Jeden Mittwoch vom 23. April – 9. Juli 2025
12:00 – 14:00 Uhr
23.04.2025
Körper- und Grenzverhandlungen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
Lena Wetenkamp
Der Vortrag geht von der These aus, dass Texte der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur Verknüpfungen von Grenz- und Körperfragen vornehmen. Die Thematisierung materieller räumlicher Grenzen wird dabei mit geschlechtlichen Grenzen, Körpergrenzen, und entgrenzten Identitäten verknüpft. Am Beispiel von Terézia Moras Erzählband „Seltsame Materie“ (1999) untersucht der Vortrag die literarische Inszenierung grenzbezogener Praktiken, die sich angesichts akuter Notlagen in Verwahrungsunterkünften und Verhörsälen entwickeln. Als weiteres Beispiel für literarische Körperinszenierungen dient Kim de l’Horizons „Blutbuch“ (2022). Körper zeigen sich dabei als vielschichtige Territorien, die mit dem Ansatz des Bordertexturing untersucht werden können.
30.04.2025
American Frontier: Grenze, Mythos, Sehnsuchtsort amerikanischer Westen
Nele Sawallisch
Der amerikanische Westen ist seit jeher ein besonderer Ort: für die ersten englischen Siedler an der heutigen Ostküste repräsentierte alles, was "westlich" war, etwas Unbekanntes, Bedrohliches, gar "Wildes"--aber auch etwas, was in die puritanische Mission von der Besiedlung und Eroberung des Kontinents eingeschlossen war. Nach der amerikanischen Unabhängigkeit wird "the West" sehr schnell zentral für das US-amerikanische nationale Selbstverständnis und das Projekt der territorialen Expansion, die besonders das neunzehnte Jahrhundert prägt. Die gnadenlose territoriale Erweiterung des Nationalstaats treibt die Siedlungsgrenze, die berühmte "frontier", vor sich her--für den Historiker Frederick Jackson Turner in seiner Frontier Thesis ist sie das zentrale Merkmal des amerikanischen "Charakters" als Ort, an dem Amerikaner:innen zu Amerikaner:innen werden. Somit ist längst klar, dass dem Westen, der in Wechselwirkung mit der Grenze steht, auch etwas Mythisch-Überhöhtes anheim ist. Es ist ebenso klar, dass das Bild des Sehnsuchtsorts die indigene Bevölkerung ignoriert oder ausradiert. Der Vortrag will in groben Zügen darstellen, wie sich die Sicht auf den Westen in dem, was wir heute USA nennen, entwickelt, und wie aktuelle Entwicklungen in Politik, Technologieindustrie und Populärkultur diesen Ort wieder als "final frontier" stilisieren—oft entlang neokonservativer Linien.
07.05.2025
Dialektgrenzen und ihre Bedeutung für den kindlichen Spracherwerb – Eine (sozio)-phonetische Perspektive
Katharina Zahner-Ritter
Dialektgrenzen sind sprachliche Trennlinien, die verschiedene Dialektgebiete voneinander abgrenzen. Sie entstehen dort, wo sich linguistische Merkmale wie Aussprache, Wortschatz oder Grammatik zwischen benachbarten Regionen unterscheiden. Im deutschsprachigen Raum wird angenommen, dass Dialektgrenzen zunehmend verschwimmen, da Mobilität, Medienkonsum und Bildungseinflüsse eine großflächigere und standardisierte Umgangssprache – sogenannte „Regiolekte“ – entstehen lassen. Kinder, die in überwiegend dialektalen Regionen aufwachsen, erwerben typischerweise sowohl die Standardsprache als auch eine regionale Varietät. Dennoch ist bislang wenig über den Spracherwerb sogenannter bivarietaler Kinder bekannt. Der Vortrag stellt aktuelle empirische Befunde zur Beschaffenheit lexikalischer Repräsentationen bei Kleinkindern vor und beleuchtet, inwiefern Haltungen gegenüber sprachlicher Variation den kindlichen Spracherwerb beeinflussen.
