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09.01.2017 09:22

Epigenetische Veränderungen fördern Leberverfettung bei Maus und Mensch

Dr. Gisela Olias Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke

    Mäuse, mit starkem Hang zum Übergewicht, weisen bereits in einem Alter von sechs Wochen epigenetische Veränderungen auf, die dazu führen, dass die Leber das Enzym DPP4 verstärkt bildet und ins Blut abgibt. Langfristig begünstigt dies das Entstehen einer Fettleber. Auch bei Menschen, die unter einer Leberverfettung leiden, sind solche Veränderungen am Erbgut nachweisbar und lassen auf eine ähnliche Ursachenkette schließen. Dies sind die Ergebnisse eines internationalen Forscherteams um Annette Schürmann, Robert Schwenk, Christian Baumeier und Sophie Saussenthaler vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

    Das Team, zu dem auch Diabetesforscher aus Finnland, Schweden und Frankreich gehören, veröffentlichte seine Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Diabetes (Baumeier et al. 2017; https://doi.org/10.2337/db15-1716).

    DPP4* ist ein Enzym, das wichtige Darmhormone des Zuckerstoffwechsels in ihrer Wirkung hemmt. Verschiedene Untersuchungen weisen dabei darauf hin, dass hohe Blutzuckerspiegel die körpereigene Bildung des Enzyms anregen. Zudem weisen besonders Menschen, die von einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung** betroffen sind, hohe DPP4-Werte in der Leber und im Blut auf. Bislang war jedoch unklar, ob die erhöhten Enzym-Werte auf die Verfettung der Leber zurückzuführen sind oder diese erst auslösen.

    Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, untersuchten die Wissenschaftler zunächst die Genregulation des DPP4-Gens in Mäusen, die zu Übergewicht neigen. Ähnlich wie eineiige Zwillinge sind alle Tiere dieses Zuchtstamms genetisch identisch. Dennoch nehmen einige der Mäuse unter derselben fettreichen Ernährung viel stärker zu als andere und entwickeln im Erwachsenenalter mit etwa 20 Wochen eine Fettleber. Dies lässt annehmen, dass die Unterschiede in der Gewichtsentwicklung auf epigenetische Effekte zurückzuführen sind.

    Wie die Forscher zeigen, war bei den Tieren, die schnell an Gewicht zulegten, im Vergleich zu den anderen Mäusen, bereits im Alter von sechs Wochen das DPP4-Gen an bestimmten Stellen weniger stark methyliert, also epigenetisch verändert. Hierdurch stiegen sowohl die Enzym-Synthese in der Leber als auch die Enzym-Werte im Blut in Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel deutlich an, noch bevor die Tiere eine Fettleber entwickelten. „Vielleicht kann man die Methylierung des Gens mit einem Dimmschalter vergleichen, der das Ablesen des Gens und damit die Menge des gebildeten Enzyms reguliert. Sind viele Stellen am Gen methyliert, ist die DPP4-Synthese in den Leberzellen ‚gedimmt‘, das heißt verringert und umgekehrt“, erklärt Christian Baumeier, der federführend an der Studie beteiligt war. Darüber hinaus beobachteten die Wissenschaftler, dass später nur die erwachsenen Tiere unter einer Fettleber litten, deren DPP4-Spiegl in der Leber aufgrund einer geringeren Methylierung erhöht waren. “Unsere Ergebnisse zeigen damit eindeutig, dass die in den übergewichtigen Tieren gemessenen, höheren DPP4-Werte in der Leber und im Blut nicht auf die Leberverfettung zurückzuführen sind, sondern umgekehrt, die veränderte epigenetische Regulation des Gens für die Entstehung der Fettleber verantwortlich ist“, ergänzt Sophie Saussenthaler, die sich mit Baumeier die Erstautorschaft teilt.

    Wie weitere Analysen der Wissenschaftler zeigen, ist das DPP4-Gen im menschlichen Lebergewebe ebenso wie bei den Mäusen epigenetischen Veränderungen unterworfen. In Gewebeproben von Patienten mit starker Leberverfettung war das Gen weniger stark methyliert. Der Grad der Leberverfettung korrelierte dabei mit dem Grad der DPP4-Gen-Methylierung und der in der Leber gebildeten Enzymmenge.

    „Zusammengenommen weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass die mit Übergewicht einhergehenden, epigenetischen Veränderungen des DPP4-Gens schon bei jungen Menschen den Leberstoffwechsel negativ beeinflussen. Weit bevor es zu einer Leberverfettung kommt“, sagt Studienleiterin Annette Schürmann. “Daher sollte man in weiterführenden Studien untersuchen, wie und zu welchem Zeitpunkt DPP4-Hemmer*** in der Diabetestherapie eingesetzt werden können, um dem Entstehen einer nichtalkoholischen Fettleber vorzubeugen“, so die Wissenschaftlerin weiter, die am DIfE die Abteilung Experimentelle Diabetologie leitet.

