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09/11/2019 14:00

Meere verbinden: Handel und Globalisierung im Indischen Ozean

Stefan Schwendtner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung

    Vom 3.–5. Oktober 2019 findet im Harnack-Haus, Ihnestraße 16–20, in Berlin eine Konferenz mit dem Titel „Cargoes: The Materiality of Connectivity in Motion Across the Indian Ocean“ statt. Die Konferenz wird im Rahmen des am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung (MPI) angesiedelten Fellow-Programms „Connectivity in Motion – Port Cities of the Indian Ocean“ unter der Leitung von Max-Planck-Fellow Burkhard Schnepel organisiert. Im Mittelpunkt der Konferenz stehen „Cargoes“, also Dinge, die transportiert und danach oft, aber nicht immer, verkauft werden. Wie stellt der Austausch und Konsum dieser Dinge Verbindungen zwischen Menschen, Gruppen, Regionen, Nationen und Kontinenten her?

    Indian Ocean Studies: Globalisierung ist kein Phänomen der europäischen Moderne
    Wasser und Schifffahrt ermöglichen den Transport und Austausch von Gütern, Menschen, Tieren, Ideen, Religionen, politischen Systemen und Sprachen. Sie stellen damit über riesige Entfernungen Verbindungen her, die es auf dem Landweg gar nicht oder nur sehr viel beschwerlicher geben könnte. „Unter diesem Aspekt ist die Beschäftigung mit dem Indischen Ozean besonders interessant,“ sagt Burkhard Schnepel, Professor für Ethnologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Fellow am MPI in Halle. „Der Indische Ozean wird seit mehr als 5000 Jahren als Transportweg genutzt. Dadurch sind immer wieder neue Verbindungen zwischen Afrika, Asien und Australien entstanden.“ Anders als bei klassischen Regionalstudien geht es in Schnepels Forschungsprojekt „Connectivity in Motion – Port Cities of the Indian Ocean“ weniger um einzelne Regionen und Orte als vielmehr um die Bewegungen zwischen den Hafenstädten und um die Art der Konnektivität, die sie innerhalb der Makroregion des Indischen Ozeans ermöglichen. „Durch die interdisziplinäre Ausrichtung unseres Projekts und durch die historische Perspektive können wir beispielsweise zeigen, dass die Globalisierung – der interkontinentale Austausch von Menschen, Gütern und Ideen – kein neues Phänomen des 20 Jahrhunderts oder der europäischen Moderne ist. Die sogenannte Proto-Globalisierung – also die Zeit ab etwa 1500 – fand ganz entscheidend auch in derjenigen Weltgegend statt, die wir heute als Global South bezeichnen. Und der Indische Ozean war hier über Jahrhunderte hinweg der wichtigste maritime Austausch- und Kommunikationsraum.“

    Material Turn: Der Blick auf die Dinge und wie die Tasse zu ihrem Henkel kam
    In den Vorträgen auf der Konferenz „Cargoes: The Materiality of Connectivity in Motion Across the Indian Ocean“ wird es hauptsächlich um die Frage gehen, wie die materiellen Dinge, die als Cargos zwischen den Häfen hin- und hertransportiert wurden, Menschen und soziale Beziehungen beeinflusst haben. „Wir beschäftigen uns ganz bewusst nicht nur mit Waren, die gehandelt werden können“, sagt Schnepel. „Wir wollen den Blick erweitern, um auch den symbolischen Austausch von Geschenken und von nicht kommerziellen Dingen analysieren zu können.“ Diese Betrachtung der Dinge hilft Forschern ganz unterschiedlicher Disziplinen, sozio-kulturelle, ökonomische, religiöse und politische Beziehungen zu verstehen und zu erklären. Schnepel: „Bis vor einigen Jahren haben sich Ethnologen in erster Linie mit Themen wie Religion, Ritualen oder Verwandtschaftsverhältnissen befasst. Die Beschäftigung mit den alltäglichen materiellen Dingen des Lebens galt vielen als zweitrangig. Das hat sich im Zuge des sogenannten „material turn“ geändert.“ So kann man beispielsweise anhand von Produkten wie indischen Textilien, chinesischem Porzellan oder Gewürzen zeigen, dass sie in unterschiedlichen sozialen Kontexten eine völlig unterschiedliche Bedeutung und Wirkung haben: In den Herkunftsländern waren sie häufig nichts Besonderes. Hatten sie aber erst einmal den Weg über den Ozean zurückgelegt, wurden sie nicht selten zum Luxusgut mit dessen Gebrauch ein bestimmter sozialer Status verbunden war. Schnepel: „Die genaue Betrachtung von materiellen Dingen lohnt sich also durchaus, um etwas über die Menschen zu erfahren, die sie herstellen, transportieren, nutzen oder besitzen.“ Manchmal ändert sich durch den Transport aber nicht nur die Bedeutung, sondern die Dinge ändern sich selbst: Die Porzellantassen aus China hatten ursprünglich keine Henkel. Erst durch den Export nach Europa haben sie im Lauf der Zeit ihre Form geändert. „Weil die Europäer im Gegensatz zu den Chinesen ihren Tee gern heiß trinken,“ erklärt Schnepel.

