idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
11/25/2009 11:14

Alte und Kinderlose kontra Junge und Eltern - Forscher weisen erstmals Verteilungskonflikte in sozialpolitischen Meinungen nach

Barbara Abrell Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

    Je älter ein Bundesbürger, desto weniger familienfreundlich ist die Politik, die er sich wünscht. Und desto eher will er ein Rentensystem, das die jüngere Generation stärker belastet. Gleichzeitig wollen Kinderlose weniger Unterstützung für Familien als Eltern. Diese Anzeichen für einen Verteilungskonflikt zwischen verschiedenen demografischen Gruppen, die sich bisher für Deutschland nicht empirisch untermauern ließen, haben Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock nun erstmals wissenschaftlich belegt.

    "Je älter man wird, desto weniger unterstützt man, dass öffentliche Gelder an Familien und Kinder fließen", sagt Harald Wilkoszewski, Autor der Studie "Age Trajectories of Social Policy Preferences". Darin hat der Politologe umfangreiche Befragungen ausgewertet. Ob Erhöhung des Kindergelds, Steuererleichterungen für Eltern oder staatliche Ausgaben für Kinderbetreuung - Alte sind seltener dafür als Jüngere: Dass ein 65-Jähriger eine Erhöhung des Kindergeldes befürwortet, ist um 85 Prozent weniger wahrscheinlich als das Einverständnis eines 20-Jährigen. Die Zustimmung zu flexibleren Arbeitszeiten für Eltern sinkt im gleichen Lebenszeitraum um 50 Prozent.

    Gegen mehr Unterstützung für Familie, für ein Rentensystem zu Lasten der Jungen

    Gleichzeitig sprechen sich Ältere vermehrt für Reformen des Rentensystems aus, die die jüngere Generation belasten: Keine Erhöhung des Rentenalters und Kürzung der Bezüge, dafür Steuererhöhungen zur Finanzierung der Rente und mehr finanzielle Unterstützung von Eltern durch ihre Kinder. Unter 65-Jährigen ist die Zustimmung zu einem solchen System um gut 70 Prozent häufiger als unter 20-Jährigen.

    Die Ergebnisse des Rostocker Forschers legen zudem nahe, dass bisherige, ökonomische Theorien zur Erklärung verteilungspolitischer Meinungen zu kurz greifen. Sie führen Alterseffekte auf die Abwägung wirtschaftlicher Eigeninteressen zurück. "Ebenso wichtig können altruistische Motivationen innerhalb der Familie sein", sagt Harald Wilkoszewski. Konkret: demografische Einflussfaktoren wie Elternschaft, Großelternschaft oder Ehe können die Alterseffekte überlagern und sogar verstärken.

    So neigen Kinderlose deutlich seltener dazu, etwa eine Erhöhung des Kindergeldes oder den Ausbau des Mutterschaftsurlaubs für wichtig zu halten: Wer keine Kinder hat, stimmt einer Erhöhung des Kindergelds mit 78 Prozent niedrigerer Wahrscheinlichkeit zu als Eltern. Flexiblere Arbeitszeiten für Eltern finden unter Kinderlosen um 50 Prozent weniger Zustimmung als unter Müttern und Vätern. Geht es um bessere Möglichkeiten für Teilzeitarbeit, beträgt der Unterschied sogar 60 Prozent.

    Bildung und Bundesland beeinflussen politische Einstellungen

    Die sozialpolitischen Einstellungen unterscheiden sich auch nach Bildung und Bundesland. Das ergab die Studie des Max-Planck-Forschers quasi als Nebeneffekt: Befragte mit Abitur stimmten einem höheren Kindergeld um 20 Prozent und einem Babybonus bei Geburt um 40 Prozent seltener zu als Befragte ohne Abitur. Und im Westen ist der Wunsch nach höherem Kindergeld nur halb so hoch wie in den neuen Bundesländern.

    "Die Politik sollte das Konfliktpotenzial, das sich in den sozialpolitischen Einstellungen von Alt und Jung, von Kinderlosen und Eltern andeutet, nicht weiter ignorieren", sagt Politologe Harald Wilkoszewski. Der Bevölkerungsanteil Kinderloser und Älterer werde in den kommenden Jahrzehnten durch den demografischen Wandel deutlich ansteigen, so dass diese Gruppen demokratisch an Macht gewinnen. "Politik muss stärker vermitteln, dass die jüngere Generation Solidarität braucht, damit staatliche Leistungen an sie auch zukünftig noch politisch durchsetzbar sind."

    Dass das Alter die Meinung zu generationsübergreifender Verteilungspolitik überhaupt beeinflusst, war in der Forschung bisher umstritten. Nur schwache Tendenzen ließen sich nachweisen. Die Solidarität zwischen Alt und Jung galt als der stärkere Effekt. Wilkoszewski analysierte nun groß angelegte Befragungen mit Hilfe neuer statistischer Methoden: die jeweils deutschen Teile des "Population and Policy Acceptance Survey" (PPAS) mit über 4.000 Befragten und des "Generation and Gender Survey" (GGS) mit über 10.000 Befragten.

    Originalveröffentlichung:

    Harald Wilkoszewski
    Age Trajectories of Social Policy Preferences
    MPIDR Working Paper, 20. November 2009

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    Harald Wilkoszewski (Autor der Studie)
    Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
    Tel.: +49 381 2081 - 205
    E-Mail: wilkoszewski@demogr.mpg.de

    Silvia Leek (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
    Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
    Tel.: +49 381 2081 - 143
    E-Mail: presse@demogr.mpg.de


    More information:

    http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/multimedial/mpForschung/2009/heft03/pd... - Das Alter - für die Politik kein Kinderspiel (MPF 3/2009)
    http://www.demogr.mpg.de/en/staff/wilkoszewski/default.htm - Weitere Publikationen von Harald Wilkoszewski


    Images

    Criteria of this press release:
    Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).