idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/26/2014 07:44

Altsteinzeitlicher Fundplatz revidiert Konzepte zur Entstehung und Ausbreitung neuer Technologien

Daniela Holst Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit
Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) - Forschungsinstitut für Archäologie

    Eine heute im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichte Studie belegt, dass sich neue Technologien unabhängig voneinander und zeitparallel an verschiedenen Orten der Alten Welt entwickelten. Bislang wurde meist angenommen, dass sich Innovationen von einem einzigen Ursprungsort ausbreiteten.

    An der Studie des internationalen Forscherteams um Prof. Dan Adler (University of Connecticut) ist auch der Archäologe Dr. Olaf Jöris beteiligt, Wissenschaftlicher Kurator im Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS bei Neuwied.

    Steingeräteanalysen der rund 325.000 Jahre alten Fundstelle Nor Geghi 1 in Armenien zeigen, dass das Innovationspotential und die Flexibilität technologischer Konzepte früher Menschen bisher weit unterschätzt wurden. Für die frühen Phasen der Menschheitsgeschichte war man bislang davon ausgegangen, dass markante Verhaltensänderungen und technologischer Wandel eng an demographische Aspekte geknüpft sind. Technologische Neuerungen breiten sich demnach zusammen mit ihren Trägern von dem Ursprungsort einer Innovation in andere Teile der Welt aus. So ist die Faustkeil-Technologie in Afrika erstmals vor rund 1,75 Mio. Jahren belegt, tritt im Südwesten Asiens dann vor rund 1,5 Mio. auf, in Europa aber erst vor ca. 600-900.000 Jahren. Das Allzweckgerät bestimmt dann lange Zeit den „Werkzeugmarkt“. Erst vor etwa 300.000 Jahren treten neue Technologien in Erscheinung, unter denen die sogenannte Levallois-Methode besondere Verbreitung findet. Sie ersetzt die Faustkeilherstellung weitgehend und markiert dem Archäologen den Beginn einer neuen Epoche, des sogenannten Mittelpaläolithikums bzw. des Middle Stone Age in Afrika. Diese Zeit ist durch eine Reihe weiterer, umfassender Verhaltensänderungen charakterisiert.

    Die Levallois-Methode galt bislang meist als Erfindung früher anatomisch moderner Menschen in Afrika, wo sie vor rund 300.000 Jahren zuerst nachweisbar ist. Die aktuelle Studie belegt nun jedoch, dass Levallois-Konzepte an mehreren Orten unabhängig voneinander entwickelt wurden. Und zwar von unterschiedlichen Menschenarten: im westlichen Eurasien leben in dieser Zeit Neandertaler.

    An der Fundstelle Nor Geghi 1 treten erstmals in Eurasien Faustkeile zusammen mit Steingeräten auf, die à la Levallois hergestellt sind. Beide Konzepte werden zeitweise parallel genutzt. Offenbar wird die Levallois-Methode hier wie auch andernorts aus bestehenden Konzepten der Faustkeilherstellung entwickelt. Dies ist umso bedeutender, da die Grundprinzipien beider Technologien grundverschieden sind. Ihr Nebeneinander zeugt von einem völligen Umdenken:
    Bei der Herstellung von Faustkeilen wird ein großes Ausgangsstück (= der spätere Faustkeil) durch zahlreiche dünne Abschläge (= Abfall) beidflächig in die gewünschte Form gebracht.
    Bei der Levallois-Methode wird das Ausgangsstück rundum durch Abschläge in eine Form gebracht, die es erlaubt, schließlich einen in Größe und Morphologie gut vorherbestimmbaren, jedoch vergleichsweise kleinen Abschlag als Zielprodukt zu gewinnen. Diese Methode zeugt von abstrakter Planung durch eine mehrphasige Präparation.

    Schon die Rohmaterialauswahl in Nor Geghi 1 belegt diese planerische Voraussicht: Analysen der hier verwendeten Obsidiane beweisen, dass die Steine z.T. aus Quellen in über 120 km Entfernung stammen. „Die Landnutzungssysteme dieser Menschen waren offenbar größer und komplexer, als wir bisher dachten“, so Dr. Olaf Jöris (MONREPOS). „Wir erhalten hier ganz neue Einblicke in das Abstraktionsvermögen der Menschen und die Flexibilität, mit der sie technische Lösungen für ihren Alltag generierten. Eine Flexibilität, die im westlichen Eurasien über die folgenden 250 Jahrtausende das Leben der Neandertaler charakterisierte, während in Afrika vergleichbare Verhaltensweisen den frühen modernen Menschen kennzeichnen“.

    Publikation

    D.S. Adler, K.N. Wilkinson, S. Blockley, D.F. Mark, R. Pinhasi, B.A. Schmidt-Magee, S. Nahapetyan, C. Mallol, F. Berna, P.J. Glauberman, Y. Racynski-Henk, N. Wales, E. Frahm, O. Jöris, A. MacLeod, V.C. Smith, V.L. Cullen, B. Gasparian
    Early Levallois Technology and the Lower to Middle Paleolithic Transition in the Southern Caucasus
    Science Vol 345 Issue 6204, S.1609-1613, 26. September 2014

    Ansprechpartner

    Dr. Daniela Holst
    Wissenschaftskommunikation
    MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und
    Museum für menschliche Verhaltensevolution
    Schloss Monrepos
    56567 Neuwied
    Tel. 02631-977222
    E-Mail: holst(at)rgzm.de

    Dr. Olaf Jöris
    MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und
    Museum für menschliche Verhaltensevolution
    Schloss Monrepos
    56567 Neuwied
    Tel. 02631-977214
    E-Mail: joeris(at)rgzm.de

    MONREPOS ist eine Einrichtung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums,
    Forschungsinstitut für Archäologie, Mitglied der Leibniz Gemeinschaft
    www.monrepos-rgzm.de


    More information:

    http://web.rgzm.de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/pm/article/altsteinzeitli...


    Images

    Arbeiten an der Fundstelle Nor Geghi 1. Im Hintergrund ist die gut datierte Schichtenfolge des Fundplatzes erkennbar.
    Arbeiten an der Fundstelle Nor Geghi 1. Im Hintergrund ist die gut datierte Schichtenfolge des Fundp ...

    None

    Steingeräte von Nor Geghi 1. A: Faustkeile; B: Levallois-Kerne
    Steingeräte von Nor Geghi 1. A: Faustkeile; B: Levallois-Kerne
    Foto: Dan Adler, University of Connecticut
    None


    Attachment
    attachment icon Pressemitteilung als PDF-Dokument

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students
    History / archaeology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Arbeiten an der Fundstelle Nor Geghi 1. Im Hintergrund ist die gut datierte Schichtenfolge des Fundplatzes erkennbar.


    For download

    x

    Steingeräte von Nor Geghi 1. A: Faustkeile; B: Levallois-Kerne


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).