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02.05.2018 10:55

TCM-Substanz kann Herzrhythmusstörungen auslösen

Stephan Brodicky Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Ein Konsortium von WissenschaftlerInnen der Universitäten Wien, Basel und Utrecht hat herausgefunden, dass eine in der Traditionellen Chinesischen Medizin häufig verwendete Arzneipflanze – Evodia rutaecarpa – zwei Substanzen enthält, die Herzrhythmusstörungen auslösen können.

    Extrakte der Pflanze Evodia rutaecarpa werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bei vielfältigen Beschwerden eingesetzt, u.a. gegen Kopfschmerzen, bei Magen-Darmbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen, menstruelle Beschwerden und gegen Geschwüre (Ulzera) im Mundbereich.
    WissenschafterInnen um Steffen Hering vom Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien untersuchten die Wirkung von Evodia-Extrakten in Zusammenarbeit mit PharmazeutInnen der Universität Basel. Die in Basel aus Evodia isolierten Naturstoffe Dehydroevodiamin (DHE) und Hortiamin erwiesen sich als sehr potente Hemmstoffe von Kaliumkanälen im Herzmuskel, so genannten HERG-Kanälen. "Werden HERG-Kanäle blockiert, verändern sich die Erregungsabläufe im Herzmuskel, was schwere Arrhythmien – sogenannte Torsade de pointes (TdP) – und Kammerflimmern auslösen und zum plötzlichen Herztod führen kann", erklärt Steffen Hering.
    Das Entstehen schwerer TdP-Arrhythmien nach Gabe von DHE konnten WissenschaftlerInnen der Universität Utrecht bei EKG-Untersuchungen an Hunden bestätigen; ein Modell, das auch zur Prüfung von Arzneimittelsicherheit in der Industrie eingesetzt wird.
    Weiterführende Untersuchungen zeigten, dass die beiden Naturstoffe bereits in sehr geringen Konzentrationen Oszillationen des Membranpotentials verursachen, die Herzrhythmusstörungen auslösen können. "Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Substanzen beispielsweise in einen Tee aus Evodiafrüchten gelangen. Dies wäre mit einem erheblichen Risiko für die PatientInnen verbunden. Der plötzliche Herztod ist heimtückisch und kann bereits innerhalb von zehn Minuten nach dem Beginn der TdP-Arrhythmie eintreten. Die auslösende Herzrhythmusstörung ist nur mit Hilfe eines EKG feststellbar und natürlich auch nur dann, wenn der/die PatientIn die Klinik noch lebend erreicht. Auf den Erfahrungsschatz der TCM zu Evodia können wir uns deshalb keinesfalls verlassen", so Steffen Hering.
    Für Arzneimittel, die potentiell Herzrhythmusstörungen auslösen können, gilt eigentlich, dass vor Verabreichung eine Herzuntersuchung mittels EKG durchgeführt werden sollte. Dies gilt besonders für PatientInnen mit Herzerkrankungen, um deren Arrhythmierisiko zu bewerten. Besonders prekär ist, dass keinerlei klinischen Studien vorliegen, bei denen die Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen nach Einnahme von Evodia-Präparaten untersucht wurde.
    "Untersuchungen an der Universität Basel haben zudem gezeigt, dass der DHE-Gehalt von Evodiafrüchten erheblich ist. In welchem Ausmaß diese Substanzen in eine Teezubereitung gelangen, wird derzeit untersucht. Sollten DHE und Hortiamin nachgewiesen werden, ist die Sicherheit von Evodia-Präparaten neu zu bewerten. TCM-Produkte gelangen in Österreich relativ unkontrolliert auf den Markt, dafür ist kein Zulassungs- oder Registrierungsverfahren erforderlich. Über deren mögliche toxische Wirkungen auf den Herzmuskel wissen wir viel zu wenig", erklärt der Pharmakologe.
    Die AutorInnen der Studie mahnen daher zu erhöhter Wachsamkeit bezüglich möglicher arrhythmogener Wirkungen von Evodia-Präparaten. "Zum Feststellen arrhythmogener Wirkung stehen uns heute sehr effektive Methoden zur Verfügung. Diese sollten verstärkt für Untersuchungen von Phytopharmaka eingesetzt werden, um deren Sicherheit zu erhöhen", so der Studienautor abschließend.
    Publikation in "Pharmacological Research":
    Baburin I, Varkevisser R, Schramm A, Saxena P, Beyl S, Szkokan P, Linder T, Stary-Weinzinger A, van der Heyden MAG, Houtman M, Takanari H, Jonsson M, Beekman JHD, Hamburger M, Vos MA, Hering S.: Dehydroevodiamine and hortiamine, alkaloids from the traditional Chinese herbal drug Evodia rutaecarpa, are IKr blockers with proarrhythmic effects in vitro and in vivo.
    doi: 10.1016/j.phrs.2018.02.024. (E-publication ahead of print)
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=hering+hamburger+Heyden

    Diese Publikation wurde als Open Access veröffentlicht. Sie ist unter folgendem Link abrufbar:
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=hering+hamburger+Heyden

    Wissenschaftliche Kontakte
    Univ.-Prof. Dr. Steffen Hering
    Department für Pharmakologie und Toxikologie
    Universität Wien
    1090 Wien, Althanstraße 14 (UZA II)
    T +43-1-4277-553 10
    steffen.hering@univie.ac.at

    Matthias Hamburger, PhD
    Professor of Pharmaceutical Biology
    Department of Pharmaceutical Sciences
    Universität Basel
    Klingelbergstrasse 50
    CH-4056 Basel
    matthias.hamburger@unibas.ch

    Rückfragehinweis
    Mag. Alexandra Frey
    Pressebüro der Universität Wien
    Forschung und Lehre
    1010 Wien, Universitätsring 1
    T +43-1-4277-175 33
    M +43-664-602 77-175 33
    alexandra.frey@univie.ac.at

    Offen für Neues. Seit 1365.
    Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 19 Fakultäten und Zentren arbeiten rund 9.500 MitarbeiterInnen, davon 6.600 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 94.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit 174 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich. http://www.univie.ac.at


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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