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25.06.2018 17:00

Hieb- und Stichfest: So jagten Neandertaler vor 120.000 Jahren

Christina Nitzsche Bildung und Kommunikation
Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) - Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie

    In der Zeitschrift Nature Ecology and Evolution berichtet ein internationales Forscherteam über die ältesten, unzweifelhaften Jagdverletzungen der Menschheitsgeschichte. Die Studie liefert neueste Erkenntnisse zur Einnischung des Neandertalers und bringt die Forschung einen bedeutenden Schritt nach vorne: Sie zeigt, wie Neandertaler ihre Beute erlangten, vor allem in Bezug auf ihre bislang viel diskutierte Jagdausrüstung, aber auch in Bezug auf ihre Jagdfertigkeit.

    Die Spuren wurden an zwei Skeletten großer ausgestorbener Damhirsche entdeckt. Neandertaler erlegten die Tiere vor ca. 120.000 Jahren an einem kleinen See (Neumark-Nord 1) in der Nähe der heutigen Stadt Halle im Osten Deutschlands.

    Die Jagdverletzung konnte in einem innovativen experimentellen ballistischen Versuchsaufbau mit Hilfe modernster Bewegungssensorik exakt reproduziert werden. Die Ergebnisse belegen die Nutzung eines niedrig-geschwindigen hölzernen Speers in Aufwärtsbewegung. Durchgeführt wurden die ballistischen Experimente im Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS, einer Einrichtung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM). Des Weiteren beteiligten sich das Institut für Robotik und Intelligente Systeme der ETH Zürich und die Archäologische Fakultät der Universität Leiden an der Studie.

    Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich Neandertaler den Tieren bis auf sehr kurze Distanz näherten und den Speer als Stoß- und nicht als Wurfwaffe verwendeten. Eine solche konfrontative Art der Jagd erforderte sorgfältige Planung, Tarnung sowie ein enges Zusammenspiel zwischen den einzelnen Jägern.

    Der ursprüngliche See, an dem die Jagdaktivitäten stattfanden, war von geschlossenen Wäldern umgeben – eine Umwelt, die für Jäger und Sammler auch heute noch eine besondere Herausforderung darstellt. Allerdings brachten die Ausgrabungen der einzigartigen Seenlandschaft in Neumark-Nord während der letzten Warmzeit, zehntausende Knochen großer Säugetiere (darunter Rot- und Damhirsche, Pferde, Wildrinder) zu Tage sowie tausende Steinartefakte. Diese reichen Funde zeugen vom Erfolg der Überlebensstrategien des Neandertalers in bewaldeten Umwelten.

    Obwohl unsere Vorfahren sicherlich bereits vor mehr als einer halben Million Jahren mit der Waffenjagd begannen, fehlten bislang Nachweise zur Handhabung hölzerner speerartiger Objekte, wie sie in Clacton (UK), Schöningen und Lehringen (beide in Deutschland) gefunden wurden.

    Mit dem Nachweis der ältesten Jagdverletzungen haben die WissenschaftlerInnen in Neumark-Nord den "Tatort" zum sprichwörtlichen "rauchenden Colt" gefunden. "Im Rahmen unseres Forschungsschwerpunktes zur Ernährung erforschen wir seit Jahren Jagdstrategien und Waffentechnologien früher Menschen ", erklärt Univ.-Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Leiterin des Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS, dem Kompetenzbereich Pleistozäne und Frühholozäne Archäologie am RGZM. Und sie fährt fort: "Die Spuren, die wir auf den Damhirschskeletten gefunden haben, liefern uns weitere, wertvolle Erkenntnisse zum Waffengebrauch der Neandertaler und geben und Einblick in die Verwendung der 300 000 Jahre alten Schöninger Speere, die 2010 in den Restaurierungswerkstätten des RGZM konserviert wurden."

    Der Artikel erschien am 25. Juni 2018 in: Nature Ecology and Evolution

    Sabine Gaudzinski-Windheuser u.a. Evidence for close-range hunting by last interglacial Neanderthals DOI: 10.1038/s41559-018-0596-1.

    Pressemitteilung / Pressebilder:

    https://cloud.rgzm.de/index.php/s/qkKTcVVe4ZpjVeZ

    Wissenschaftliche Kontakte:

    Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser
    MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution, RömischGermanisches Zentralmuseum, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie | Johannes Gutenberg-Universität Mainz (korrespondierende Autorin)
    gaudzinski@rgzm.de

    Elisabeth S. Noack
    MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution und Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    noack@rgzm.de

    Prof. Dr. Wil Roebroeks
    Archäologische Fakultät der Universität Leiden
    w.roebroeks@arch.leidenuniv.nl

    Dr. Eduard Pop
    MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution und Archäologische Fakultät der Universität Leiden
    e.pop@rgzm.de

    Prof. Dr. Jonas Buchli
    Agile and Dexterous Robotics Lab, Institut für Robotik und Intelligente Systeme, ETH Zürich
    buchlij@ethz.ch

    Dr. Johannes Pfleging
    Agile and Dexterous Robotics Lab, Institut für Robotik und Intelligente Systeme, ETH Zürich
    pfleginj@ethz.ch


    Weitere Informationen:

    https://web.rgzm.de/no_cache/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/


    Bilder

    Vorder- und Rückansicht einer Jagdverletzung im Becken eines ausgestorbenen Damhirsches, der vor 120.000 Jahren von Neandertalern an einem Seeufer (Deutschland) getötet wurde.
    Vorder- und Rückansicht einer Jagdverletzung im Becken eines ausgestorbenen Damhirsches, der vor 120 ...
    Bildnachweis: Eduard Pop, MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie
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    Geschätzter Auftreffwinkel des Speeres, der die Jagdverletzung im Becken eines ausgestorbenen Damhirsches in Neumark-Nord vor 120.000 Jahren verursachte, bei stehendem Tier.
    Geschätzter Auftreffwinkel des Speeres, der die Jagdverletzung im Becken eines ausgestorbenen Damhir ...
    Eduard Pop, MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie
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    Anhang
    attachment icon Hieb- und Stichfest: So jagten Neandertaler vor 120.000 Jahren

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Vorder- und Rückansicht einer Jagdverletzung im Becken eines ausgestorbenen Damhirsches, der vor 120.000 Jahren von Neandertalern an einem Seeufer (Deutschland) getötet wurde.


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    Geschätzter Auftreffwinkel des Speeres, der die Jagdverletzung im Becken eines ausgestorbenen Damhirsches in Neumark-Nord vor 120.000 Jahren verursachte, bei stehendem Tier.


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