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25.02.2015 12:29

EU-Zulassungsverfahren für Fungizide schützt Bachökosysteme nicht ausreichend

Bernd Hegen Referat Öffentlichkeitsarbeit
Universität Koblenz-Landau

    Aquatische Pilze spielen für ein funktionierendes Bachökosystem eine zentrale Rolle. Allerdings gefährden in der Landwirtschaft eingesetzte Fungizide diese Pilze und somit auch die Nahrungsgrundlage für andere Lebewesen in Gewässern. Das könnte weitreichende ökologische Folgen haben. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Studien des Instituts für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Um das Gewässerökosystem ausreichend zu schützen, müssten während des Zulassungsverfahrens für Pilzbekämpfungsmittel geeignetere Testsysteme zum Einsatz kommen.

    Pilze haben in Bachökosystemen die zentrale ökologische Rolle, eingetragenes Laubmaterial „vorzuverdauen“ und dadurch die enthaltene Energie sowie die enthaltenen Nährstoffe für andere Wasserorganismen wie Insektenlarven oder Kleinkrebse verfügbar zu machen. Diese wiederum dienen unter anderem Fischen als Nahrung. Auch in angrenzende Landökosysteme liefern Bäche Energie und Nährstoffe, beispielsweise über den Schlupf von Insektenlarven, die ihrerseits Futter für Amphibien oder Fledermäuse sind. Werden die an der Basis der Nahrungskette stehenden Pilze gefährdet, kann sich dies daher über die ökologischen Ebenen hinweg auswirken.

    Die aktuell in Europa zugelassenen Fungizide beeinträchtigen aber aquatische Pilze in Konzentrationen, wie sie im Freiland anzutreffen sind, und gefährden somit die Nahrungsgrundlage in Gewässerökosystemen, so das Ergebnis der nun in „Environmental Science & Technology“ und „Journal of Applied Ecology“ erschienenen Studien. Untersucht haben die Landauer Umweltwissenschaftler zum einen die synthetischen, sprich künstlich erzeugten, Fungizide Azoxystrobin, Carbendazim, Cyprodinil, Quinoxyfen und Tebuconazol. Zudem testeten sie die anorganischen Pilzbekämpfungsmittel Kupfer und Schwefel, die zu den ältesten Fungiziden zählen und beide in Deutschland auch in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt werden. Die Landauer Forscher konnten zum einen zeigen, dass die untersuchten Fungizide Zusammensetzung und Wachstum der Pilzgemeinschaften auf Laub verändern können. Zudem wiesen sie nach, dass insbesondere Kupfer und Tebuconazol, das zu einer Wirkstoffgruppe gehört, die rund ein Fünftel aller in Europa zugelassenen Fungizide umfasst, bereits bei sehr niedrigen Konzentrationen die Abbauleistung der Pilze beeinträchtigen.

    „Die Ergebnisse der Studie zeigen eindeutig, dass die aktuelle Risikobewertung von Fungiziden in Europa Konzentrationen im Gewässer zulässt, die für aquatische Pilze nicht als sicher einzustufen sind“, erklärt Jochen Zubrod, der Erstautor der beiden Studien. „Obwohl aquatische Pilze für Bachökosysteme von grundlegender Bedeutung sind, wurde ihre Beeinflussung durch Fungizide bislang von Wissenschaft wie auch von regulatorischer Seite weitestgehend ignoriert“, so Zubrod weiter. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hatte bereits 2013 – als Reaktion auf eine frühere Landauer Studie – vorgeschlagen, geeignetere Testverfahren während des Zulassungsverfahrens von Fungiziden zu nutzen. Bislang ist das aber nicht verpflichtend und wird daher auch nicht praktiziert.

    In der landwirtschaftlichen Praxis ist Pilzkrankheiten nur schwer beizukommen, weshalb selbst in der ökologischen Landwirtschaft der Einsatz bestimmter Fungizide zulässig ist. Daher müsse dafür Sorge getragen werden, ausschließlich Fungizide einzusetzen, die neben den anderen Komponenten des Ökosystems auch aquatische Pilze und die von ihnen abhängigen Nahrungsnetze möglichst wenig belasten, so der Rat der Landauer Forscher.

    Die Studien:

    Synthetische Fungizide
    Die Studie „Does the current fungicide risk assessment provide sufficient protection for key drivers in aquatic ecosystem functioning?”, Jochen P. Zubrod, Dominic Englert, Alexander Feckler, Natalia Koksharova, Marco Konschak, Rebecca Bundschuh, Nadja Schnetzer, Katja Englert, Ralf Schulz, Mirco Bundschuh wurde publiziert in Environmental Science & Technology. Sie ist online abrufbar unter:
    http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es5050453

    Anorganische Fungizide
    Die Studie „Inorganic fungicides as routinely applied in organic and conventional agriculture can increase palatability but reduce microbial decomposition of leaf litter”, Jochen P. Zubrod, Alexander Feckler, Dominic Englert, Natalia Koksharova, Ricki R. Rosenfeldt, Frank Seitz, Ralf Schulz, Mirco Bundschuh wurde publiziert in Journal of Applied Ecology. Sie ist online abrufbar unter:
    http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.12393/abstract

    Kurzprofil Institut für Umweltwissenschaften Landau
    Das Institut für Umweltwissenschaften Landau betreibt grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung, in deren Fokus die vielfältigen Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt stehen. Das Institut vereint die Expertisen von neun interdisziplinären Arbeitsgruppen damit aktuelle Forschung vom Molekül über Ökosysteme bis zur menschlichen Gesellschaft. Das Institut für Umweltwissenschaften Landau wurde 2004 an der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau gegründet. Weitere Informationen: http://www.umwelt.uni-landau.de

    Kontakt:

    Universität Koblenz-Landau
    Jochen Zubrod
    Fortstraße 7
    76829 Landau
    Tel.: (06341) 280-31361
    E-Mail: zubrod@uni-landau.de

    Pressekontakt:

    Universität Koblenz-Landau
    Kerstin Theilmann
    Referatsleiterin Öffentlichkeitsarbeit
    Fortstraße 7
    76829 Landau
    Tel.: (06341) 280-32219
    E-Mail: theil@uni-koblenz-landau.de

    Ein hochauflösendes Bild schicken wir Ihnen auf Anfrage gerne zu (Kontakt: Kerstin Theilmann, theil@uni-koblenz-landau.de)


    Weitere Informationen:

    http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es5050453 Studie Synthetische Fungizide
    http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.12393/abstract Studie Anorganische Fungizide
    http://www.umwelt.uni-landau.de Homepage Institut


    Bilder

    Laub in Bächen liefert Energie und Nährstoffe für Wasserorganismen wie Insektenlarven oder Kleinkrebse.  Das Foto zeigt den Hainbach bei Frankweiler zur Zeit des Laubfalls.
    Laub in Bächen liefert Energie und Nährstoffe für Wasserorganismen wie Insektenlarven oder Kleinkreb ...
    Foto: Jochen Zubrod, Universität Koblenz-Landau
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Laub in Bächen liefert Energie und Nährstoffe für Wasserorganismen wie Insektenlarven oder Kleinkrebse. Das Foto zeigt den Hainbach bei Frankweiler zur Zeit des Laubfalls.


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