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25.10.2011 14:48

Humberto Maturana zu Gast an der Universität Tübingen: „Die Natur des Wissens“

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    4. Unseld Lecture am FORUM SCIENTIARUM der Universität Tübingen

    Mit dem Biologen und Philosophen Humberto Maturana kommt im November dieses Jahres der über alle Fächergrenzen hinweg wohl meist diskutierte Vordenker systemtheoretischer Arbeiten an das FORUM SCIENTIARUM der Universität Tübingen: Am 8. November hält er die diesjährige Unseld Lecture über die Frage "How do we know that we know?". Ausgehend vom Konzept der Selbsterhaltung der einzelnen Zelle entwickelt Maturana ein Verständnis der Evolution des Menschen, seiner Sprache und seines Geistes, das in der Erklärung der Fähigkeit zur Erkenntnis eben dieser Entwicklung gipfelt.

    Die Universität Tübingen führt mit der Einladung Humberto Maturanas an das FORUM SCIENTIARUM ihr vor drei Jahren mit großem Erfolg gestartetes Veranstaltungsformat der "Unseld Lectures" fort. In Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag und der Udo Keller Stiftung Forum Humanum lädt das FORUM SCIENTIARUM der Universität jährlich einen Spitzenwissenschaftler zum interdisziplinären Dialog nach Tübingen ein. Bisherige Dozenten der Unseld-Lecture waren der Physiker und Nobelpreisträger Robert B. Laughlin, der Philosoph und Autor Peter Sloterdijk und die Altertumswissenschaftlerin und weltweit renommierte Ethikerin Martha C. Nussbaum.

    Zur Person: Humberto Maturana, Jahrgang 1928, promovierte an der Harvard University und arbeitete am Massachusetts Institute of Technology (MIT). 1960 kehrte er an die Universität von Santiago de Chile zurück. Hier lehrte er als Professor für Biologie. Sein besonderes Interesse gilt dem Nervensystem, der Physiologie der Wahrnehmung und dem Phänomen der Erkenntnis. Humberto Maturanas Forschungen zur Biologie lebender Systeme, sein "genialischer Welt- und Seinsentwurf " (so der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth), hat weltweit für Aufsehen gesorgt und sich interdisziplinär als äußerst fruchtbar erwiesen: Philosophen, Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Ökologen und Kommunikationswissenschaftler haben seine Überlegungen aufgegriffen.
    Das Forschungsprogramm, das Humberto Maturana entfaltet, lässt sich als experimentelle Erkenntnistheorie bezeichnen: Ziel ist es, so Humberto Maturana, die philosophische Urfrage nach dem Erkennen und der Wahrheit von Wahrnehmungen mit naturwissenschaftlicher Präzision zu erforschen und zu beantworten. Die zentrale epistemologische These lautet, dass der Beobachter und das Beobachtete, das Subjekt und das Objekt, im Akt des Erkennens unauflösbar miteinander verbunden sind. Die Welt, in der wir leben, ist nicht unabhängig von uns; wir bringen sie buchstäblich selbst hervor.
    Wichtige Publikationen: „Erkennen : Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit“ (1982), "Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens" (gemeinsam mit Francisco J. Varela, 1987), "Biologie der Realität" (1998), "Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens" (gemeinsam mit Bernhard Pörksen, 2002), "Beobachter. Konvergenz der Erkenntnistheorien?" (2003).

    Humberto Maturana spricht in seiner öffentlichen Lecture über die Frage „How do we know that we know?“. Ausgehend von empirischen Untersuchungen in der Biologie und der Neurophysiologie hat er eine Systemtheorie der Kognition entwickelt, die beschreibt, wie das Individuum selbst hervorbringt, was als Realität erfahren wird. Maturana geht dabei von der operationalen Geschlossenheit des Nervensystems aus, die dazu führt, dass Sinnesreize eine Reaktion des Nervensystems zwar auslösen, aber nicht kausal bestimmen können. Diese ist vielmehr durch die Struktur des Nervensystems selbst determiniert. In seiner Theorie der Autopoiesis zeigt Maturana zudem, wie Subjektivität und Objektivität zusammengehören, wenn die Selbsterschaffung und -erhaltung als Organisationsstruktur alles Lebendigen anerkannt werden.

