Die komplexe Körpersprache der zellulären Eiweißfabrik
Ribosomen, die Bauplätze des Lebens, sind wesentlich komplexer als bisher angenommen. Sie ändern während der Produktion von Proteinen ständig spontan ihre Erscheinungsform. Dies konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik in Berlin und der Cornell University in New York jetzt erstmals mit Hilfe von speziellen elektronenmikroskopischen und biophysikalischen Methoden zeigen. Dieses bislang unbekannte Verhalten der Ribosomen ist wesentlich, um die spezifische Interaktion zwischen Ribosomen und Antibiotika besser analysieren zu können und bildet somit die Voraussetzung für ein besseres Verständnis der Wirkungsweise dieser Medikamente. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Molecular Cell“ publiziert.
Ribosomen sind als zelluläre Fabriken für die Herstellung von Eiweißen verantwortlich und bestimmen damit Funktion und Struktur aller biologischen Zellen. Der strukturelle und funktionale Aufbau dieser Moleküle ist im Laufe der Evolution sehr konstant geblieben. Beide bestehen aus einer großen und einer kleinen Untereinheit. Im Entstehungsprozess eines Eiweißes, der Translation, wird der Bauplan dieses Eiweißes, die sogenannte Boten-RNS (Ribonukleinsäure) wie ein Magnetfilm an der Nahtstelle zwischen den beiden Untereinheiten des Ribosoms abgelesen. Anschließend werden die Eiweiße kettenartig aus Aminosäuren aufgebaut. Leser der Boten-RNS und gleichzeitig Träger der Aminosäuren sind die Transfer-RNS. Diese transportieren die zum Aufbau der Eiweiße benötigten Aminosäuren solange zum Ort der Synthese, bis der Bauplan das Ende dieser Arbeit signalisiert. Damit ist der genetische Code, der in der Abfolge der Nukleinsäuren gespeichert ist, von der Nukleinsäurewelt in ein Produkt der Proteinwelt übersetzt worden. Die Funktionsweise von Ribosomen aus Bakterien (Lebewesen ohne einen Zellkern) ist bisher recht gut verstanden. Weitaus weniger ist über die Ribosomen aus Eukaryonten (alle Lebewesen mit einem Zellkern) und damit auch den Ribosomen des Menschen bekannt. Dabei sind Eukaryontische Ribosomen deutlich größer und komplexer.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Christian Spahn, Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Biophysik am Campus Charité Mitte, konnten nun zeigen, dass sowohl die L-förmige Transfer-RNS als auch die Ribosomen während des Translationsprozesses spontan zwischen unterschiedlichen Erscheinungsformen oszillieren. „Überraschend war für uns die Erkenntnis, dass während der bakteriellen Proteinbiosynthese und der bei den Eukaryonten sowohl bei der Ribosomen und den Transfer-RNA unterschiedliche Konformationen favorisiert werden. Dies weist auf divergierende Strategien in der Regulation der Eiweiß-Herstellung und ist somit Ansatz für die unterschiedliche Wirkweise von Antibiotika bei verschiedenen Spezies“, kommentiert Tatyana Budkevich, die Erstautorin der Studie ihre Ergebnisse.
*Budkevich T, Giesebrecht J, Altman RB, Munro JB, Mielke T, Nierhaus KH, Blanchard SC, Spahn CM. Structure and dynamics of the Mammalian ribosomal pretranslocation complex. Mol Cell. 2011 Oct 21;44(2):214-24. doi:10.1016/j.molcel.2011.07.040
Kontakt:
Prof. Christian Spahn
Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Biophysik
Campus Charité Mitte
t: +49 30 450 524 131
christian.spahn@charite.de
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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