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16.08.2022 10:05

So könnte der Mond entstanden sein

Peter Rüegg Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    Forschende der ETH Zürich haben den ersten eindeutigen Beweis gefunden, dass der Mond Edelgase aus dem Erdmantel geerbt hat. Die Entdeckung hilft zu verstehen, wie der Mond und möglicherweise auch die Erde und weitere Himmelskörper entstanden sind.

    Der Mond fasziniert Menschen seit jeher. Doch erst zur Zeit von Galileo Galilei begannen Wissenschaftler, ihn richtig zu untersuchen. Im Laufe von Jahrhunderten stellten Forschende verschiedene Theorien über die Entstehung des Mondes auf.

    Nun fügen Geochemiker:innen und Petrolog:innen der ETH Zürich der Entstehungsgeschichte des Mondes ein weiteres Puzzleteil hinzu. In einer Studie, die soeben in der Fachzeitschrift «Science Advances» veröffentlicht wurde, zeigt das Forscherteam, dass der Mond die Edelgase Helium und Neon aus dem Erdmantel geerbt hat.

    Die neuen Erkenntnisse beeinflussen die derzeit favorisierte «Giant Impact»-Theorie, mit der Wissenschaftler die Mondentstehung erklären. Diese Theorie geht davon aus, dass der Mond durch eine massive Kollision zwischen der frühen Erde und einem anderen Himmelskörper entstanden ist. «Unsere Entdeckung bedeutet, dass in der Giant-Impact-Theorie auch die Edelgase als Faktor einzubeziehen sind», sagt Henner Busemann, Professor am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich.

    «Aufregende Entdeckung»

    Für diese Studie hat Busemanns Doktorandin Patrizia Will sechs Proben von Mondmeteoriten analysiert. Die Meteoriten wurden von der Nasa in der Antarktis gesammelt und der Forscherin für ihre Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Will bestimmte in diesen Meteoritenproben unter anderem den Gehalt der Edelgase Neon und Helium. Diese waren in einer viel grösseren Menge vorhanden als erwartet und nur im separierten Glas, was den Sonnenwind als Quelle für die Edelgase ausschloss. Sie mussten also aus dem Innern des Mondes kommen und damit letzten Endes von der Erde vererbt sein. «Dass wir zum ersten Mal Edelgase in basaltischen Materialien vom Mond gefunden haben, die nicht aus dem Sonnenwind stammen können, ist eine aufregende Entdeckung», freut sich Will.

    Aufgrund ihrer neuen Erkenntnisse stellen sich die Forschenden den Vorgang so vor: Der junge Mond war vulkanisch aktiv. Magma quoll empor, und erstarrte rasch an der Oberfläche. Durch die rasche Abkühlung bildeten sich Glaspartikel, in welchen die mitgeführten Edelgase Neon und Helium konserviert wurden. Rasch deckten weitere Lavaströme diese Magmaschicht zu und schirmten sie vor kosmischer Strahlung ab, insbesondere vor Sonnenwinden. Dies verhinderte, dass sich chemische Elemente, die im Sonnenwind enthalten sind, in den Glaspartikeln einlagern und deren chemischen Fingerabdruck, die sogenannte Isotopensignatur, verändern konnten.

    Per Meteorit zur Erde

    Aber wie gelangte das magmatische Mondmaterial mit den Edelgasen auf die Erde? Da der Mond nicht durch eine Atmosphäre geschützt ist, schlagen ständig Asteroiden auf seiner Oberfläche ein. Ein solcher Einschlag war wahrscheinlich stark genug, um Bruchstücke aus den abgeschirmten Lavaschichten des Mondes herauszuschleudern. Diese Gesteinsfragmente gelangten als Meteoriten zur Erde. Viele werden in den Wüsten Nordwestafrikas oder, wie in diesem Fall, in der Antarktis gefunden.

    Ihre Untersuchungen haben die Forschenden im Edelgaslabor der ETH Zürich durchgeführt. Dort steht ein hochmodernes Edelgas-Massenspektrometer namens «Tom Dooley». Seinen Namen erhielt das hochempfindliche Gerät in Anlehnung an einen amerikanischen Folksong, weil es an der Decke des Labors aufgehängt werden musste, um Störungen durch Vibrationen zu vermeiden. Mit dem Tom-Dooley-Instrument konnte das Forscherteam Glaspartikel von weniger als einem Millimeter Grösse aus den Meteoriten messen. «Tom Dooley» ist so empfindlich, dass es als weltweit einziges Instrument in der Lage ist, so geringe Konzentrationen von Helium und Neon nachzuweisen. Es wurde auch dafür eingesetzt, um diese Edelgase in Körnern des Murchison-Meteoriten nachzuweisen. Die Körner sind rund sieben Milliarden Jahre alt.

    Auf der Suche nach den Ursprüngen des Lebens

    Zu wissen, wo man in der Nasa-​Sammlung von rund 70’000 Meteoriten suchen muss, ist bei einem solchen Projekt entscheidend. «Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen Wettlauf um die Untersuchung schwerer Edelgase und Isotope in diesem Meteoritenmaterial geben wird», sagt ETH-​Professor Henner Busemann, einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der extraterrestrischen Edelgasgeochemie. Er rechnet damit, dass Forscher:innen bald auch in den Mondmeteoriten nach Edelgasen wie Xenon und Krypton sowie nach weiteren flüchtigen Elementen wie Wasserstoff oder Halogenen suchen werden.

    «Obwohl Edelgase für das Leben nicht notwendig sind, wäre es interessant zu wissen, wie sie die brutale und gewaltsame Entstehung des Mondes überlebt haben. Dieses Wissen könnte Wissenschaftler:innen in der Geochemie und Geophysik helfen, neue Modelle zu entwickeln, die allgemeiner zeigen, wie solche höchst flüchtigen Elemente die Entstehung von Planeten in unserem Sonnensystem und darüber hinaus überleben können», sagt Busemann.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Henner Busemann

    Inst. für Geochemie und Petrologie

    ETH Zürich

    Work phone +41 44 633 82 28
    phone +41 44 632 78 41 Secretariat(Sek.)
    henner.busemann@erdw.ethz.ch


    Originalpublikation:

    Will P, Busemann H, Riebe M, Maden C. Indigenous noble gases in the Moon's interior, Science Advances, 10 August 2022. DOI: externe Seite10.1126/sciadv.abl4920


    Weitere Informationen:

    https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2022/08/mond-als-erbe-...


    Bilder

    Dünnschliff einer Meteoriten-​Probe, LAP 02436, Lunar Mare Basalt mit Glas, das die solaren Edelgase enthält. Bildtyp: optische Mikroskopie, kreuzpolarisiertes Licht.
    Dünnschliff einer Meteoriten-​Probe, LAP 02436, Lunar Mare Basalt mit Glas, das die solaren Edelgase ...
    ETH Zürich / Patrizia Will


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geowissenschaften, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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