fluide – beispielsweise das hochwirksame Klimagas Methan oder auch eingelagertes Wasser – dorthin gelangen, wird von vielen Faktoren bestimmt. Man weiß, dass die Durchlässigkeit der geologischen Schichten unterhalb des Meeresbodens, durch die die Fluide hindurchdringen, durch ihre spezifische Festigkeit und Porosität einen entscheidenden Einfluss haben. Auch geologische Strukturen natürlichen Ursprungs – etwa Auffaltungen, Verwerfungen oder Brüche – sowie menschliche Eingriffe, beispielsweise Bohrungen zur Förderung von Erdgas oder Erdöl, spielen eine wichtige Rolle. Dennoch sind die äußerst komplexen geologischen Prozesse, die der Fluidausbreitung zugrunde liegen, in vieler Hinsicht zu wenig verstanden.

    Christoph Böttner, der aktuell an der Kieler Christian-Albrechts-Universität arbeitet und heute in Warnemünde am IOW mit dem BRIESE-Preis für Meeresforschung ausgezeichnet wurde, hat sich in seiner Doktorarbeit intensiv mit verschiedenen Ausbreitungsprozessen von Fluiden in Meeressedimenten befasst. „Meine Motivation liegt vor allem in den Herausforderungen begründet, vor die uns der Klimawandel stellt“, sagt der marine Geophysiker anlässlich der Preisverleihung. „Denn zum einen gelangen in bestimmten Meeresgebieten große Mengen Methan – auch durch menschliche Aktivitäten – aus dem Untergrund bis in die Atmosphäre, was zukünftig für Klimaberechnungen systematischer erfasst und, wenn möglich, auch verhindert werden sollte. Zum anderen beruht eine Schlüsseltechnologie zur Eindämmung des Klimawandels innerhalb der Pariser Klimaziele auf aktiver Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und dessen Speicherung in geologischen Formationen – auch unter dem Meeresgrund.“ Um diese Technologie sicher und effizient nutzen zu können, sei unter anderem eine möglichst genaue Einschätzung der Risiken – etwa potentieller Leckagen – unabdingbar, wozu auch ein grundlegendes Verständnis vertikaler Ausbreitungswege von Fluiden notwendig sei, so der Kieler Wissenschaftler.

    Für seine Doktorarbeit verfolgte Böttner einen sehr breiten Ansatz, sowohl bei der Auswahl der Untersuchungsgebiete als auch bei der Auswahl und Zusammenführung sehr unterschiedlicher Analysemethoden. In der Nordsee befasste er sich zum einen mit einem Gebiet, in dem Methan auf natürliche Weise aus dem Meeresgrund austritt. Zum anderen untersuchte er – ebenfalls in der Nordsee – umfangreiche Gasleckagen aus fast 2000 stillgelegten Gasbohrlöchern in einem Gebiet der Größe von Sachsen-Anhalt (gut 20.000 Quadratkilometer). Hier konnte er nachweisen, welche geologischen Bedingungen solche unerwünschten Gasaustritte begünstigen. Zudem erforschte er untermeerische Hangrutschungen und die Rolle von Fluidflüssen an dem bei Neuseeland gelegenen, seismisch sehr aktiven Hikurangi-Kontinentalrand und studierte fossile Schlotstrukturen in Bulgarien. Letztere geben als exponierte Sandsteinformationen an Land Aufschluss über Fluidprozesse in lockeren sandigen Meeressedimenten während des viele Millionen Jahre zurückliegenden Eozäns.

    Um die in der Regel äußerst unzugänglichen geologischen Strukturen und die Aktivitäten der Fluide zu verstehen, die nicht nur in großer Meerestiefe unter Wasser liegen, sondern teilweise auch über 1000 Meter tief in der Erdkruste verborgen sind, kombinierte Christoph Böttner unterschiedlichste Methoden aus Geophysik, Geologie, Geochemie sowie der Fernerkundung. Konventionelle und hochauflösende 3D-Seismik lieferten Informationen über den geologischen Aufbau der Erdkruste unterhalb der Meeresbodenoberfläche. Für seine Untersuchungen in der Nordsee machte er sich dabei auch sehr große seismische Datensätze aus der kommerziellen Gasindustrie zunutze. Außerdem setzte Böttner Hydroakustik ein, um hochauflösende Informationen über die obersten, oft von feinen Strukturen geprägten Schichten des Meeresbodens zu erhalten und in der Wassersäule die Blasen der Gasleckagen zu erfassen. Sedimentbeprobung und geochemische Untersuchungen ergänzten die Informationen über den Sedimentaufbau und die chemische Zusammensetzung der untersuchten Fluide. Dass man Forschung zu untermeerischen Prozessen auch an Land betreiben kann, zeigt Böttners Analyse der mittels Drohne gewonnenen photogrammetrischen Daten von Schlotstrukturen bei Varna, die durch fokussierten Fluss von Methan vor etwa 50 Millionen Jahren entstanden.