    Drastischer Wandel in der Neuzeit: Mit den Europäern kam die Gewalt
    Die Organisatoren Burkhard Schnepel und Julia Verne, Professorin für Geographie an der Universität Bonn, wollen mit der Konferenz zur weiteren Etablierung des in Deutschland relativ wenig beachteten Forschungsfeldes der „Indian Ocean Studies“ beitragen. Schnepel: „Mit unserem ethnologisch-historischen Ansatz können wir anhand von archäologischen Funden, Archivstudien und empirischer Feldforschung viel zum Verständnis der Verbindungen innerhalb der Makroregion des Indischen Ozeans beitragen. Gerade die Zusammenarbeit von Historikern und gegenwartsbezogenen Regionalexperten zeigt anhand von zahlreichen Studien auf der Mikroebene, wie die Austauschbeziehungen gewachsen sind und welche Bedeutung sie in der Gegenwart haben.“ Indian Ocean Studies tragen aber auch dazu bei, die eurozentrische Sicht auf die Welt zu korrigieren und zu relativieren. „Der Fernhandel hat einen wichtigen Ursprung im Indischen Ozean, nicht etwa in Europa,“ sagt Schnepel. „Und noch etwas können wir durch historische Studien dieser Region zeigen: Die Handelsbeziehungen basierten im Wesentlichen auf friedlichem Austausch. Erst als die Europäer im 16. Jahrhundert mit ihren Kanonenbooten kamen, begann die Ausbeutung der Welt mit militärischer Gewalt.“

    Erforschung des globalen sozialen Wandels
    Das Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung ist eines der weltweit führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Ethnologie (Sozialanthropologie). Es hat seine Arbeit 1999 mit den Gründungsdirektoren Prof. Dr. Chris Hann und Prof. Dr. Günther Schlee aufgenommen und 2001 seinen ständigen Sitz im Advokatenweg 36 bezogen. Mit Ernennung der Direktorin Prof. Dr. Marie-Claire Foblets im Jahre 2012 wurde das Institut um eine Abteilung zum Themenfeld ‚Recht & Ethnologie‘ erweitert. Forschungsleitend ist die vergleichende Untersuchung gegenwärtiger sozialer Wandlungsprozesse. Besonders auf diesem Gebiet leisten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Institutes einen wichtigen Beitrag zur ethnologischen Theoriebildung. Sie befassen sich darüber hinaus in ihren Projekten oft auch mit Fragestellungen und Themen, die im Mittelpunkt aktueller politischer Debatten stehen. Am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung arbeiten gegenwärtig 230 Wissenschaftler aus über 30 Nationen. Darüber hinaus bietet das Institut zahlreichen Gastwissenschaftlern Raum und Gelegenheit zum wissenschaftlichen Austausch.

    Konferenzprogramm:
    https://www.eth.mpg.de/de/events?eventid=8185

    Website des Projekts ‚Connectivity in Motion‘
    https://www.eth.mpg.de/2945140/mpfg02

    Kontakt für diese Pressemitteilung
    Prof. Dr. Burkhard Schnepel
    Max-Planck-Fellow-Group ‚Connectivity in Motion’
    Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
    Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
    Tel.: 0345 55-24190
    Email: bschnepel@eth.mpg.de
    https://www.eth.mpg.de/bschnepel

    Kontakt für die Presse
    Bettina Mann
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
    Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
    Tel.: 0345 2927-501
    Email: mann@eth.mpg.de
    https://www.eth.mpg.de


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    Grafik: Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Cultural sciences, Traffic / transport
    transregional, national
    Scientific conferences
    German


     

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