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24.04.2017 11:00

Wovon zehren in der Krise?

Ebru Esmen Bildung und Kommunikation
Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) - Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie

    Mainz/Kiel. Diese Frage stellten sich auch schon die Menschen in der Krisenzeit der Spätantike. Ein gemeinsames Forschungsprojekt des Römisch-Germanischen Mainz und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel will in den kommenden zwei Jahren mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung auf die Erforschung der Überreste von Nahrungsmittelvorräten durch archäobotanische und geoarchäo-metrische Methoden dieser Frage nachgehen.

    Staatliche Fürsorge und private Vorsorge sind zwei Strategien der Absicherung von Risiken und Krisenbewältigung, die aus aktuellen Debatten um Renten und Krankenversicherung bekannt sind. Wovon aber zehren wir, wenn in der Krise auch staatliche Institutionen betroffen sind? Das Forschungsprojekt zielt auf die Erforschung von Versorgungsstrategien der frühbyzantinischen Stadt Caričin Grad. Dazu arbeiten das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) in Mainz und das Kieler Institut für Ur- und Frühgeschichte ab Juli 2017 in der frühbyzantinischen Stadt Caričin Grad in Südserbien mit dem Archäologischen Institut in Belgrad zusammen. Die Fritz Thyssen Stiftung fördert das Projekt mit rund 90.000 Euro.

    Um zu verstehen, was die Krisenzeit für die normalen Menschen in der Spätantike bedeutet hat, ist ein Blick auf ihre Versorgungsstrategien grundlegend. Wie reagierten die Menschen auf die veränderten Lebensumstände, welche Maßnahmen ergriffen sie zur Sicherung der Nahrungsmittelgrundlage? „Die Stadt Caričin Grad bietet eine perfekte Ausgangsbasis, um nach Antworten zu forschen. Sie wurde zu Zeiten einer Krise um 530 n. Chr. von Kaiser Justinian als Verwaltungsmittelpunkt gegründet, jedoch um 615 n. Chr., nach noch nicht einmal drei Generationen, wieder verlassen“, erklärt Rainer Schreg den Ausgangspunkt des Projekts.

    Organisierte Vorratshaltung in Kriegs- und Krisensituation

    Die Gebiete des balkanischen Donauraumes unterlagen in der Spätantike wie nahezu keine andere Region kriegerischen Auseinandersetzungen mit über den Donaulimes drängenden Bevölkerungsgruppen. In dieser Kriegs- und Krisensituation kam einer organisierten Vorratshaltung eine wichtige Bedeutung zu. Die Mehrzahl der bekannten Speicherbauten auf dem Balkan sind in das späte 3. und frühe 4. Jahrhundert datiert. Sie wurden vor allem in Städten errichtet und nicht mehr in dem Maße in Villen und Kastellen wie in den Jahrhunderten zuvor. Trotz der regen Bautätigkeiten in den Städten verloren die urbanen Speicherbauten bereits im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert ihre Funktion und erst ab dem späten 5. und dem 6. Jahrhundert sind einige wenige Neubauten bekannt.

    In diesem Rahmen wurde auch die neue Stadtgründung Caričin Grad mit einem großen
    Speicherbau ausgestattet. Dieser ist Gegenstand aktueller archäologischer Ausgrabungen. „Derzeit wird schon deutlich, dass er seine Funktion als zentrales städtisch verwaltetes Speichergebäude bald wieder verlor. Vor diesem Hintergrund ist von besonderem Interesse inwiefern sich die Vorratshaltung während der kurzen Besiedlung wandelte, welche Rolle die staatliche und private Versorgung gespielt haben und in welchem Verhältnis sie zueinander standen“, so Anna Elena Reuter.

    „Das kurze Leben einer Kaiserstadt – Alltag, Umwelt und Untergang des
    frühbyzantinischen Caričin Grad (Iustiniana Prima?)“

    Das Projekt konnte aufbauend auf das seit 2014 im Leibniz-Wettbewerb geförderte Projekt „Das kurze Leben einer Kaiserstadt – Alltag, Umwelt und Untergang des frühbyzantinischen Caričin Grad (Iustiniana Prima?)“ entwickelt werden und findet in Kooperation mit dem serbischen Institut für Archäologie in Belgrad (IA) und der École française de Rome (EFR) statt. Antragsteller sind PD Dr. Rainer Schreg vom RGZM und Professorin Wiebke Kirleis vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die Forschungsarbeiten liegen in den Händen der Archäobotanikerin Anna E. Reuter.

    Die 1959 durch Amélie Thyssen und Anita Gräfin Zichy-Thyssen in Gedenken an Fritz
    Thyssen errichtete Stiftung für Wissenschaftsförderung, fördert die Wissenschaft an
    Universitäten und Forschungsinstituten. Sie richtet sich besonders an den wissenschaftlichen Nachwuchs und fördert neben zeitlich begrenzten Projektvorhaben, wissenschaftliche Tagungen sowie wissenschaftliche Publikationen der unterstützen Projekte.


    Weitere Informationen:

    http://web.rgzm.de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/pm/article/wovon-zehren-i...


    Bilder

    Verkohlte Roggenfrüchte aus den vorhergehenden archäobotanischen Untersuchungen privater Vorräte.
    Verkohlte Roggenfrüchte aus den vorhergehenden archäobotanischen Untersuchungen privater Vorräte.
    Quelle: A. Reuter / RGZM


    Anhang
    attachment icon Wovon zehren in der Krise?

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

    Verkohlte Roggenfrüchte aus den vorhergehenden archäobotanischen Untersuchungen privater Vorräte.


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