idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
02/29/2012 12:16

Alzheimer: Krankmachende Proteinstrukturen identifiziert

Dr Harald Rösch Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

    Wissenschaftler von Max-Planck-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft entschlüsseln den strukturellen Aufbau neurotoxischer Eiweißverbindungen

    Ein untrügliches Kennzeichen für Alzheimer sind die Amyloidfibrillen oder -plaques, die typischerweise im Gehirn von Patienten zu finden sind. Die gut sichtbaren Proteinklumpen gehen einher mit einem Verlust von Neuronen und dem allmählichen Auslöschen aller Erinnerungen. Forschungen zur Entwicklung und Struktur dieser Aggregate zeigen, dass bereits die weniger stark verklumpten Vorläufer der Fibrillen, die sogenannten ß-Amyloid-Oligomere, die geordnete Funktion des synaptischen Netzwerkes in unserem Gehirn durcheinander bringen und damit ursächliche Auslöser der Krankheit sein können. Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung haben gemeinsam mit Forschern an Leibniz-Instituten in Jena und Magdeburg die molekularen Strukturen dieser Oligomere bestimmt. Sie konnten anschließend diese Strukturen gezielt beeinflussen und damit die Gedächtnisleistung verbessern.

    Das den Alzheimer-Plaques zugrunde liegende Eiweiß ist das sogenannte ß-Amyloid-Peptid, das als Bruchstück aus einem ganz normalen Zellprotein entsteht. Dieses ß-Amyloid kann faserförmige, fibrilläre Aggregate bilden, die Alzheimerfibrillen. Der Prozess verläuft über Zwischenstufen: Aus den Peptiden bilden sich zunächst lose zusammengelagerte Oligomere und sogenannte Protofibrillen. Bereits die niedermolekularen Oligomere können Gehirnfunktionen stören. Um diesen Prozessen weiter auf die Spur zu kommen, haben die Wissenschaftler verschiedene ß-Amyloid-Oligomere künstlich nachgebaut und ihre Struktur bestimmt. Die Moleküle zeigten im Reagenzglas das biologische Verhalten, das auch im Gehirn von Alzheimer-Patienten vermutet wird: Sie störten die Prozesse an den Synapsen, den Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen. Da die Signalübertragung an den Synapsen und ihre Flexibilität die Grundlage unseres Gedächtnisses darstellt, sind Störungen hier folgenschwer.

    Ein möglichst genaues Bild vom Auslöser der Alzheimer-Erkrankung zu bekommen, ist seit langem das Ziel der Strukturforscher in Halle. Für die Alzheimer-Fibrille konnte der Leiter des dortigen Teams, Marcus Fändrich, vor etwa drei Jahren mittels Elektronenmikroskopie eines der weltweit genauesten Bilder erzeugen. Nun stehen die ß-Amyloid-Oligomere im Mittelpunkt seiner Untersuchungen. Gemeinsam mit den Arbeitsgruppen von Matthias Görlach vom Leibniz-Institut für Altersforschung in Jena und Klaus Reymann vom Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg konnte die molekulare Konformation von ß-Amyloid-Oligomeren mit Hilfe von Festkörper-NMR (Kernspin-Resonanz)-Spektroskopie aufgeklärt werden. „Wir haben nun erstmals ein genaueres strukturelles Bild von den Molekülen, die nachweislich Synapsen schädigen“, erklärt Görlach. Dabei fanden sie Unerwartetes. Es zeigte sich nämlich, dass die Oligomer-Struktur wesentlich von dem N-terminalen Ende des ß-Amyloid-Peptids beeinflusst wird. Früher dachte man dagegen, dass diese Region des Peptids eher irrelevant ist.

