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Wissenschaft
CARL VON OSSIETZKY-UNIVERSITAET OLDENBURG PRESSEMITTEILUNG
Nicht Werther, sondern Casanova sein
In der modernen partnerschaftlichen Beziehung werden zahlreiche Liebesbeweise eingefordert
Oldenburg. "Sie soll mich begehren. Mehr als ich sie begehre. Sie soll mich ausschliesslicher und laenger lieben, als ich sie liebe." Das klingt wie das unverschaemte Gestaendnis eines Casanovas im intimen Dialog mit seinem Freund. Und doch ist in Wirklichkeit der Wunsch nach unerschuetterlichen Beweisen in fast jeder modernen Liebesbeziehung gegenwaertig. Denn kein anderes Gefuehl ist mit so grosser Hoffnung und so vielen Erwartungen verbunden wie die Liebe. "Es war Liebe" sagen auch heute noch die meisten Verheirateten, wenn man sie fragt, warum sie den Bund fuers Leben eingegangen sind. Aber was heisst es, wenn die Beziehung scheitert? Haeufig sind nicht einzelne Gruende schuld, wenn ein Paar sich trennt, sondern nur eines zaehlt: die Gefuehle, die die Partner fuereinander empfinden, lassen nach: Die Liebe ist gescheitert. Grund genug also auch fuer die Wissenschaft, immer wieder genau nachzufragen, was wir meinen, wenn wir von Liebe reden.
Prof. Dr. Ulrich Mees, Psychologe an der Universitaet Oldenburg, hat in der jetzt erschienenen Ausgabe (Nr. 25) von EINBLICKE, dem Forschungsmagazin der Universitaet Oldenburg, Ergebnisse einer empirischen Untersuchung vorgelegt, mit denen er deutliche Eigenschaften der partnerschaftlichen Beziehung benennen kann. Hauptsaechlich junge Leute hatte er aufgefordert, Liebe in verschiedenen Phasen ihrer Beziehungen zu beschreiben. Er fand heraus, dass eine grosse Unsicherheit die Liebenden begleitet. Das zeige sich daran, dass die eigene Liebe ganz anders bewertet wird als die Liebe, die man vom Partner erwartet, erlaeutert Mees. Der Partner soll z.B. "mehr Vertrauen zu einem haben als man selbst zu ihm hat". Bemerkenswert sind auch die Aussagen, dass der/die Liebste einen "ausschliesslicher" und "laenger" lieben soll als man selbst. Jedenfalls wird mehr erwartet, als man selbst zu zeigen bereit ist. Das gilt fuer Frauen wie Maenner gleichermassen. Fuer die Psychologie zeigt sich hier eine "vorteilhafte Asymmetrie" in der eigenen und der Partnerliebe, aber kann sie sie auch erklaeren?
Auf den ersten Blick scheint man sich wichtiger zu nehmen als den anderen. Bei tieferer UEberlegung kommt heraus, dass es eine grosse Unsicherheit ist, die spuerbar wird. Mees vermutet, dass es die Angst ist, bei einseitiger Liebe emotional verletzt zu werden. Deshalb wollen Frauen und Maenner ganz sichergehen, dass der/die andere einen liebt und verlangen immer wieder Beteuerungen und Beweise. So gehen sie der Gefahr aus dem Wege, unerwidert zu lieben. Sicherlich spielt auch die allgemeine Tendenz der Individualisierung eine grosse Rolle. Da die intimen Sozialbeziehungen immer seltener werden, stellen viele gerade an die "grosse Liebe" ueberhoehte Ansprueche. In einer individualistisch gepraegten Gesellschaft wird es auch zunehmend schwieriger, fuer soziale Tugenden wie "selbstlose Liebe" einzustehen. Wer aber moeglicherweise in der Paarbeziehung egoistisch denkt und handelt, stellt die Liebe von Anfang an auf harte Bewaehrungsproben.
Noch etwas hat sich veraendert im Vergleich zu frueheren Jahren: Die Liebe ist kein so grosses Mysterium mehr, wie in alten Mythen behauptet wird. So ist zum Beispiel schon laenger wissenschaftlich geklaert, dass Verliebtsein und Liebe sich gewaltig unterscheiden. Sie sind die zwei grossen aufeinanderfolgenden Phasen einer Beziehung, und beide weisen nach Mees" Studie ganz bestimmte Gemeinsamkeiten auf, zum Beispiel "Zaertlichkeit" und "Freude uebers Zusammensein". So weit, so populaer. Aber ob jeder behaupten kann, die Unterschiede beider Phasen zu kennen? Mees gibt diese Antworten: Verliebte empfinden "eine starke koerperliche Sehnsucht" nach der geliebten Person. Das sind die beruehmten "Schmetterlinge im Bauch", das Herzklopfen und das Kniezittern. Die spaetere Liebe wird so nicht mehr beschrieben, heisst es in der Studie. Verliebte sind aber gleichzeitig nicht "offen und ehrlich" zum Partner. Dabei sind Ehrlichkeit und Vertrauen das Wichtigste der Liebe.
Verliebte wollen ganz offensichtlich ihrem Partner die eigenen Schwaechen verheimlichen. Und sie wollen keine "Verantwortung fuer den anderen uebernehmen", so die ueberraschende Antwort der meisten Befragten der Oldenburger Studie. Dafuer kenne man sich zuwenig, heisst es. Vertrauen komme erst in einer spaeteren Phase des Zusammenseins. Im Idealfall gelingt dann auch der UEbergang vom Verliebtsein zur Liebe in der Paarbeziehung. Womit die Liebe komplett waere, denn dann gehoeren sowohl die intensiven koerperlichen Gefuehle als auch die enge Verbundenheit zur Beziehungsgeschichte dieses gluecklichen Paares.
Wie alle wissen, sind solche Idealfaelle selten. Allzu oft scheitern Paare. Die Befragten suchten die Schuld in der Mehrheit beim Partner: Wenn sie merken wuerden, dass der Partner noch andere Personen liebt, oder wenn man den Eindruck hat, dass man nicht mehr wichtig fuer ihn ist, lasse die eigene Liebe nach oder hoere sogar auf. Bis zum Schluss wird in der modernen Beziehung also nach Zeichen und Bestaetigungen gesucht. Alle koennen ihre/n Liebste/n offensichtlich nur dann lieben, wenn er/sie diese Liebe auch erwidert.
Mees kann dennoch versichern, dass die Liebe insgesamt ein robustes Phaenomen ist, wenn sie erst einmal da ist. Die echte Partnerliebe habe naemlich einen fest umrissenen Keim. Damit Liebe wahr wird, achte und schaetze Mann die Frau, freue sich an ihr und sei ihr eng verbunden. Und Frau den Mann oder wie es euch gefaellt. In der modernen Beziehung wird fuer Liebe nicht viel Gefuehl riskiert, und es wird seltener ungluecklich geliebt. Denn mit Goethes Werther wollen wir in Wirklichkeit nicht tauschen. Dann doch lieber Casanova sein.
Kontakt: Prof. Dr. Ulrich Mees, Forschungsgruppe "Emotion und Kommunikation", Universitaet Oldenburg, Tel.: 0441/798-516.
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Criteria of this press release:
Psychology, Social studies
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German
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