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09.12.2022 11:00

Lassen sich die neurologischen Folgen einer Chemotherapie verhindern?

Dr. Stefanie Seltmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)

    SPARK-BIH und BMBF geförderte PREPARE-Studie untersucht schützende Wirkung von Lithium bei Brustkrebspatientinnen

    Die Chemotherapie ist häufig mit starken neurologischen Nebenwirkungen verbunden. Eine multizentrische Studie unter Federführung der Charité – Universitätsmedizin Berlin soll nun herausfinden, ob eine präventive Lithiumgabe während der Chemotherapie neurologische Beschwerden bei Brustkrebspatientinnen lindern oder sogar ganz verhindern kann.

    Das SPARK-BIH-Programm von Charité BIH Innovation (CBI), dem gemeinsamen Technologietransfer der Charité und des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), hat die Vorbereitung der PREPARE-Studie umfangreich gefördert und so eine Studienförderung durch das BMBF ermöglicht.

    Ein wichtiger Wirkstoff bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen ist das Medikament Paclitaxel. Es wird aus der Baumrinde der pazifischen Eibe gewonnen und ist hochwirksam gegen das Tumorwachstum. Manche Patientinnen leiden jedoch unter neurologischen Nebenwirkungen oder sogar dauerhaften Spätfolgen: Ihre Konzentration und das Gedächtnis lassen nach, sie leiden unter schmerzhaften Missempfindungen in Händen und Füßen, Feinmotorik oder Gang sind gestört. Mediziner nennen diese Folgen Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN). Diese Nebenwirkungen treten bei mehr als der Hälfte der mit Paclitaxel behandelten Brustkrebspatientinnen auf und schränken ihre Lebensqualität nachhaltig ein. Zudem führt CIPN häufig dazu, dass die Dosis von Paclitaxel verringert oder gar die Chemotherapie vorzeitig abgebrochen werden muss, was den Behandlungserfolg reduziert.

    Wie können die neurologischen Nebenwirkungen der Therapie mit Paclitaxel reduziert oder idealerweise komplett verhindert werden? Dieser Frage geht ein Forschungsteam an der Charité um Prof. Matthias Endres nach. Der Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie leitet die Studie PREPARE, in der untersucht wird, ob den Paclitaxel-bedingten neurologischen Nebenwirkungen mit Lithium vorgebeugt werden kann.

    Das Team konnte in der Vergangenheit im Labor zeigen, dass die Gabe von Paclitaxel zu einem Anstieg von Kalzium in Nervenzellen führt, was in diesen Zellen den programmierten Zelltod auslöst. Dieser Kalziumanstieg kann durch Lithiumionen verringert werden, was die Nervenzellen vor einer Schädigung durch Paclitaxel schützt. Im Tiermodell konnten die Wissenschaftler*innen bestätigen, dass die vorbeugende Gabe von Lithiumcarbonat verhinderte, dass sich CIPN entwickelte. Die umfangreichen Laborstudien wurden vom BIH-SPARK Programm seit 2018 gefördert.

    In der PREPARE Studie soll nun erstmals überprüft werden, ob die Gabe von Lithiumcarbonat auch bei Brustkrebspatientinnen, die eine Chemotherapie mit Paclitaxel erhalten, der Entwicklung von Neuropathien vorbeugt. Privatdozentin Dr. Petra Hühnchen und Privatdozent Dr. Wolfgang Böhmerle, ebenfalls von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie, koordinieren die Studie, die an mehreren Kliniken stattfindet (multizentrisch), bei der die Patientinnen zufällig einem Studienarm zugeteilt werden (randomisiert), und weder Arzt noch Patientin wissen, ob sie Lithium oder ein Placebo erhalten (doppelt-verblindet Placebo-kontrolliert). Lithiumcarbonat wird seit vielen Jahrzehnten vor allem in der Behandlung von Depressionen oder bipolaren Störungen erfolgreich eingesetzt.

    Auf Basis der Laborstudien konnten die Wissenschaftler*innen um Professor Matthias Endres die PREPARE-Studie vorbereiten und zum April dieses Jahres starten. „Durch die umfangreiche Förderung durch das SPARK-BIH-Programm konnten wir grundlegende Voruntersuchungen durchführen und im Tiermodell zeigen, dass die Gabe von Lithiumcarbonat das Auftreten neurologischer Nebenwirkungen während der Chemotherapie verhindern kann, ohne dass die Wirksamkeit von Paclitaxel beeinträchtigt wird“, sagt der Neurologe. „Die Ergebnisse waren so überzeugend, dass wir mit unserem Forschungsansatz nun in die erste klinische Phase eintreten können. Lithiumcarbonat hat aus unserer Sicht großes Potenzial, die medizinische Praxis der Chemotherapie mit Paclitaxel bei Brustkrebs und womöglich auch bei anderen Krebserkrankungen langfristig zu verändern.“

    Zur PREPARE STUDIE:

    Zurzeit werden an der Charité sowie an sieben weiteren Standorten in Deutschland (Cottbus, Greifswald, Hamburg, Hannover, Gießen, Essen, Dresden, Leipzig) in enger Zusammenarbeit zwischen der Neurologie und den zertifizierten Brustzentren vor Ort insgesamt 84 Studienteilnehmerinnen rekrutiert. Die PREPARE-Studie wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms „Förderung klinischer Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung“ mit insgesamt 696.000 Euro gefördert und läuft bis Ende März 2025. Das Studienteam ist erreichbar unter prepare-studie@charite.de. Weitere Informationen zur Studie zum Download finden sich hier:
    https://www.spark-bih.de/fileadmin/spark/program/2022-09-26_PREPARE_Flyer_Wickel...

    Über das SPARK-BIH Programm:

    SPARK-BIH ist ein Förderprogramm von Charité BIH Innovation. Das SPARK Programm wurde 2006 an der Stanford Universität entwickelt und unterstützt Kliniker*innen und Wissenschaftler*innen durch Ausbildung, Projektmanagement, Mentoring und meilensteinabhängige Finanzierung. Ziel ist es, die Umsetzung herausragender angewandter medizinischer Forschung zu fördern und so deren Umsetzung in neuartige Therapien, Diagnostika und Medizinprodukte zu beschleunigen.

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    Über das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
    Die Mission des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) ist die medizinische Translation: Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung werden in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen, umgekehrt führen Beobachtungen im klinischen Alltag zu neuen Forschungsideen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen und Bürger*innen zu erreichen. Dazu etabliert das BIH als Translationsforschungsbereich in der Charité ein umfassendes translationales Ökosystem, setzt auf ein organübergreifendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und fördert einen translationalen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung. Das BIH wurde 2013 gegründet und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu zehn Prozent vom Land Berlin gefördert. Die Gründungsinstitutionen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max Delbrück Center waren bis 2020 eigenständige Gliedkörperschaften im BIH. Seit 2021 ist das BIH als so genannte dritte Säule in die Charité integriert, das Max Delbrück Center ist Privilegierter Partner des BIH.


    Weitere Informationen:

    https://www.bihealth.org/de/aktuell/lassen-sich-die-neurologischen-folgen-einer-...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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