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28.08.2018 15:31

Makroskopische elektrische Polarisationen und Elektronen auf atomarer Skala

Dipl.-Geogr. Anja Wirsing Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Makroskopische elektrische Polarisationen und Elektronen auf atomarer Skala - ein neuer Zusammenhang aus Femtosekunden-Röntgenexperimenten

    Röntgenexperimente im Femtosekunden-Bereich und ein neuer theoretischer Ansatz stellen eine direkte Verbindung zwischen elektrischen Eigenschaften makroskopischer Systeme und Elektronenbewegungen auf atomaren Längen- und Zeitskalen her. Die Ergebnisse eröffnen neue Wege zu Verständnis und Optimierung ferroelektrischer Materialien.

    Vorgänge in der makroskopischen Welt werden durch die klassische Physik beschrieben, während Prozesse auf atomaren Längen- und Zeitskalen den Gesetzen der Quantenmechanik unterliegen. Der Zusammenhang zwischen mikroskopischen und makroskopischen physikalischen Größen ist nicht trivial und teilweise unverstanden.

    Die elektrische Polarisation ist eine makroskopische Größe, die das Dipolmoment von Materie beschreibt. Polarisationen werden durch die Verteilung elektrischer Ladungen auf atomarer Skala in polaren und ionischen Materialien hervorgerufen, darunter die besonders interessante Gruppe der Ferroelektrika. Deren spontane elektrische Polarisation findet Anwendung in elektronischen Sensoren, Speichern und Schaltelementen. Der Zusammenhang zwischen Polarisationen, vor allem zeitabhängigen, und mikroskopischen Elektronenverteilungen ist von großer Bedeutung für das Verständnis und die gezielte Veränderung der ferroelektrischen Eigenschaften.

    Auf der Grundlage eines neuen experimentellen und theoretischen Ansatzes haben Wissenschaftler des Max-Born-Instituts jetzt eine direkte quantitative Verbindung zwischen makroskopischen Polarisationen und zeitabhängigen mikroskopischen Elektronendichten hergestellt. Wie sie in der Zeitschrift Physical Review B berichten, löst in den Experimenten eine optische Anregung atomare Bewegungen aus, welche die Elektronenverteilung im Femtosekunden-Zeitbereich modulieren (1 fs = 10 hoch -15 Sekunden). Die Elektronendynamik wird durch zeitaufgelöste Röntgen-Pulverbeugung aufgezeichnet. Aus den Daten werden räumlich und zeitlich aufgelöste "Landkarten" der Elektronendichte abgeleitet, die mit Hilfe eines neuen theoretischen Konzepts eine Bestimmung der momentanen makroskopischen Polarisation gestatten. Die Methode wurde anhand von zwei prototypischen Ferroelektrika demonstriert.

    Die theoretische Methode zur Beschreibung der ultraschnellen Dynamik von Ladung und Polarisation beruht auf einer Erweiterung von Ansätzen, die durch eine Betrachtung von Quantenphasen (Berry-Phase) stationäre makroskopische Polarisationen liefern. Wesentliche Schritte bestehen in der Berechnung mikroskopischer Stromdichten aus den zeitabhängigen Ladungsdichtekarten, wobei die kinetische Energie der Elektronen minimiert wird. Aus diesen so bestimmten mikroskopischen Stromdichten wird dann die makroskopische Polarisation bestimmt. Dieses Verfahren wird auf das Ferroelektrikum Ammoniumsulfat [(NH4)2SO4, Fig. 1] angewendet, die zeitabhängigen Ladungs- und Stromdichten sind in dem beigefügten Film gezeigt. Als zweites prototypisches System wurde KDP [KH2PO4] untersucht. Die Analyse liefert die Absolutwerte der makroskopischen Polarisationsänderungen, die durch mikroskopische Schwingungen moduliert werden.

    Die Ergebnisse etablieren die Röntgenbeugung im Ultrakurzzeitbereich als ideales Werkzeug zur Erfassung makroskopischer elektrischer Eigenschaften komplexer Materialien. Die besondere Bedeutung dieser neuen Erkenntnisse wird durch die Würdigung der Publikation als "Editor's Suggestion" unterstrichen.

    Bildunterschriften:

    Abb. 1: Oben: Kristallgitter des ferroelektrischen Ammoniumsulfats [(NH4)2SO4] mit verkippten Ammonium-Tetraedern (NH4+, Stickstoff blau, Wasserstoff weiß) und Sulfat-Tetraedern (SO42-, Schwefel gelb, Sauerstoff rot). Der grüne Pfeil zeigt die Richtung der makroskopischen Polarisation P an. Blaue Pfeile: Lokale Dipole zwischen Schwefel- und Sauerstoffatomen. Die Elektronendichtekarten unten links und im beigefügten Film wurden in der grau markierten Ebene aufgenommen. Die Karte unten links zeigt die stationäre Elektronenverteilung mit einer hohen Dichte im Schwefel- und einer geringeren Dichte in den Sauerstoffatomen. Unten rechts sind die Änderungen der lokalen Dipole zu einem Zeitpunkt von 2.8 ps nach der Anregung der Probe gezeigt (rote Pfeile, blaue Pfeile: stationärer Wert). Eine anisotrope Ladunsgverschiebung reduziert den nach rechts zeigenden Dipol und vergrößert die drei anderen.

    Movie
    Links: Zeitanhängige Elektronendichte des Sulfations für Zeiten zwischen 2.7 und 5.1 ps nach der Anregung. Die Amplitude der gezeigten Dichteänderungen ist im Vergleich zum Experiment um einen Faktor 100 erhöht. Rechts: Zeitabhängige Stromdichte entlang der a-Achse des Kristalls, berechnet aus den transienten Elektronendichten. Die Stromdichte oszilliert mit einer Phasenverschiebung von 90 Grad relativ zur Elektronendichte.

    Movie unter https://www.mbi-berlin.de/de/current/index.html#2018_08_27


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Christoph Hauf, E-Mail hauf@mbi-berlin.de, Tel. 030 6392 1473
    Dr. Michael Wörner, E-Mail woerner@mbi-berlin.de, Tel. 030 6392 1470
    Prof. Dr. Thomas Elsaesser, E-Mail elsasser@mbi-berlin.de, Tel. 030 6392 1400


    Originalpublikation:

    Christoph Hauf, Michael Woerner, and Thomas Elsaesser
    Macroscopic electric polarization and microscopic electron dynamics: Quantitative insight from femtosecond x-ray diffraction
    Phys.Rev. B 98, 054306 (2018, Editor's Suggestion).


    Weitere Informationen:

    https://www.mbi-berlin.de/de/current/index.html#2018_08_27


    Bilder

    Abb./Fig. 1
    Abb./Fig. 1
    Quelle: MBI Berlin


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Elektrotechnik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Abb./Fig. 1


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