14.05.2025
Welche ‚Grenzen‛ gibt es in der griechischen Literatur überhaupt? Ein Annäherungsversuch
Diego De Brasi
Der Begriff ‚Grenze‛ beschreibt meist eine Linie, die zwei geografische Gebiete voneinander trennt und zugleich miteinander verbindet. Doch der Ausdruck wird auch oft im übertragenen Sinn verwendet, um soziale, philosophische oder allgemeine Themen zu veranschaulichen – wie etwa in Ausdrücken wie „die Grenze zwischen Armut und Reichtum“ oder „die Grenzen des Wissens“ und „die Grenzen des Machbaren“. In diesem Vortrag liegt der Fokus vor allem auf den metaphorischen Bedeutungen des Begriffs ‚Grenze‛, wie sie in Beispielen aus der griechischen Literatur der klassischen Zeit (5.–4. Jahrhundert v. Chr.) und darüber hinaus zu finden sind.
21.05.2025
Grenzen des Wohnens: Zur Produktion, Konstruktion und Relevanz von Grenzen auf dem Wohnungsmarkt
Michael Mießner
Wohnen ist ein grundlegendes Bedürfnis von Menschen. Gleichzeitig spielen Grenzen und Begegnungen für das Wohnen eine zentrale Rolle. Die Tür zur Wohnung markiert genauso eine Grenze wie der Gartenzaun. Wohnquartiere sind unterschiedlich gut angebunden, infrastrukturell ausgestattet und haben häufig ein Image. Aufgrund dieser Grenzziehungen erfolgen Festlegungen von Miet- und Immobilienpreisen und ermöglichen den Zugang oder Ausschluss einzelner Bevölkerungsgruppen aus den Quartieren. Die damit verbundene sozialräumliche Segregation segmentiert solche Grenzen, kann aber zum Beispiel durch Gentrifizierung auch wieder verändert werden. Nicht nur innerhalb von Städten werden Grenzen gezogen, Wohnungsmarktdynamiken unterscheiden sich auch regional, beispielsweise zwischen Stadt und Land. Doch auch diese Grenzziehungen werden stetig überformt, wie nicht zuletzt Suburbanisierungsprozesse zeigen.
Der Vortrag nimmt die Ringvorlesung zum Anlass, um die Grenzziehungen und -auflösungen des Wohnens, anhand von Beispielen aus Deutschland und der rheinland-pfälzischen Grenzregion, auszuloten
28.05.2025
Grenzen und Grenzüberschreitungen in Murata Sayakas „Mordgeburt“
Ronald Saladin
Vor 100 Jahren war Mord etwas Böses. […] Mordgelüste zu verspüren wurde auf geradezu hysterische Art und Weise mit Wahnsinn gleichgesetzt. […] Aber die Welt wurde korrigiert. Dadurch, dass ich zu einem „Geburts-Mensch“ geworden bin, wurde meine Mordlust zum Nährstoff des Lebens unserer Welt. Darüber bin ich wirklich sehr glücklich. (Murata Sayaka, Satsujin Shussan, 2014)
Murata Sayaka, bekannt durch Konbini ningen (2016, dt. Die Ladenhüterin), hinterfragt gesellschaftliche Tabus – zum Beispiel, warum Notwehr oder die Todesstrafe erlaubt sind, obwohl Mord tabuisiert wird. Typisch für ihr Werk ist die Auseinandersetzung mit Spannungen zwischen sozialen Normen und Menschen, die sich ihnen nicht anpassen können oder wollen. In meinem Vortrag analysiere ich die Kurzgeschichte Satsujin Shussan (2014, dt. Mordgeburt) mit Blick auf Raumkonstruktionen, basierend auf Foucaults Heterotopie und Lotmans Semiosphäre. Murata nutzt Sexualität und Fortpflanzung um das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft reflektieren, und hinterfragt dabei die Grenzen unserer Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen: Wo endet das Private, und wo beginnt öffentlicher Einfluss? Ist das „Normale“ unumstößlich – oder nicht vielmehr eine bloße Konstruktion?