    Um zu zeigen, dass die künstlich hergestellten Oligomere die Funktion der Synapsen stören, führten die Wissenschaftler in lebenden Hirnschnitten aus dem Hippocampus sowie in kultivierten primären Nervenzellen durch elektrische Stimulationen eine sogenannte Langzeitpotenzierung herbei. „Die Langzeitpotenzierung ist ein vereinfachtes Modellsystem, um Gehirn-Gedächtnisleistungen zu messen“, erklärt Fändrich. „Dabei werden die Zellen im Hirnschnitt durch elektrische Impulse stark gereizt, und sie merken sich, dass sie auf diese Weise schlecht behandelt wurden. In der Folge reagieren die Zellen auf Reizungen sehr viel empfindlicher“, so Fändrich. Gibt man nun die ß-Amyloid-Oligomere auf diese Gehirnschnitte, so zeigen die elektrophysiologischen Messungen, dass die Langzeitpotenzierung geringer ausfällt, es kommt also zu einer Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung und somit der Synapsen-Funktionen.

    Interessanterweise ließ sich diese Schadwirkung durch ein neuartiges Eiweiß-Molekül aufheben, welches die Forscher auf der Grundlage ihrer strukturellen Untersuchungen herstellen konnten. Die Wirkung war erstaunlich: „Sobald man dieses Molekül an das N-terminale Ende der ß-Amyloid-Peptide in Oligomeren gebunden hatte, verbesserte sich die Gedächtnisleistung deutlich“, erklärt Fändrich, und die „Merkfähigkeit“ der Gehirnzellen im LTP-Test wurde messbar erhöht.

    Ein Therapeutikum haben die Forscher damit noch lange nicht gefunden, denn die als Inhibitoren verwendeten Eiweiß-Moleküle würden im Menschen wahrscheinlich sofort abgebaut werden. Dennoch weisen die Untersuchungen einen neuen Weg. Ganz offensichtlich spielt der N-Terminus von ß-Amyloid-Oligomeren und vermutlich auch von anderen ß-Amyloid-Zwischenstufen eine größere Rolle im Krankheitsgeschehen von Alzheimer als bisher angenommen. „Es ist sicher sinnvoll, den N-Terminus des ß-Amyloid-Peptids genauer anzuschauen, wenn man nach einem Therapeutikum sucht“, sagt Fändrich.

    Originalveröffentlichung

    Christian Haupt, Jörg Leppert, Raik Rönicke, Jessica Meinhardt, Jay K. Yadav, Ramadurai Ramachandan, Oliver Ohlenschläger, Klaus G. Reymann, Matthias Görlach, Marcus Fändrich:
    Structural Basis of ß-Amyloid-Dependent Synaptic Dysfunctions
    DOI 10.1002/ange.201105638 Angewandte Chemie (deutsch)
    DOI 10.1002/anie.201105638 Angewandte Chemie - International Edition.

    Ansprechpartner:
    Dr. Marcus Fändrich
    Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung, Halle/Saale
    Telefon: +49 345 552-4970
    Fax: +49 345 552-7282
    E-Mail: fandrich@enzyme-halle.mpg.de

    Dr. Matthias Görlach
    Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI)
    Telefon: +49 3641-65-6220
    Fax: +49 3641-65-6225
    E-Mail: mago@fli-leibniz.de


    Images

    Neue Strukturdaten von ß-Amyloiden zeichnen ein genaueres Bild vom Auslöser der Alzheimer-Erkrankung und seiner Wirkung auf das Gedächtnis. Verklumpte ß-Amyloid-Peptide (Oligomere) bringen die geordnete Funktion des synaptischen Netzwerkes in unserem Gehirn durcheinander.
    Neue Strukturdaten von ß-Amyloiden zeichnen ein genaueres Bild vom Auslöser der Alzheimer-Erkrankung ...
    K. Wagner / FLI, panthermedia, microsoft
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Neue Strukturdaten von ß-Amyloiden zeichnen ein genaueres Bild vom Auslöser der Alzheimer-Erkrankung und seiner Wirkung auf das Gedächtnis. Verklumpte ß-Amyloid-Peptide (Oligomere) bringen die geordnete Funktion des synaptischen Netzwerkes in unserem Gehirn durcheinander.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).