    Insgesamt zeichnet die Arbeit von Christoph Böttner ein sehr vielschichtiges und auch neues Bild verschiedenster, zeitlich und räumlich sehr variabler Fluidflüsse in der Erdkruste, von ihren Quellen und Ausbreitungswegen – in durchlässigen Schichten wie auch gebündelt entlang natürlicher und menschgemachter Strukturen. „Zum Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse hat sich insbesondere mein ganzheitlich-interdisziplinärer und mehrskaliger Ansatz als sehr hilfreich erwiesen“, sagt Böttner abschließend.

    Dieser Punkt war auch der Jury bei der Vergabe des BRIESE-Preises besonders wichtig: „Die Arbeit des Preisträgers besticht zum einen durch die hervorragende Verknüpfung ihres Kernbereichs, der sedimentakustischen Untersuchung auf See, mit einer Vielzahl anderer interdisziplinär gewonnener Daten und wissenschaftlicher Ansätze, die er auf völlig neue Weise integrierte. Sie erreicht damit eine wissenschaftliche Breite, die höchst ungewöhnlich ist.“ Und in der Begründung heißt es weiter: „Zudem ist es Christoph Böttner mit seinen Studien gelungen, gleichermaßen das Verständnis natürlicher Fluidsysteme zu erweitern und das Risikopotenzial in Bezug auf menschliche Eingriffe am Meeresboden wie Bohraktivitäten und CO2-Speicherung zu beleuchten.“

    „Die Reederei BRIESE ist sehr erfreut, dass durch die Forschung des Preisträgers ein so wichtiges Thema näher beleuchtet werden konnte. Der interdisziplinäre Ansatz schöpft die Möglichkeiten von Forschungsschiffen aus und zeigt das Leistungsvermögen dieser Einrichtungen“, betont Klaus Küper, Leiter der Abteilung Forschungsschifffahrt der Reederei Briese, anlässlich der 11. Verleihung des BRIESE-Preises für Meeresforschung.

    Informationen zur BRIESE-Preisträger 2020:

    Dr. Christoph Böttner (Jahrgang 1990) studierte Physik des Erdsystems an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2009 – 2016). Inspiriert durch die dortige seegehende Ausbildung, Vorträge des „Club of Rome“ zu Klimawandelfolgen sowie erste wissenschaftliche Erfahrungen zur Tsunami-Frühwarnung am GeoForschungsZentrum Potsdam fokussierte er sich schon bald auf marin-geophysikalische Fragestellungen. So untersuchte er bereits in seiner Masterarbeit aktive tektonische Prozesse im Meer bei Neuseeland sowie deren Einfluss auf Hangstabilität und Fluidfluss. Für seine Doktorarbeit wechselte Christoph Böttner Ende 2016 an das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Im Februar 2020 schloss er diese ab, Originaltitel „Natural and anthropogenic fluid migration pathways in marine sediments“, Note: 1 mit Auszeichnung („summa cum laude“); Betreuer: Prof. Dr. Christian Berndt und Prof. Dr. Lars Rüpke, GEOMAR.

    Böttner ist seit Anfang 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Marine Geophysik und Hydroakustik an der Universität Kiel. Hier initiierte er bereits zwei erfolgreiche Forschungsanträge zusammen mit interdisziplinären Teams für die deutsche Forschungsflotte.

    Der BRIESE-Preis für Meeresforschung wird von der Reederei Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG (Leer/ Ostfriesland) gestiftet, die für die Bereederung der mittelgroßen deutschen Forschungsschiffe, wie z. B. die ELISABETH MANN BORGESE und die HEINCKE, sowie der größeren Forschungsschiffe METEOR, MERIAN und SONNE zuständig ist. Das IOW betreut die Preisvergabe wissenschaftlich. Seit 2010 werden jährlich herausragende Promotionen in der Meeresforschung prämiert, deren Ergebnisse in engem Zusammenhang mit dem Einsatz von Forschungsschiffen und der Verwendung und Entwicklung von Technik und / oder Datenerhebung auf See stehen.

    Kontakte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
    Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW):
    Dr. Kristin Beck | Tel.: 0381 – 5197 135 | kristin.beck@io-warnemuende.de
    Dr. Barbara Hentzsch | Tel.: 0381 – 5197 102 | barbara.hentzsch@io-warnemuende.de

    Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG
    Research | Forschungsschifffahrt
    Sabine Kruse | Tel.: 0491 92520 164 | sabine.kruse@briese.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Christoph Böttner | Arbeitsgruppe Marine Geophysik und Hydroakustik
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel | Tel.: +49 431 – 880 5791 | christoph.boettner@ifg.uni-kiel.de


    Originalpublikation:

    Dissertation "Natural and anthropogenic fluid migration pathways in marine sediments"
    URN (urn:nbn:de:gbv:8-mods-2020-00135-9)


    Bilder

    Der BRIESE-Preis für Meeresforschung 2020 wurde heute am IOW an den marinen Geophysiker Christoph Böttner von der Kieler Christian-Albrechts-Universität (Mitte) verliehen. Kapitän Klaus Küper (r.) von der BRIESE-Reederei,  IOW-Direktor Ulrich Bathmann (l.)
    Der BRIESE-Preis für Meeresforschung 2020 wurde heute am IOW an den marinen Geophysiker Christoph Bö ...
    K. Beck
    IOW


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

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