04.06.2025
Ozeanische Grenzen: Flüchtlingsimaginationen in der zeitgenössischen Afro-Diasporischen Lyrik
Jennifer Leetsch
Der Vortrag untersucht den Ozean als ambivalenten Grenzraum in der zeitgenössischen Afro-diasporischen Lyrik, mit besonderem Fokus auf die Somalisch-Britische Dichterin Warsan Shire. Mit der Zeile „no one leaves home unless home is the mouth of a shark“ aus ihrem Gedicht „Home“ ist sie berühmt geworden: ein eindringliches Zeugnis der Flüchtlingskrise und der existenziellen Not, die Menschen zur Flucht zwingt. Durch die Verknüpfung transozeanischer Migrationsbewegungen zwischen dem Indischen Ozean, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Atlantik offenbart ihre Lyrik den Ozean zugleich als Ort der Gewalt und des Verlusts sowie als Möglichkeitsraum der Neuverortung und Mobilität.
11.06.2025
Kunstvolle Grenzüberschreitungen in der Französischen Renaissance
Markus Rath
Die Ausschmückung des Château de Fontainebleau in den 1530er Jahren markiert einen Höhepunkt im genreübergreifenden Zusammenspiel der Künste, das mit dem Begriff des „Synagonismus“ („σύν“ - „zusammen”, „ἀγών“ - „Wettstreit”) gefasst werden kann. Die Migration von Künstlern und Stilen aus den südlichen Alpen und die von Franz I. geförderte Interaktion schufen eine Verschmelzung visueller Modi und künstlerischer Techniken. Besonders die reichen Stuckplastiken erzeugen im Zusammenspiel mit den Fresken und der Architektur ein grenzüberschreitendes Gesamtkunstwerk. Zeitgenössische Berichte deuten darauf hin, dass speziell mehrfach begabte Künstler ausgewählt wurden, um Werke zu schaffen, die die Grenze zwischen Malerei und Skulptur übertreten. Diese Zusammenarbeit umfasste sowohl die Dekoration des Palastes als auch ephemere Festdekorationen.
Der Vortrag stellt die Grande Galerie Franz I. und die darin vorgenommenen Grenzüberschreitungen ins Zentrum, um davon ausgehend weitere Transgressionen der Künste zu diskutieren.
18.06.2025
Grenzziehungspraktiken im #depressions-Diskurs auf X
Susanne Kabatnik
In sozialen Medien wie Twitter/X entstehen unter Hashtags eigene Diskussionsräume, in denen sich Menschen miteinander vernetzen, Erfahrungen austauschen und gegenseitig unterstützen. Doch wie zeigt sich, wer dazugehört – und wer nicht?
Der Vortrag gibt Einblicke in sprachliche Muster und Strategien, mit denen sich Nutzer*innen im Twitter-Raum #depression positionieren und Gemeinschaft schaffen. Untersucht werden über 900 Beiträge unter dem Hashtag #depression. Dabei zeigt sich, wie durch bestimmte sprachliche Mittel wie Mehrfach-Hashtags, direkte Adressierung, geteilte Erfahrungsberichte oder ironische Bezugnahmen eine kollektive Zugehörigkeit markiert und abgegrenzt wird.
Die Analyse verknüpft Methoden der Korpuslinguistik mit Ansätzen der Interaktionsanalyse und macht deutlich, wie digitale Räume durch Sprache strukturiert werden – und wie daraus soziale Dynamiken entstehen.