    Das Thema der Lecture wird am folgenden Tag in einem öffentlichen Podiumsgespräch aufgegriffen und interdisziplinär verhandelt, wenn Humberto Maturana mit Professor Bernhard Pörksen (Medienwissenschaft, Universität Tübingen) diskutiert. Im Mittelpunkt dieses Gespräches werden die Konsequenzen stehen, die Maturanas Erkenntnistheorie für die verschiedenen Wissenschaften hat. Wie sollen die Wissenschaften mit der Absage an die Objektivität der Wahrnehmungswelt umgehen?

    Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt haben sich für einen von Humberto Maturana gemeinsam mit Professor Christoph Reinfandt (Anglistik, Universität Tübingen) angebotenen mehrtägigen Kurs für Studierende und Doktoranden aller Fächer zum Thema „Ideas of Objectivity“ am FORUM SCIENTIARUM angemeldet. Ausgehend von Maturanas Verständnis von Objektivität diskutieren die Teilnehmenden an den Vormittagen mit Reinfandt verschiedene Theorien zu Kognition, Konstruktivismus und Realismus und führen in der Diskussion Konzepte von Objektivität in den Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Nachmittags setzt Maturana sich gemeinsam mit den Teilnehmenden mit seinen eigenen Arbeiten auseinander. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach der Einheit von Organismus und ökologischer Nische, der Humanität im menschlichen Leben und einer einheitlichen Epistemologie.

    Im Rahmen der Unseld Lecture 2011 finden folgende Veranstaltungen statt:

    Öffentliche Lecture
    8. November, 20.15 Uhr Audimax, Neue Aula, Geschwister-Scholl-Platz Humberto Maturana:
    "How do we know that we know?"

    Öffentliche Disputation
    9. November, 20.15 Uhr Audimax, Neue Aula, Geschwister-Scholl-Platz Podiumsgespräch zwischen Humberto Maturana und Bernhard Pörksen (Medienwissenschaft, Universität Tübingen): "Ideas of Objectivity".

    7. – 11. November Internationaler Meisterkurs zum Thema "Ideas of Objectivity": 20 Studierende und Doktoranden aus aller Welt diskutieren am FORUM SCIENTIARUM mit Humberto Maturana und Christoph Reinfandt (Anglistik, Universität Tübingen) über interdisziplinäre Implikationen von Maturanas Theorie autopoietischer Erkenntnis.

    Die Unseld Lectures suchen in den drei genannten Formaten den Dialog mit der Gesellschaft; sie fördern die Auseinandersetzung zwischen Forschern verschiedener Disziplinen, und sie verankern das fächerübergreifende Arbeiten in der Lehre. Die Unseld Lectures wollen so einen interdisziplinären Dialograum öffnen, der Forschung und Lehre zum öffentlichen Ereignis macht. Sie werden vom FORUM SCIENTIARUM der Universität Tübingen organisiert. Die edition unseld des Suhrkamp Verlags greift mit ihren Programmen und Aktivitäten die Themen der Unseld Lectures auf. Die Udo Keller Stiftung Forum Humanum hat die Lectures initiiert und fördert sie. Im Jahr 2012 wird der niederländische Primatenforscher Frans de Waal von der Emory University in Atlanta, USA, Gast der Unseld Lecture sein.

    Broschüre zur Unseld Lecture 2011: http://www.forum-scientiarum.uni-tuebingen.de/de/vortragsprogramm/unseld/2011/Un...

    Kontakt:
    Dr. Niels Weidtmann
    Wissenschaftlicher Leiter
    Forum Scientiarum der Universität Tübingen
    Doblerstr. 33
    72074 Tübingen
    Tel.: +49 7071 40716-12
    niels.weidtmann [@] fsci.uni-tuebingen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Philosophie / Ethik, Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Studium und Lehre
    Deutsch


     

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