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10/07/2011 11:07

Gesundes Immunsystem schützt vor altersbedingter Makuladegeneration

Dr. Michael Ramm Pressestelle
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (HKI)

    Jenaer Forscher entschlüsseln molekulare Mechanismen einer bislang unheilbaren Augenerkrankung

    Jena. Ein intaktes Immunsystem schützt vor altersbedingter Makuladegeneration. Zu dieser Erkenntnis gelangte jetzt ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Peter Zipfel vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass ein als Faktor H bekanntes Eiweißmolekül die entzündungsfördernde Substanz Malondialdehyd bindet und damit die Lichtsinneszellen der Netzhaut vor einer Schädigung schützt.

    Faktor H ist eine Komponente des angeborenen Immunsystems, das eine erste Abwehr gegen Krankheitserreger bildet. Eine fehlerhafte Regulation dieses komplexen Systems kann zu schweren Autoimmunerkrankungen wie Arteriosklerose oder auch zur altersbedingten Makuladegeneration führen. Zu dem von Christoph Binder aus Wien geleiteten Team gehörten Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich, Großbritannien und den USA. Die neuen Erkenntnisse wurden soeben im renommierten Fachjournal Nature veröffentlicht.

    Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) gilt als häufigste Ursache für Erblindung bei älteren Menschen. Allein in Deutschland gehen Schätzungen von rund zwei Millionen Betroffenen aus. Bei dieser Krankheit lässt das Sehvermögen im Zentrum des Gesichtsfelds, in der Makula, nach. Die wenigen derzeit existierenden Therapieansätze können nur den Fortschritt der Erblindung aufhalten, nicht aber bereits verlorenes Sehvermögen zurückbringen.

    Die genauen Ursachen für die Entstehung von AMD sind noch nicht bekannt. Es wird vermutet, dass reaktive Sauerstoffverbindungen, die während des Stoffwechsels in den Zellen auftreten, daran beteiligt sind. Durch Kontakt mit solchen Sauerstoffverbindungen können Bestandteile der Zellmembran beschädigt werden. Dabei entstehen Oxidationsprodukte, die sich in sogenannten Drusen unterhalb der Netzhaut ablagern. Solche Drusen gelten als erstes Zeichen für das Auftreten von AMD. Diese Ablagerungen führen zu einer Aktivierung des als Komplementsystem bezeichneten Teils der angeborenen Immunantwort. Das Komplementsystem löst daraufhin Entzündungsreaktionen aus, die zu chronischen Veränderungen und zu Erkrankungen führen können. Je nach Ort des Auftretens im menschlichen Körper kann es sich dabei um AMD, aber auch um Arteriosklerose oder Arthritis handeln.

    Eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Entzündungsreaktionen spielt Faktor H des Komplementsystems. Peter Zipfel, Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Abteilungsleiter am Hans-Knöll-Institut fand mit seinem Team heraus, dass Faktor H an eines der Ablagerungsprodukte in den Drusen, das Malondialdehyd, bindet. Sie wiesen nach, dass durch diese Bindung die entzündungsfördernde Wirkung von Malondialdehyd „entschärft“ wird. Der Beweis gelang den Forschern im Gegenversuch: Wenn sie in ihren Experimenten eine bekannte krankheitsauslösende Variante von Faktor H einsetzten, so war die Bindung an Malondialdehyd deutlich schwächer und der Entzündungsprozess schritt voran. Sie schlussfolgerten daraus, dass Personen mit einer solchen Mutation in Faktor H gefährdet sind, im höheren Lebensalter eine AMD zu entwickeln und daran möglicherweise zu erblinden. Eine Verabreichung von intaktem, schützendem Faktor H könnte folglich die Erkrankung verzögern oder gar verhindern.
    „Entzündliche Krankheiten wie AMD und Arteriosklerose nehmen in unserer alternden Bevölkerung immer weiter zu. Unser eigenes Immunsystem hat daran einen entscheidenden Anteil. Nur wenn wir die hochkomplexe Funktionsweise des intakten oder des defekten Immunsystems verstehen, werden wir in der Lage sein, gezielte Therapien und Vorbeugemaßnahmen zu entwickeln“, so Peter Zipfel über die Bedeutung der soeben veröffentlichten Arbeit.

    Originalpublikation:
    Weismann D, Hartvigsen K, Lauer N, Bennett KL, Scholl HPN, Charbel Issa P, Cano M, Brandstätter H, Tsimikas S, Skerka C, Superti-Furga G, Handa JT, Zipfel PF, Witztum JL, Binder CJ (2011)
    Complement factor H binds malondialdehyde epitopes and protects from oxidative stress.
    Nature 478, 76–81.
    doi:10.1038/nature10449
    http://www.nature.com/nature/journal/v478/n7367/full/nature10449.html

    Informationen zum HKI (www.hki-jena.de)
    Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre Wirksamkeit gegen Pilzerkrankungen untersucht und zielgerichtet modifiziert.
    Das HKI verfügt derzeit über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen vier Nachwuchsgruppen und sechs Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Zur Zeit arbeiten etwa 320 Menschen am HKI, darunter 120 Doktoranden.

    Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft (www.leibniz-gemeinschaft.de)
    Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 87 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen strategisch und themenorientiert. Dabei bedienen sie sich verschiedener Forschungstypen wie Grundlagenforschung, anwendungsorientierter Forschung, wissenschaftlicher Infrastrukturen und forschungsbasierter Dienstleistungen. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Sie pflegt intensive Kooperationen mit den Hochschulen, u.a. über gemeinsame Wissenschaftscampi, und mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Ihre Einrichtungen unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und externalisierten Begutachtungsverfahren. Jedes Leibniz-Institut hat eine Aufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung. Daher fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen etwa 16.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind ca. 7.800 Wissenschaftler, davon wiederum 3.300 Nachwuchswissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,4 Mrd. Euro, die Drittmittel betragen etwa 330 Mio. Euro pro Jahr.

    Ansprechpartner
    Dr. Michael Ramm
    Wissenschaftliche Organisation
    Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V.
    – Hans-Knöll-Institut –
    Beutenbergstrasse 11a
    07745 Jena
    +49 (0) 3641 5321011 (T)
    +49 (0) 3641 5320801 (F)
    michael.ramm@hki-jena.de
    Presseservice: pr@hki-jena.de
    http://www.presse.hki-jena.de


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    Das Immuneiweiß Faktor H (grün) bindet an der Oberfläche von Sehzellen nur in geschädigten Bereichen, die bei einer Entzündungsreaktion im Auge entstehen. Im Zellinneren liegt der hier blau dargestellte Zellkern.
    Das Immuneiweiß Faktor H (grün) bindet an der Oberfläche von Sehzellen nur in geschädigten Bereichen ...
    Quelle: HKI/Lauer
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    Prof. Dr. Peter Zipfel
    Prof. Dr. Peter Zipfel
    Quelle: HKI/Knipper
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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Das Immuneiweiß Faktor H (grün) bindet an der Oberfläche von Sehzellen nur in geschädigten Bereichen, die bei einer Entzündungsreaktion im Auge entstehen. Im Zellinneren liegt der hier blau dargestellte Zellkern.


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