25.06.2025
10 Jahre kulturwissenschaftliche Grenzforschung in der Großregion. Ein Gespräch mit der AG Bordertexturen
UniGR-CBS
02.07.2025
Tod an der Grenze: Eine ethnografische Spurensuche
Gerhild Perl
Jedes Jahr sterben zahlreiche Menschen an den europäischen Außengrenzen, ihre Körper verschwinden im Meer oder werden namenlos auf Friedhöfen begraben, doch sie alle hinterlassen Spuren. Diesen Spuren folgend nimmt der Vortrag den Tod an der Grenze nicht als Endpunkt, sondern als Ausgangspunkt einer ethnographischen Analyse. Im Zentrum steht ein Bootsunglück in der Straße von Gibraltar im Jahr 2003, bei dem junge Männer aus einem kleinen marokkanischen Bergdorf ums Leben kamen. Ausgehend von einem anonymen Grab in Südspanien folgt der Vortrag den Spuren der Toten und versucht, die Welt, die mit ihnen begraben wurde, freizulegen. Im Fokus stehen sowohl staatliche Praktiken der Verantwortungsverschiebung und des Vergessens als auch zivilgesellschaftliche Akte der Sorge und Erinnerung. Der Vortrag zeigt, wie Grenzräume nicht nur Leben, sondern auch Formen des Sterbens und der Trauer hervorbringen - und wie diese Tode weiterwirken: als affektive Brüche, soziale Verwerfungen und ethische Zumutungen.
09.07.2025
Zwischen Nil und Rotem Meer: Das Zusammenleben von Ägyptern, Römern und ‚Barbaren‘ im Grenzraum des römischen Reiches
Patrick Reinard
Die ägyptische Ostwüste zwischen dem Nil und dem Roten Meer spielte eine zentrale Rolle im Indienhandel der Antike. Kamel- und Eselkarawanen durchquerten diesen peripheren Grenzraum und verbanden die Handelsrouten zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean. Fernhändler nutzten diese Wege, um wertvolle Güter wie Gewürze, Seide und Edelsteine zu transportieren. Dabei waren die Händler in aller Regel vermögende Römer, Nabatäer oder Palmyrener, während die Ägypter, d.h. die Bewohner des Niltals, lediglich als Spediteure oder Seefahrer indirekt partizipierten. Der intensive Handel führte auch zu Spannungen mit der indigenen, nomadisch lebenden Wüstenbevölkerung. Insbesondere der Zugang zu den wenigen Wasserstellen führte zu Konflikten. Zur Sicherung der Handelsrouten stationierte Rom militärische Einheiten entlang der Karawanenwege und errichtete befestigte Außenposten, die den Zugang zu Wasser, Nahrung etc. kontrollierten. Neben dem militärischen Druck machte Rom gegenüber den ‚Wüstenbarbaren‘ auch Integrationsangebote. Mit der Zeit kam es so zu einer schrittweisen Integration der nomadischen Gruppen in die Handels- und Schutzstrukturen des Imperiums, was die Stabilität der Region stärkte und den kulturellen Austausch förderte. Die skizzierten Entwicklungen werden einerseits durch die ökonomische Bedeutung des Indienhandels, andererseits durch naturräumliche und kulturelle Gegebenheiten der Grenzregion direkt beeinflusst.
Information on participating / attending:
Die Vorträge werden per Zoom gestreamt. Den Zoom-Link erhalten Sie nach einer kurzen Anmeldung per E-Mail an
s2leherm@uni-trier.de
Date:
04/23/2025 12:00 - 07/09/2025 14:00
Event venue:
Universität Trier
Universitätsring 15
Gebäude N, Raum N4
54296 Trier
Rheinland-Pfalz
Germany
Target group:
Scientists and scholars
Email address:
Relevance:
transregional, national
Subject areas:
Cultural sciences, Geosciences, Language / literature, Philosophy / ethics, Social studies
Types of events:
Presentation / colloquium / lecture
Entry:
04/10/2025
Sender/author:
Simon Thijs
Department:
Kommunikation & Marketing
Event is free:
yes
Language of the text:
German
URL of this event: http://idw-online.de/en/event79090
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).