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04/25/2010 19:00

Genussraucher, Gelegenheitsraucher oder Kettenraucher - die Gene im Kopf geben den Takt vor

Constanze Steinke Pressearbeit
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Erblicher Einfluss auf das Rauchverhalten erstmals in den Nikotinrezeptoren nachgewiesen

    Das soziale Umfeld gibt in der Regel vor, ob junge Menschen den Weg zum Raucher einschlagen. Der Griff zur ersten Zigarette hängt also in hohem Maße vom Elternhaus, den Freunden und der beruflichen Situation ab. Mit Beginn des Nikotinkonsums übernimmt aber offensichtlich der Körper eine Dirigentenrolle.

    Ob Jugendliche zu Genussrauchern, Gelegenheitsrauchern oder auch Kettenrauchern mit besonders hohem Suchtpotenzial werden, steuern die Gene. Einem internationalen Forschungskonsortium mit Greifswalder Wissenschaftlern ist es gelungen, eine genetische Veranlagung der Abhängigkeit und des Rauchverhaltens in den Nikotinrezeptoren nachzuweisen. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature Genetics* veröffentlicht.

    Die Studie unter Koordination von Wissenschaftlern der Oxford University bestätigt damit jüngste Forschungsansätze, dass die Art und Weise des Rauchens mit erblich bedingt ist. Weltweit wurden 41.150 Menschen aus 20 Bevölkerungsgruppen untersucht, darunter 4.000 Probanden aus der SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania) des Forschungsverbundes Community Medicine. An der Studie waren die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, die Institute für Funktionelle Genomforschung, für Epidemiologie und Sozialmedizin sowie für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin und das Institut für Community Medicine der Universität Greifswald beteiligt.

    Der wesentliche Suchtstoff von Zigaretten, nämlich Nikotin, entfaltet im Gehirn innerhalb kürzester Zeit seine stimulierenden Effekte wie die Erhöhung von Aufmerksamkeit, Konzentration und kreativem Denken bei gleichzeitiger Beruhigung und Steigerung des Wohlbefindens über die Aktivierung von so genannten Nikotinrezeptoren. Diese befinden sich im Gehirn, nehmen die Suchtstoffe unmittelbar auf und setzen anschließend zügig „Glückshormone“ wie die Neurobotenstoffe Dopamin und Serotonin frei. „In der Tat konnte in dieser Studie nun erstmals nachgewiesen werden, dass die Anzahl der gerauchten Zigaretten pro Tag durch bestimmte Variationen in exakt diesen Genen der Nikotinrezeptoren beeinflusst wird“, erläuterte der Greifswalder Wissenschaftler Prof. Hans-Jörgen Grabe (43/Foto). Bislang sei man vor allem davon ausgegangen, dass das Suchtverhalten durch einen unterschiedlichen Abbau von Nikotin durch Enzyme in der Leber beeinflusst wird.
    „Die aktuellen Befunde waren über alle Untersuchungsgruppen hoch signifikant nachweisbar“, betonte Grabe. Die unterschiedliche genetische Veranlagung war dafür verantwortlich, wie viele Zigaretten am Tag durchschnittlich konsumiert wurden. Die Forschungsergebnisse können dazu beitragen, schneller Medikamente zu entwickeln, die gezielt diese Wirkmechanismen direkt an den Rezeptoren im Gehirn aufgreifen und die Suchtanfälligkeit vermindern.

    Rauchen stellt weltweit die Hauptursache für vermeidbare Ursachen von schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, Herzinfarkte und Gefäßerkrankungen dar. Weit mehr als eine Milliarde Menschen auf der Welt rauchen, Tendenz steigend. „Der Beginn des Rauchens ist jedoch vielmehr von psychosozialen als von genetischen Faktoren abhängig. Dies bedeutet, dass der primären Raucherprävention auf jeden Fall die größere Bedeutung zukommt, um zukünftig die fatalen gesundheitlichen Folgen des Rauchens effektiver einzudämmen“, so Grabe abschließend.

    *Nature Genetics, published online April 25, 2010
    Meta-analysis and imputation refines the association of 15q25 with smoking quantity
    DOI: 10.1038/ng.572 (http://dx.doi.org)

    140.000 Raucheropfer jedes Jahr in Deutschland

    Pro Jahr sterben etwa sechs Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, davon 140.000 in Deutschland. Die wirtschaftlichen Schäden belaufen sich global nach aktuellen Schätzungen auf eine halbe Billion Dollar jährlich. Rauchen ist die größte Einzelursache für Erkrankungen und vorzeitige Todesfälle in Europa. Raucher altern darüber hinaus generell schneller als Nicht-Raucher und verkürzen ihre Lebenserwartung um durchschnittlich sieben bis acht Jahre. Während in den modernen Industrienationen aufgrund von Antiraucherkampagnen von einem weiteren Rückgang an Rauchern ausgegangen wird, steigen die Zahlen in den Entwicklungsländern rasant an.
    Quellen: Welt-Tabak-Atlas 2009 (http://www.tabakkontrolle.de) und http://www.lungenaerzte-im-netz.de

    Forschungsschwerpunkt Nikotinmissbrauch

    Die wirksame Aufklärung über die nachhaltigen Risiken der Nikotinsucht ist eines der Schwerpunktthemen am Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Greifswald. Derzeit laufen mehrere Forschungsprojekte, die sich mit den Folgen des Rauchens in bestimmten Gesellschaftsgruppen befassen und eine verbesserte Aufklärungsarbeit zum Ziel haben. Das betrifft beispielsweise den Nikotinkonsum während der Schwangerschaft, nach der Geburt, im jugendlichen Alter und bei Frauen, die Hormonpräparate zur Schwangerschaftsverhütung nehmen. Die vorliegende Studie ist die erste interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich der Individualisierten Medizin.

    Weitere Informationen
    NATURE: http://www.nature.com/ng/index.html
    SHIP: http://www.medizin.uni-greifswald.de/cm/fv/ship.html
    GANI_MED: http://www.gani-med.de

    Universitätsklinikum Greifswald
    Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
    Ltd. Oberarzt: Prof. Dr. med. Hans-Jörgen Grabe
    Rostocker Chaussee 70, 17437 Stralsund
    T +49 3831-45 21 00
    Ellernholzstraße 1 - 2, 17475 Greifswald
    T +49 3834 86-68 93
    E grabeh@uni-greifswald.de
    http://www.klinikum.uni-greifswald.de


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    Prof. Dr. med. Hans-Jörgen Grabe
    Prof. Dr. med. Hans-Jörgen Grabe
    Foto: privat
    None


    Criteria of this press release:
    Biology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Prof. Dr. med. Hans-Jörgen Grabe


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