Adenoviren lösen Atemwegserkrankungen aus und sind für den Menschen gefährlicher als bisher angenommen wurde. Sie manipulieren Pförtner-Moleküle und dringen mit Hilfe der Wirtszelle in deren Zellkern ein. Ein Forschungsteam unter Leitung von Zellbiologen und Virologen der Universität Zürich konnte diesen Mechanismus erstmals im Detail nachweisen.
Sie sind ein Erfolgsmodell der Evolution, und es gibt sie seit Urzeiten: Viren. Viren sind enorm anpassungsfähig, doch sie haben ein Problem: Sie können sich nicht selbst vermehren, sondern schleusen ihre Gene in geeignete Wirtszellen ein. Bei manchen Viren muss die virale DNA zur Vermehrung in den Zellkern gelangen. Das ist seit bald 50 Jahren bekannt. Man weiss beispielsweise, dass das Adenovirus dazu in einem ersten Schritt seine Proteinhülle ablegt. Doch wie und wodurch die DNA enthüllt wird und sich in die Wirtszelle einschleust, blieb trotz jahrzehntelanger Forschung unbeantwortet.
Jetzt ist es einer Forschungsgruppe unter der Leitung von Urs Greber, Zellbiologe an der Universität Zürich, gelungen, diese Punkte zu klären. Wie die Wissenschaftler kürzlich im Magazin «Cell Host & Microbe» zeigen, benutzen Viren zelleigene Mechanismen. Das Adenovirus dockt an ein Pförtner-Molekül an, das am Kernporenkomplex in der Zellkernmembran sitzt und den Zugang in und aus dem Kern kontrolliert. Ein anderes Protein des Kernporenkomplexes bindet und aktiviert ein Motorprotein der Kinesin-Familie, das den Stofftransport in der Nähe des Kerns regelt.
Virus-DNA wird mit Hilfe der Wirtszelle enthüllt
«Das Motorprotein befindet sich in einem aktivierten Zustand, kann an Mikrotubuli binden und entlang der Mikrotubuli wandern», erklärt Professor Greber die Beobachtungen seines Teams. Und genau diese Situation nutzt das angedockte Virus für seine Zwecke. Das Virus bindet an das Kinesin und nützt so die Energie des Motors aus, um die eigene Hülle zu zerreissen. Die Virus-DNA wird dadurch enthüllt und ist bereit für den Transport in den Zellkern. Die Aktion des aktivierten Motors hat noch eine andere Wirkung: Die Zellkern-Pore reisst auf und wird markant vergrössert. Dadurch gelangt die virale DNA leichter in den Zellkern. Erstaunlicherweise repariert die Zelle die defekte Kernpore, sodass der Viruseinbruch in den Kern scheinbar keinen Schaden hinterlässt. Die virale DNA wird praktisch spurlos in den Kern eingeschleust und kann sich dort bequem vervielfältigen.
Für ihre Untersuchungen setzten die Forscher Adenoviren ein. Adenoviren lösen u.a. Atemwegserkrankungen oder epidemische Augenentzündungen aus. Sie galten bis vor kurzem für gesunde Menschen als vergleichsweise harmlos. Forschungsresultate einer andern Gruppe haben jedoch kürzlich gezeigt, dass ein neuartiges Adenovirus eine gefürchtete Zoonose auslöste. Es wurde also von einem Tier auf Menschen übertragen und verbreitete sich anschliessend von Mensch zu Mensch.
Literatur:
Sten Strunze, Martin F. Engelke, I-Hsuan Wang, Daniel Puntener, Karin Boucke, Sibylle Schleich, Michael Way, Philipp Schoenenberger, Christoph J. Burckhardt und Urs F. Greber: Kinesin-1-Mediated Capsid Disassembly and Disruption of the Nuclear Pore Complex Promote Virus Infection, in: Cell Host & Microbe 10, 15. September 2011, DOI: 10.1016/j.chom.2011.08.010
Kontakte:
Prof. Urs Greber
Institut für Molekulare Biologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 48 41
E-Mail: urs.greber@imls.uzh.ch
Beat Müller
Media Relations
Universität Zürich
Tel. +41 44 634 44 32
E-Mail: beat.mueller@kommunikation.uzh.ch
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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