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08.05.2018 13:44

Junge Lehrkräfte bestmöglich fördern

Antje Karbe Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Studien der Universitäten Tübingen und Freiburg untersuchen berufliche Entwicklung angehender Lehrerinnen und Lehrer

    Lehrkräfte spielen im Bildungssystem eine entscheidende Rolle, das gilt als unumstritten. Doch welche Faktoren genau machen erfolgreiche Lehrerinnen und Lehrer aus? Mit dieser Frage haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Tübingen und der Universität Freiburg beschäftigt. In einer Studie untersuchten sie die Bedeutung des pädagogisch-psychologischen Wissens für den späteren beruflichen Erfolg von angehenden Lehrkräften. In einer weiteren Studie gingen sie der Veränderung des Wissens über eine effiziente Klassenführung – als einem Aspekt dieses Wissens, der gerade junge Lehrkräfte herausfordert – und der emotionalen Erschöpfung junger Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst nach. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift für Bildungsforschung und in Contemporary Educational Psychology veröffentlicht.

    Die bisherige empirische Forschung nennt verschiedene Aspekte professioneller Kompetenz von Lehrkräften, die mitbestimmen, wie erfolgreich diese im Beruf ist. Neben Fachwissen und fachdidaktischem Wissen werden das allgemeine pädagogisch-psychologische Wissen und die Fähigkeit, mit den eigenen Ressourcen hauszuhalten um einem „Ausbrennen“ vorzubeugen, als wichtige Aspekte professioneller Kompetenz betrachtet. Empirische Studien, die systematisch die Bedeutung des pädagogisch-psychologischen Wissens für den Berufserfolg sowie die Veränderung der verschiedenen Aspekte der professionellen Kompetenz untersuchen, sind jedoch rar. Die Tübinger und Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich daher basierend auf zwei Längsschnittstudien mit diesen Aspekten befasst. Die Ergebnisse können als Ansatzpunkt genutzt werden, um Empfehlungen abzuleiten, wie junge Lehrkräfte bei der Bewältigung der oft komplexen Anforderungen ihres Berufes unterstützt werden können.

    Gutes Erklären will gelernt sein

    Eine erste Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen dem allgemeinen pädagogisch-psychologischen Wissen junger Lehrkräfte und ihrem Erfolg im Beruf. Dazu wurden zunächst 181 Lehramtskandidatinnen und –kandidaten im Fach Mathematik zu Beginn ihres ersten bzw. zweiten Ausbildungsjahres befragt. Sie füllten Fragebögen aus und sahen kurze Videos mit Unterrichtssituationen. Im Anschluss beantworteten sie zur Erfassung des Wissens über eine effiziente Klassenführung Fragen zu den Videos. Zwei Jahre später wurden die Lehrkräfte erneut befragt und ihre Note im zweiten Staatsexamen erfasst. Zusätzlich wurden Daten ihrer insgesamt knapp 8.000 Schülerinnen und Schüler erhoben. Sie sollten ihre Lehrkraft im Hinblick auf Aussagen wie „Unsere Mathematiklehrkraft wirkt oft erschöpft“ oder „Unsere Lehrerin/unser Lehrer bringt im Matheunterricht immer gute Beispiele“ beurteilen.

    Es zeigte sich, dass das pädagogisch-psychologische Wissen junger Lehrkräfte zu Beginn des Vorbereitungsdienstes in Zusammenhang mit der Note im zweiten Staatsexamen steht – je höher dieses Wissen, desto besser die Note. Die Identifikation junger Lehrkräfte mit ihrem Beruf hängt jedoch nicht von diesem Wissen ab. In den Schülerbeurteilungen zeigte sich, dass Lehrkräfte mit einem höheren pädagogisch-psychologischen Wissen als weniger erschöpft wahrgenommen werden, auch werden ihre Erklärungen als besser verständlich empfunden. „Das deutet darauf hin, dass die Erklärfertigkeiten einer Lehrkraft nicht allein auf fachliches Wissen zurückzuführen sind, sondern auch eine überfachliche Komponente enthalten“, sagt Verena Gindele, Erstautorin der Studie. Welche Facetten des allgemeinen pädagogisch-psychologischen Wissens genau mit der Fähigkeit, Zusammenhänge zu erläutern, zu tun haben, soll in weiteren Studien erforscht werden.

