Zahlen wir eher Steuern, wenn uns das Finanzamt mit strengen Kontrollen dazu zwingt oder wenn an unsere gesellschaftliche Verantwortung appelliert wird? Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Göttingen hat die Auswirkungen von unterschiedlichen Maßnahmen von Steuerbehörden auf die Entscheidungen der Steuerzahler untersucht.
Pressemitteilung Nr. 99/2017
Warum wir Steuern zahlen
Psychologen untersuchen Steuerehrlichkeit unter Zwang und aus Verantwortungsgefühl
(pug) Zahlen wir eher Steuern, wenn uns das Finanzamt mit strengen Kontrollen dazu zwingt oder wenn an unsere gesellschaftliche Verantwortung appelliert wird? Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Göttingen hat die Auswirkungen von unterschiedlichen Maßnahmen von Steuerbehörden auf die Entscheidungen der Steuerzahler untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass wir in der Regel sowohl unter Zwang als auch aus Verantwortungsgefühl Steuern zahlen – die Motivation dahinter scheint aber jeweils eine andere zu sein. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Social Cognitive and Affective Neuroscience erschienen.
Eine Zwang ausübende Steuerbehörde arbeitet mit strengen Kontrollen und Strafen, wohingegen eine Steuerbehörde, die mit Legitimität ans Ziel kommen möchte, auf Transparenz und professionelle Unterstützung der Steuerzahlerinnen und -zahler setzt. In zwei Experimenten mit jeweils rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern untersuchten die Wirtschafts- und Neuropsychologen aus China, Großbritannien, Österreich und Deutschland, unter welchen Bedingungen sich jemand entschied, ein fiktives Jahreseinkommen zu versteuern. Im ersten Experiment ging es um die Entscheidungsdauer, im zweiten beobachteten die Wissenschaftler zusätzlich die Hirnaktivität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mittels Elektroenzephalografie (EEG), um den exakten Zeitverlauf des Entscheidungsprozesses noch genauer abbilden zu können. Darüber hinaus beurteilten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beider Experimente das Verfahren mittels eines Fragebogens.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer unter beiden Szenarien Steuern zahlten – allerdings aus unterschiedlichen Motiven. Während sie unter Zwang angaben, Steuern lediglich zu zahlen, weil sie mussten, erklärten sie im anderen Fall, dass sie Steuern auch freiwillig abgeführt hätten. Auf neuronaler Ebene wurde deutlich, dass Steuerentscheidungen unter Zwang offenbar einfacher zu treffen sind. „Während der Zwang vermutlich einfache kalkulierende Prozesse auslöst, führt Legitimität zu einem komplexeren Konflikt zwischen Selbstinteresse und dem Gemeinwohl der Gesellschaft“, erläutert Dr. Katharina Gangl vom Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie an der Universität Göttingen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergleichen ihre Beobachtungen im Labor mit dem Phänomen des Schnellfahrens im Straßenverkehr: „Angedrohte Kontrollen führen dazu, dass man seinen Fahrstil nur deshalb anpasst, weil man einer Strafe entgehen will“, so Gangl. „Der eigentliche Zweck, nämlich die Verkehrssicherheit, gerät dabei in Vergessenheit. Umgekehrt dürfte der Ansatz der Legitimität, der das nachvollziehbare Erklären von Sachverhalten beinhaltet, zum Nachdenken anregen und moralische Aspekte der Entscheidung in den Vordergrund rücken. Dies könnte bewirken, dass man langsamer fährt oder Steuern zahlt, weil man seinen Beitrag zum Gemeinwohl leisten möchte, und nicht nur, weil man muss.“
Originalveröffentlichung: Katharina Gangl & Daniela Pfabigan et al. Coercive and legitimate authority impact tax honesty: evidence from behavioral and ERP experiments. Social Cognitive and Affective Neuroscience 2017. Doi: 10.1093/scan/nsx029.
Kontakt:
Dr. Katharina Gangl
Georg-August-Universität Göttingen
Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie
Abteilung für Wirtschafts- und Sozialpsychologie
Goßlerstraße 14, 37073 Göttingen, Telefon (0551) 39-13563
E-Mail: gangl@psych.uni-goettingen.de
http://www.psych.uni-goettingen.de/de/ecosop/team/gangl?set_language=de
Dr. Katharina Gangl
Quelle: Foto: Universität Göttingen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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