    Quelle: Christian Baumeier, Sophie Saussenthaler, Anne Kammel, Markus Jähnert, Luisa Schlüter, Deike Hesse, Mickaël Canouil, Stephane Lobbens, Robert Caiazzo, Violeta Raverdy, François Pattou, Emma Nilsson, Jussi Pihlajamäki, Charlotte Ling, Philippe Froguel, Annette Schürmann and Robert W. Schwenk: Hepatic DPP4 DNA Methylation Associates With Fatty Liver; Diabetes 2017 Jan; 66(1): 25-35.

    Hintergrundinformation

    Die Epigenetik ist ein relativ junges Forschungsgebiet. Es untersucht veränderte Gen-Funktionen, die nicht auf eine Änderung der DNA-Sequenz zurückzuführen sind, aber dennoch vererbt werden können. Studien der letzten Zeit weisen verstärkt darauf hin, dass auch die Ernährung als Umweltfaktor den Aktivitätszustand von Genen nachhaltig beeinflussen kann, z.B. durch chemische Veränderungen der DNA-Bausteine. Hierzu zählen auch Methylierungen. Diese entstehen, wenn Methylgruppen an die DNA binden. Diese kann die Aktivierung der Gene entweder erschweren oder erleichtern. Die direkte Methylierung der DNA verändert dann dauerhaft die Genexpression, wenn sie in Steuerbereichen von Genen erfolgt (sogenannten CpG-Inseln), die durch die Modifikation der Histone zugänglich gemacht wurden.

    In der aktuellen Studie stellten die Wissenschaftler fest, dass sowohl das menschliche DPP4-Gen als auch das DPP4-Gen der Maus weniger stark methyliert sind, wenn die untersuchten Individuen stark übergewichtig waren und eine Fettleber entwickelten. Da die Methylierung in diesem Fall das Ablesen des Gens erschwert, führt die Demethylierung (Abnahme des Methylierungsgrad) dazu, dass das Gen bei den übergewichtigen Individuen verstärkt abgelesen wird. Beides, sowohl die Methylierung als auch die Demethylierung, kann als epigenetische Veränderung angesehen werden.

    * DPP4 steht für Dipeptidyl peptidase 4. Das Enzym spaltet u.a. die Darmhormone (Inkretine) Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) und Gastric inhibitory polypeptide (GIP), die hierdurch ihre Wirkung verlieren. Dies begünstigt hohe Blutzuckerwerte, ebenso wird die Funktion der insulinproduzieren Zellen der Bauchspeicheldrüse negativ beeinflusst.

    ** Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist mittlerweile in Europa und den USA die häufigste chronische Lebererkrankung und eine häufige Begleiterscheinung von Übergewicht und Typ-2-Diabetes. Unbehandelt kann sich aus einer Fettleber eine Leberzirrhose entwickeln, die lebensbedrohliche Folgen haben kann. Eine komplette Rückbildung ist möglich, wobei die Gewichtsreduktion die wichtigste Rolle spielt (Quelle: Deutsches Ärzteblatt; Jg. 111; Heft 26; 27. Juni 2014).

    *** DPP4-Hemmer werden bereits als Medikament in der Diabetestherapie eingesetzt, um die Wirkung der beiden körpereigenen Inkretine GLP-1 und GIP zu verlängern. Ihr Ziel ist es, die Insulinausschüttung nach der Nahrungsaufnahme bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zu verstärken.

    Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Mehr unter http://www.dife.de. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Weitere Informationen zum DZD finden Sie unter http://www.dzd-ev.de.

    Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro. Mehr unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Annette Schürmann
    Abteilung Experimentelle Diabetologie
    Deutsches Institut für Ernährungsforschung
    Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
    Arthur-Scheunert-Allee 114-116
    14558 Nuthetal/Deutschland
    Tel.: +49 (0)33200 88-2368
    E-Mail: schuermann@dife.de


    Dr. Christian Baumeier
    Abteilung Experimentelle Diabetologie
    Deutsches Institut für Ernährungsforschung
    Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
    Arthur-Scheunert-Allee 114-116
    14558 Nuthetal/Deutschland
    Tel.: +49 (0)33200 88-2505
    E-Mail: christian.baumeier@dife.de

    Sophie Saussenthaler
    Abteilung Experimentelle Diabetologie
    Deutsches Institut für Ernährungsforschung
    Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
    Arthur-Scheunert-Allee 114-116
    14558 Nuthetal/Deutschland
    Tel.: +49 (0)33200 88-2572
    E-Mail: sophie.saussenthaler@dife.de

    Pressekontakt:

    Dr. Gisela Olias
    Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsches Institut für Ernährungsforschung
    Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
    Tel.: +49 33200 88-2278/-2335
    E-Mail: olias@dife.de
    oder presse@dife.de
    http://www.dife.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dife.de/forschung/abteilungen/kurzprofil.php?abt=DIAB Abteilung Experimentelle Diabetologie am DIfE


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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