idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/12/2013 16:01

Biochemie: Ein Ausknopf für den Zellalarm

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Zellen reagieren auf Stressfaktoren mit Alarmsignalen, die Reparaturmechanismen in Gang setzen. Wer diesen zellulären Notruf wieder abstellt, war bisher unbekannt. Nun wurden entsprechende Enzyme identifiziert - fehlen sie, ist eine schwere neurodegenerative Erkrankung die Folge.

    Schrillt ein Alarm, ist promptes Handeln gefragt - auch in der Zelle: Wenn unser Erbgut etwa durch Strahlung geschädigt wird, müssen die Schäden schnell beseitigt werden, entweder durch Reparatur oder durch die Einleitung des programmierten Zelltods. Verantwortlich dafür sind komplexe Signalwege, darunter die sogenannte ADP-Ribosylierung. Diese chemische Modifizierung vieler Proteine im Zellkern ist zurzeit das schnellste nach der Beschädigung der DNA messbare Signal.

    „Die ADP-Ribosylierung agiert sozusagen als Notruf und beeinflusst alle weiteren Schritte, die für die Beseitigung und Reparatur der Schäden verantwortlich sind“, sagt Professor Andreas Ladurner vom Adolf-Butenandt-Institut der LMU, der mit seinem Team die Mechanismen erforscht, die diesen zellulären Alarm auslösen. Mittlerweile konnten viele Moleküle identifiziert werden, die durch die ADP-Ribosylierung zur Schadensstelle gerufen werden und das Alarmsignal weitergeben. Genauso wichtig ist allerdings auch, dass nach erfolgtem Einsatz der Alarm abgestellt wird und die zelluläre Maschinerie wieder normal arbeiten kann. „Welche Enzyme dies bewirken war bisher völlig unbekannt“, so Ladurner, der mit seinem Team diese Lücke nun schließen konnte.

    In der Fachzeitschrift Nature Structural & Molecular Biology weisen die Forscher erstmals nach, dass drei menschliche Proteine der sogenannten Macrodomain-Familie die ADP-Ribosylierung rückgängig machen. Mithilfe von Röntgenstrukturanalysen konnten sie erklären wie diese Enzyme funktionieren und ähnlich arbeitende Proteine in vielen anderen Organismen identifizieren.

    Überraschend war für die Forscher, dass andere Mitglieder der Macrodomain-Familie die Modifizierung zwar erkennen, aber nicht entfernen. Das bedeutet, dass Mitglieder derselben Familie zunächst dafür verantwortlich sind, dass die ADP-Ribosylierung als Alarmsignal erkannt wird, während später andere Verwandte aus der Familie - die neuen Enzyme - dieses Signal beseitigen und signalisieren, dass das Problem behoben ist.

    Fehlendes Enzym verursacht tödliche Erbkrankheit

    Da die ADP-Ribosylierung in viele zelluläre Stressmechanismen eingreift, sind Veränderungen oder Fehler bei diesem Prozess auch medizinisch relevant. „In einer weiteren Studie, die wir gemeinsam mit englischen und amerikanischen Kollegen durchführten, konnten wir für mehrere Familien im Iran erstmals nachweisen, dass eine erbliche Krankheit, die bei Kindern zu einer progressiven Neurodegeneration bis hin zum Tod führt, auf das Fehlen eines der neu identifizierten Enzyme zurückzuführen ist“, sagt Dr. Gyula Timinszky, einer der korrespondierenden Autoren der im Fachjournal EMBO Journal veröffentlichten Studie und Gruppenleiter in Ladurners Team.

    Die Wissenschaftler vermuten, dass auch andere neurodegenerative Erkrankungen auf Defekte in der zellulären ADP-Ribosylierung zurückzuführen sind. Nachdem die neuen Enzyme und ihre Struktur identifiziert werden konnten, sollen nun die Mechanismen der ADP-Ribosylierung weiter aufgeklärt und im zellulären und klinischen Zusammenhang besser verstanden werden. „Kurz gesagt: Wir können erst jetzt die Enzyme benennen, die unser Arbeitsfeld seit 30 Jahren gesucht hat. Nun werden sich diese Signalwege ganz anders erforschen lassen“, schließt Ladurner. (göd)

    Publikationen:
    „A family of macrodomain proteins reverses cellular mono-ADP-ribosylation“
    Gytis Jankevicius, Markus Hassler, Barbara Golia, Vladimir Rybin, Martin Zacharias, Gyula Timinszky, Andreas G Ladurner
    Nature Structural & Molecular Biology, Advance Online Publication 10.3. 2013; doi:10.1038/nsmb.2523

    „Deficiency of terminal ADP-ribose protein glycohydrolase TARG1/C6orf130 in neurodegenerative disease“
    Reza Sharifi, Rosa Morra, C Denise Appel, Michael Tallis, Barry Chioza, Gytis Jankevicius, Michael A Simpson, Ivan Matic, Ege Ozkan, Barbara Golia, Matthew J Schellenberg, Ria Weston, Jason G Williams, Marianna N Rossi, Hamid Galehdari, Juno Krahn, Alexander Wan, Richard C Trembath, Andrew H Crosby, Dragana Ahel, Ron Hay, Andreas G Ladurner, Gyula Timinszky, R Scott Williams, Ivan Ahel
    The EMBO Journal (2013)
    doi:10.1038/emboj.2013.51

    Kontakt:
    Prof. Dr. Andreas Ladurner
    Chair of the Department of Physiological Chemistry
    Adolf Butenandt Institute for Physiological Chemistry
    Faculty of Medicine
    Telefon +49 89 2180 77095
    Telefax +49 89 2180 77093
    andreas.ladurner@med.uni-muenchen.de


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).