    Gute Mentoren fangen die Erschöpfung auf

    Die zweite Studie wurde mit rund 750 Lehramtskandidatinnen und -kandidaten durchgeführt, die zweimal im Verlauf des Vorbereitungsdienstes befragt wurden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessierte besonders, wie sich das Wissen über eine effiziente Klassenführung und die emotionale Erschöpfung der jungen Lehrkräfte über den Vorbereitungsdienst hinweg verändern.

    Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Kompetenz zur effektiven Klassenführung über den gesamten Vorbereitungsdienst hinweg weiterentwickelt. Dabei ist bei denjenigen Lehramtskandidatinnen und –kandidaten der höchste Zuwachs zu beobachten, die eine hohe Bereitschaft zeigen, über ihre Unterrichtserfahrungen zu reflektieren. Die emotionale Erschöpfung stieg zu Beginn des Vorbereitungsdienstes zwar an, fiel im zweiten Jahr aber wieder auf ihr ursprüngliches Niveau zurück. Je höher das Unterrichtsdeputat, desto mehr stieg die emotionale Erschöpfung, wohingegen ein konstruktiv unterstützender Mentor den Anstieg abfedern konnte. „Unsere Ergebnisse geben Aufschluss darüber, welche Faktoren junge Lehrkräfte in ihrer Entwicklung unterstützen“, sagt Thamar Voss, Erstautorin der Studie. „Vor allem im Hinblick auf die hohe Abbruchrate unter Berufsanfängerinnen und -anfängern scheint es sinnvoll zu sein, die Bereitschaft der jungen Lehrkräfte zur Reflexion ihrer praktischen Erfahrung zu fördern, das Unterrichtsdeputat nicht zu früh sehr hoch anzusetzen und eine möglichst hohe Qualität des Mentorings zu erreichen.“

    „Aus den hier vorgestellten Befunden könnte man die vorsichtige Empfehlung ableiten, das pädagogisch-psychologische Wissen in der Lehrerbildung viel systematischer zu fördern“, sagt Ulrich Trautwein, Direktor des Tübinger Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung. „Dazu wären aber noch weitere Untersuchungen notwendig. Aktuell spiegelt sich diese Empfehlung bereits in Reformbemühungen wider, da vielerorts eine Stärkung der bildungswissenschaftlichen Anteile in der Lehrerbildung zu beobachten ist.“


    Originalpublikationen:
    - Gindele, V., & Voss, T. (2017). Pädagogisch-psychologisches Wissen: Zusammenhänge mit Indikatoren des beruflichen Erfolgs angehender Lehrkräfte. Zeitschrift für Bildungsforschung, 7(3), 255-272. doi:10.1007/s35834-017-0192-5
    - Voss, T., Wagner, W., Klusmann, U., Trautwein, U., & Kunter, M. (2017). Changes in beginning teachers‘ classroom management knowledge and emotional exhaustion during the induction phase. Contemporary Educational Psychology, 51, 170-184. doi: 10.1016/j.cedpsych.2017.08.002


    Kontakt:
    Universität Tübingen, Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung:
    Prof. Dr. Ulrich Trautwein, Telefon +49 7071 29-73931, ulrich.trautwein[at]uni-tuebingen.de

    Verena Gindele, verena.gindele@uni-tuebingen.de

    Universität Freiburg:
    Prof. Dr. Thamar Voss, Telefon +49 761 203-96886, thamar.voss|at|ezw.uni-freiburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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