Es gibt Randale - auch und immer häufiger in Fußballstadien. Im medialen Mittelpunkt dabei stets: die Ultras. Doch wer sind sie wirklich und lässt sich das Bild vom tumben, gewaltbereiten Täter tatsächlich halten?
Ultras, das sind fanatische Fußballfans, die ihre Mannschaft akustisch und optisch massiv unterstützen: Fahnenmeere, dirigierte Fangesänge - bengalische Fackeln und Krawalle? Sind Ultras automatisch gewaltbereit? Spätestens seit dem letzten BVB-Spiel gegen Dresden hat diese Diskussion einen neuen Höhepunkt erreicht. „Ultras haben nicht die Nachfolge der Hooligans der 80-er und 90-er Jahre angetreten“, sagt der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Jochem Kotthaus vom Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund. „Sie sind erlebnisorientierte Fußballfans, die einen extremen Fankult betreiben, aber nicht primär zum Spiel kommen, um Gewalt auszuüben“. Zusammen mit Studierenden der Sozialen Arbeit arbeitet er gerade in einem Forschungsprojekt daran, die Lebenswelt dieser Fußballfans zu erforschen. In den Medien vornehmlich auf die Attribute „Sicherheitsrisiko“ und „Gewalttäter“ reduziert, sind Ultras nämlich weitgehend unbekannte Wesen, deren Beweggründe, Werdegänge oder Gruppenkonstellationen trotz der Aktualität des Themas unerforscht sind.
Erste Erkenntnisse der Studie zeigen, dass sie keine homogene Masse bilden, sondern eine sehr differenzierte, heterogene Gruppierung sind. „Alle Berufsgruppen und Altersklassen sind vertreten, es sind sogar sehr viele Akademiker dabei. Es gibt nur einen einzigen wirklichen gemeinsamen Nenner, das ist der unbedingte Wille, den jeweiligen Verein bedingungslos zu unterstützen“, sagt der Lehrbeauftragte Sven Kathöfer, der in dem seit März laufenden Projekt mitarbeitet.
Nicht jeder Ultra lebe nur für Verein, Gruppe und Fußballsport - sie seien weder sozial isoliert, noch einzig auf ihre Gruppe fixiert. Das Phänomen beinhalte neben dem teilweise exzessiven Fantum viel Normalität und Alltagsleben. Die Lebensstile seien zum Teil durchaus konträr: „Während die einen das Stadion als Raum zum Protest gegen regionale oder gesellschaftliche Probleme nutzen, streben andere nach einer Freizone, in der solche Probleme ausgeschlossen bleiben“, so Sven Kathöfer.
Die Erkenntnisse der Studie „Ultras - (Re-)Konstruktion einer Lebenswelt“ kommen aus erster Hand: „Wir hatten das Glück, über intensive Netzwerkarbeit direkten Zugang zu gesprächsbereiten Ultras zu bekommen“, so Professor Dr. Jochem Kotthaus. Daher basiert die Studie nun auf 25 jeweils mehrstündigen biografisch-narrativen Interviews und Gesprächen, die von methodisch geschulten Studierenden erhoben wurden. Eine qualitative Studie, über die man nicht nur eine große Bandbreite an Beweggründen und unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen erfassen kann, sondern auch ein differenziertes und unvoreingenommenes Bild von den Menschen erhält. Mehrere Tausend transkribierte Seiten werden derzeit ausgewertet. „Das Datenmaterial ist unglaublich reichhaltig“, so Prof. Kotthaus.
Auch wenn die gesamte Auswertung noch einige Wochen dauern wird, lassen sich schon erste Schlüsse ziehen: „Ultras als Problemfans oder gar Gewalttäter zu generalisieren, ist falsch und zeugt von einer äußerst undifferenzierten Sichtweise“. Die Ergebnisse der Studie werden später in einem Buch zusammengefasst.
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