idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/03/2013 11:23

Stadien des ALS-Verlaufs identifiziert: Zellschädigendes Protein breitet sich über Axone aus

Annika Bingmann Pressestelle
Universität Ulm

    Bei ALS-Patienten wird das schädigende Protein TDP-43 offenbar von Neuron zu Neuron über Axone weitergegeben. In ihrem Fachartikel in "Annals of Neurology" beschreiben Forscher aus Ulm und Philadelphia weiterhin typische Schädigungsmuster im zentralen Nervensystem. Diese vorläufigen "Stadien" könnten dabei helfen, den Krankheitsverlauf besser zu verstehen.

    Bei der tödlichen Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) kommt es zu einem fortschreitenden Untergang der bewegungskontrollierenden Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark. Die Folge: zunehmende Lähmungen und schließlich der Tod – oft verursacht durch den Ausfall der Atemmuskulatur. Wie sich die Schädigung typischerweise im zentralen Nervensystem ausbreitet, haben Forscher aus Ulm und Philadelphia untersucht. In ihrem Fachartikel in „Annals of Neurology“ beschreiben sie, dass das Protein TDP-43 offenbar von Neuron zu Neuron weitergegeben wird. Dieses Eiweiß lagert sich bei der ALS in Nervenzellen ab. Bei ihren Untersuchungen konnten die Wissenschaftler typische Schädigungsmuster identifizieren – vom Motorcortex über weiter im Stirnhirn liegende Hirnregionen bis in den Schläfenlappen – und den Verlauf der neuropathologischen Veränderungen in Stadien einteilen. Die Erkenntnisse der Ulmer Forscher um Professor Heiko Braak, Dr. Dr. Kelly Del Tredici, Professor Johannes Brettschneider, sowie Professor Albert Ludolph helfen nicht nur, den Krankheitsverlauf besser zu verstehen. Sie könnten auch neue Ansatzpunkte für die bisher unbefriedigende medikamentöse Behandlung der ALS aufzeigen.

    Bereits 2006 hat die Gruppe um Professorin Virginia Lee und Professor John Trojanowski, Mitautoren des jetzt erschienenen Beitrags, TDP-43 als wichtigsten Bestandteil von Ablagerungen in Nervenzellen bei ALS-Patienten beschrieben: Das Eiweiß verursacht „Verklumpungen“ in der Zelle und führt schließlich zu ihrem Untergang. Jetzt konnte die deutsch-amerikanische Forschergruppe um den Ulmer Erstautoren Johannes Brettschneider zeigen, dass sich das Protein wohl über Axone – eine Art „Kabel“ zur Informationsweitergabe – im zentralen Nervensystem von Neuron zu Neuron ausbreitet. „Der typische von uns beobachtete Verlauf der Pathologie bei ALS vom Motorcortex über den Frontallappen könnte erklären, warum ein Teil der Patienten zusätzlich Symptome einer frontotemporalen Lobärdegeneration mit Demenz entwickelt“, sagt Johannes Brettschneider, Oberarzt an der Ulmer Universitätsklinik für Neurologie und Wissenschaftler am Zentrum für Biomedizinische Forschung. Jetzt könne man nach Wegen suchen, die Weitergabe des Proteins pharmakologisch zu unterbinden.

    Für den Fachartikel haben die Forscher Proben aus 22 Hirnregionen von 76 amerikanischen ALS-Patienten immunhistochemisch gefärbt und unter dem Mikroskop untersucht. Als weiteres wichtiges Ergebnis der Studie gelang es der Gruppe, den typischen Verlauf der ALS in vier vorläufige Stadien einzuteilen. Der Anatom Heiko Braak hat weltweit verwendete Stadien entwickelt, die eine Klassifikation des Verlaufs der neurodegenerativen Krankheiten Alzheimer und Parkinson ermöglichen. In einem nächsten Schritt gilt es, die ALS-Stadien bei lebenden Patienten zu erkennen und ihre Behandlung entsprechend auszurichten. „Dafür werden an unserer Klinik verschiedene Ansätze beforscht. So gibt es zum Beispiel Bemühungen, typische Schädigungen im Kernspintomographen zu identifizieren“, sagt Albert Ludolph, Ärztlicher Direktor der Ulmer Universitätsklinik für Neurologie.

    Pro Jahr erkranken etwa zwei bis drei von 100 000 Einwohnern an ALS. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Man unterscheidet eine spontan auftretende Form von der selteneren familiären ALS mit erblicher Komponente. Oft sterben Patienten drei bis fünf Jahre nach Krankheitsbeginn. Es gibt aber auch „Langzeitüberlebende“ wie den britischen Physikprofessor Stephen Hawking, den die Nervenkrankheit seit vielen Jahren an den Rollstuhl fesselt. Ein weiterer bekannter ALS-Patient war der Maler Jörg Immendorff.

    Die aktuelle Studie in Annals of Neurology wurde von den „National Institutes of Health“ (NIH), verschiedenen Stiftungen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Weiterführende Untersuchungen werden sich in das Anfang des Jahres gegründete Ulmer ALS-Forschungszentrum und das Virtuelle Institut der Helmholtz-Gemeinschaft „RNA Dysmetabolismus bei Amyotropher Lateralsklerose und Frontotemporaler Demenz“ einfügen. Die Ulmer Universitätsklinik für Neurologie ist in der ALS-Forschung führend und verfügt mit dem ALS-Register Schwaben über eine bedeutende Fallsammlung.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Johannes Brettschneider, johannes.brettschneider@uni-ulm.de
    Tel.: 0731-177-1200 (Sekretariat)

    Johannes Brettschneider, Kelly Del Tredici, Jon B. Toledo, John L. Robinson, David J. Irwin, Murray Grossman, EunRan Suh, Vivianna M. Van Deerlin, Elisabeth M. Wood, Young Baek, Linda Kwong, Edward B. Lee, Lauren Elman, Leo McCluskey, Lubin Fang, Simone Feldengut, Albert C. Ludolph, Virginia M.-Y. Lee, Heiko Braak and John Q. Trojanowski. Stages of pTDP-43 pathology in amyotrophic lateral sclerosis. Annals of Neurology. DOI: 10.1002/ana.23937


    Images

    Ulmer Autoren des Fachbeitrags (v.l.): Prof. Albert Ludolph, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie (RKU), Prof. Heiko Braak, Dr. Dr. Kelly Del Tredici-Braak und Prof. Johannes Brettschneider
    Ulmer Autoren des Fachbeitrags (v.l.): Prof. Albert Ludolph, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neur ...
    David Ewert
    None

    TDP-43 Ablagerungen in den für die Bewegung der Zunge zuständigen Hirnnervenkernen des Hirnstammms
    TDP-43 Ablagerungen in den für die Bewegung der Zunge zuständigen Hirnnervenkernen des Hirnstammms
    David Ewert
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Ulmer Autoren des Fachbeitrags (v.l.): Prof. Albert Ludolph, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie (RKU), Prof. Heiko Braak, Dr. Dr. Kelly Del Tredici-Braak und Prof. Johannes Brettschneider


    For download

    x

    TDP-43 Ablagerungen in den für die Bewegung der Zunge zuständigen Hirnnervenkernen des Hirnstammms


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).