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02.08.2017 10:29

Frau Minne und ich: Mannheimer Germanistin erforscht die Ursprünge der Ich-Erzählung

Katja Bär Pressestelle: Kommunikation und Fundraising
Universität Mannheim

    Welchen Einfluss hatte die mittelalterliche Minne-Dichtung auf die Entstehung des Ich-Erzählens in Deutschland? Dieser Frage geht die Mannheimer Germanistin Prof. Dr. Katharina Philipowski in dem Forschungsprojekt „Ich – Minne – allegorisch“ nach. Das Projekt läuft drei Jahre und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 260.000 Euro gefördert.

    Ob Goethes Werther, Günter Grass‘ Oscar Matzerath oder Herta Müllers Leopold Auberg: In der deutschen Literatur sind Ich-Erzähler inzwischen allgegenwärtig. Was heute selbstverständlich ist, war jedoch nicht immer so: „Die ersten großen Romane mit Ich-Erzählern, Schelmenromane wie der Simplicissimus, entstanden erst im 17. Jahrhundert“, erklärt Prof. Dr. Katharina Philipowski, Inhaberin des Lehrstuhls für Germanistische Mediävistik. „Im Mittelalter gab es Ich-Erzählungen in der heutigen Form noch nicht.“ Warum sich das Ich-Erzählen in der deutschen Sprache erst so spät entwickelte und wie es entstanden ist, das untersucht die Germanistin in dem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt „Ich – Minne – allegorisch“. Gefördert wird es von der DFG mit knapp 260.000 Euro.

    „Wir möchten herausfinden, ob die Romane im 17. Jahrhundert einen Neubeginn in der Erzählkultur markieren oder ob sie aus einer älteren Tradition heraus entstanden sind“, sagt Philipowski. Gemeinsam mit der Postdoktorandin Julia Rüthemann erforscht sie deshalb die frühesten Formen der deutschen Ich-Erzählung – hochmittelalterliche Minneerzählungen aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Auffällig sei, dass diese ersten Ich-Erzählungen sehr viel gemeinsam haben: „Das Ich in diesen Minneerzählungen befindet sich oft in einer Art Traumsequenz. Beim Spazierengehen trifft es auf Allegorien wie Frau Minne oder Frau Treue, also personifizierte Tugenden, und kommt mit ihnen ins Gespräch“, erklärt die Germanistin. Dabei lerne das Ich immer etwas – über tugendhafte Werbung oder Anstand etwa. Die Botschaft ist einfach gehalten und stark verallgemeinert. Da sei vermutlich auch der Grund, so Philipowski, warum der Ich-Erzähler in den Minneerzählungen – anders als in späteren Romanen – keinen Eigennamen habe. Er stehe nicht für ein Individuum, sondern für jedermann.

    Wieso aber finden sich Allegorie und Traum in fast allen volkssprachigen weltlichen Ich-Erzählungen? Das zu erklären, ist ebenfalls Ziel des Projekts. Eine erste These hat die Professorin bereits: „Beide sind eine sinnvolle Ergänzung zur Ich-Perspektive“, sagt Philipowski. „Denn anders als allwissende Erzähler sind Ich-Erzähler sehr eingeschränkt in dem was sie wissen können. Träume und Allegorien heben diese Beschränkungen auf. Sie machen das Erzählen freier, verankern es aber dennoch in einem Ich.“

    Neben den deutschen Minneerzählungen untersuchen die zwei Germanistinnen altfranzösische Liebeserzählungen. Denn auch in Frankreich gab es Texte, die die drei Elemente Ich-Perspektive, Allegorie und Traummotiv verknüpfen. Der früheste und einflussreichste von ihnen – der Rosenroman – prägte die französische Literaturgeschichte nachhaltig und fand auch in Italien, England und Spanien große Beachtung. Ins Deutsche wurde der Rosenroman jedoch nie übersetzt, „er wurde sogar regelrecht gemieden“, sagt Philipowski. Wie es in beiden Literaturen trotzdem zu deutlichen Parallelen kommen konnte, ist ein weiterer Fokus ihrer Forschung.

    Im Dezember 2017 planen die Forscherinnen eine internationale Tagung im Kloster Irsee, um sich mit Romanistinnen und Romanisten aus Frankreich, Deutschland, England und den USA auszutauschen. Nach Projektende sollen die Ergebnisse in einem Sammelband veröffentlicht werden.

    Prof. Dr. Katharina Philipowski ist Inhaberin des Lehrstuhls für Germanistische Mediävistik an der Universität Mannheim. Ihre Schwerpunkte liegen unter anderem in der Erforschung der historischen Dimensionen der Ich-Erzählung, der historischen Narratologie und des historischen Mediengebrauchs.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Katharina Philipowski
    Lehrstuhl für Germanistische Mediävistik
    Universität Mannheim
    Telefon: +49 621 181-2327
    E-Mail: philipowski@uni-mannheim.de

    Katja Bär
    Leiterin Kommunikation und Fundraising
    Pressesprecherin
    Tel. +49 (0) 621 181-1013
    E-Mail: baer@uni-mannheim.de


    Bilder

    Eine für die Minne typische Darstellung von Würde und höfischer Zurückhaltung. Die Szene wird den Liedern des Bernger von Horheim zugeordnet.
    Eine für die Minne typische Darstellung von Würde und höfischer Zurückhaltung. Die Szene wird den Li ...
    Quelle: Quelle: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/035


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Eine für die Minne typische Darstellung von Würde und höfischer Zurückhaltung. Die Szene wird den Liedern des Bernger von Horheim zugeordnet.


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