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16.09.2025 09:48

„Altersmedizin ist Beziehungsmedizin“: Festvortrag von Giovanni Maio beim Geriatrie-Kongress in Weimar

Torben Brinkema Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)

    Wie kann eine humane, auf das Individuum ausgerichtete Geriatrie in einer ökonomisierten Welt gestaltet werden? Mit dieser grundlegenden Frage beschäftigt sich Professor Giovanni Maio am ersten Abend des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG), der am 18. September in Weimar beginnt. Der international renommierte Medizinethiker von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg plädiert in seiner als Festvortrag konzipierten Keynote für ein radikales Umdenken: Weg von der technokratisch verkürzten Sicht auf den alten Menschen, hin zu einer Medizin, die Beziehung ernst nimmt – und damit auch das Alter als Lebensphase mit eigener Würde.

    „Altersmedizin ist Beziehungsmedizin“, sagt Maio. „Wir können dem alten Menschen nur helfen, wenn wir ihn in aus seiner konkreten Lebenssituation heraus verstehen und wenn wir den Befund mit dem Befinden zusammenführen.“ Für Maio steht fest: Medizin im Alter muss mehr leisten als das bloße Behandeln von Krankheiten. Sie muss Lebensqualität ermöglichen und die Angewiesenheit des alten Menschen nicht als Defizit, sondern als Grundbedingung menschlichen Lebens begreifen.

    Angewiesenheit als zentrale Lebensform

    Maio zeigt auf, warum das moderne Autonomieverständnis an seine Grenzen stößt, nicht nur wenn es um hochbetagte Menschen geht. „Wir sind es gewohnt, Angewiesenheit als Schwäche zu betrachten“, erklärt er. „Dabei ist die Angewiesenheit auf andere eine Grundsignatur jeder menschlichen Existenz.“ Im Alter trete diese Angewiesenheit nur deutlicher zutage. Wer diese Einsicht ernst nehme, müsse auch das medizinische Handeln entsprechend verändern: Weg von standardisierten Verfahren, hin zu einer individualisierten Sorgepraxis. „Erst über den Aufbau einer guten Beziehung kann man alte Menschen gut begleiten und ihnen dabei helfen, ihre eigenen Ressourcen neu zu aktivieren, damit sie so selbständig wie möglich bleiben können“, ergänzt der Medizinethiker.

    Alter ist Rückbesinnung auf das Wesentliche

    „Das Alter ist wie eine Lupe, mit der man befähigt wird, das Wesentliche in den Blick zu nehmen. Es hat damit eine wichtige Korrektivfunktion in einer auf Jugendlichkeit ausgerichteten Gesellschaft, die einer solchen Rückbesinnung immer wieder bedarf“, sagt Maio. „Die alten Menschen haben uns so viel zu sagen, wir müssen nur bereit sein, uns auf ihre Botschaften einzulassen. Jeder alte Mensch sagt uns etwas, allein durch die Lebensgeschichte, die er uns hinterlässt. Und es gilt, in jedem alten Menschen das unverwechselbare Individuum mit einer einzigartigen Geschichte zu sehen. Erst wenn wir diese sehen, bekommen wir eine Vorstellung davon, wie wir ihm in seiner Gebrechlichkeit helfen können.“

    Geriatrie gehört in die Mitte der Gesellschaft

    Aus diesem Grund fordert Maio eine höhere gesellschaftliche Priorisierung der Altersmedizin: „Wir dürfen nicht zulassen, dass diejenigen vernachlässigt werden, die am meisten auf medizinische Unterstützung angewiesen sind. Es ist ein gesellschaftlicher Auftrag, die alten Menschen vom Rand in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.“ Dabei kritisiert er auch ökonomische Fehlanreize im Gesundheitssystem, die einer patientenzentrierten Medizin entgegenstehen. Die Zukunft der Geriatrie liege nicht in weiteren Standardisierungen, sondern in der Anerkennung der Komplexität. „Die Geriatrie muss als eigenständige, sorgende Disziplin gestärkt werden, weil sie uns zeigt, was menschliche Medizin im Kern ausmacht.“

    Zur Person:

    Professor Giovanni Maio ist Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und zählt zu den führenden Stimmen der Medizinethik im deutschsprachigen Raum. In zahlreichen Publikationen und öffentlichen Vorträgen setzt er sich für eine werteorientierte Medizin ein, die dem Menschen in seiner Ganzheit gerecht wird. Seine Schwerpunkte liegen in der Ethik der Altersmedizin, der Bedeutung von Fürsorge und Beziehung in der Heilkunst sowie in der Kritik an rein ökonomisch gesteuerten Gesundheitsstrukturen. Maio ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gremien und Ethikkommissionen und berät regelmäßig Fachgesellschaften und politische Institutionen.

    Termin vormerken:

    Festvortrag von Professor Giovanni Maio: „Personalisierte Geriatrie in einer ökonomisierten Welt“
    Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) – https://www.geriatrie-kongress.de/
    Donnerstag, 18. September 2025
    18.30 bis 19.15 Uhr, Großer Saal, Congress Centrum Weimarhalle

    Für Journalistinnen und Journalisten: Interviewmöglichkeit und Kongress-Akkreditierung

    Sie wünschen vorab oder vor Ort ein Gespräch mit Professor Giovanni Maio? Gerne helfen wir bei der Terminkoordination. Akkreditieren Sie sich zudem jetzt für den Geriatrie-Kongress in Weimar. Einfach mit Kopie Ihres Presseausweises oder einer Redaktionsbestätigung per E-Mail an: presse@dggeriatrie.de


    Weitere Informationen:

    https://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen/2485-pm-altersmedizin-ist-bezi...


    Bilder

    Professor Giovanni Maio
    Professor Giovanni Maio
    Quelle: Silke Wernet
    Copyright: Universität Freiburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Professor Giovanni Maio


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