Die Geschichte Europas ist wesentlich christlich geprägt, und man kann, wo immer man geistig beheimatet ist, keine fundierte europäische Geschichte ohne Kirchengeschichte schreiben. Aber auch die Schuldgeschichte der Kirche, die Zerstörung Konstantinopels 1204 etwa oder der europäische Bürgerkrieg im 17. Jahrhundert unter den Fahnen der Konfessionen, haben sich tief ins kollektive Gedächtnis Europas eingeprägt. Nur wenn die Kirchen sich zur politischen Diakonie bekennen, stehlen sie sich nicht aus ihren geschichtlichen Erfahrungen und den daraus erwachsenen Verpflichtungen. Nur so werden sie ihrem Auftrag gerecht, Kirche für die Menschen, für die Welt zu sein.
Wie sieht es nun konkret aus mit der Präsenz der katholischen Kirche in Brüssel, dem Sitz der Europäischen Union? Bereits 1956, ein Jahr vor Unterzeichnung der Römischen Verträge, errichteten die Jesuiten ein Europa-Büro in Brüssel und in Straßburg. Im Jahr 1970 nahm der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen zu der Europäischen Gemeinschaft auf und richtete nach Entstehung der Europäischen Union eine eigenständige Nuntiatur bei der EU in Brüssel ein. Inzwischen hatten verschiedene kirchliche Institutionen, Orden und Verbände ebenfalls eigene Einrichtungen in Brüssel geschaffen. Schließlich errichteten die europäischen Bischofskonferenzen 1980 die "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (Commissio Episcopatuum Communitatis Europaeensis, ComECE) in Brüssel. Es ist eine Kommission delegierter Bischöfe aus den katholischen Bischofskonferenzen der Mitgliedsstaaten der EU. Im Brüsseler Sekretariat der ComECE sind 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sieben Mitgliedsstaaten tätig (Theologen, Juristen, Ökonomen und Politologen). Arbeitssprachen sind englisch, deutsch, französisch und italienisch). Die ComECE stellt ein Relais dar zwischen den Diözesen (in den Mitgliedsstaaten) und den politischen Institutionen. Die Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Brüsseler Einrichtungen der anderen christlichen Kirchen ist sehr gut und für die kirchliche Arbeit auf europäischer Ebene auch unverzichtbar.
Die wichtigsten Erfahrungen: Erst mit einiger Verzögerung haben die europäischen Institutionen auf die Präsenz der Kirchen in Brüssel zunehmend aufmerksam reagiert, insbesondere nach dem Fall der Berliner Mauer, als die Fragen nach der Wertegrundlage der angestrebten politischen Union an Gewicht und Brisanz zunahm. Immer deutlicher wird auch dies: Die Aufnahme von zehn osteuropäischen Ländern in die EU ist offensichtlich in den Köpfen vieler westlicher Menschen noch nicht recht vollzogen worden, wenn sie etwa von Europa sprechen, aber dabei vornehmlich an den westlichen Teil Europas denken. Auch gibt es offensichtlich noch viele geschichtliche Belastungen, die in Ost und West sehr unterschiedlich erinnert werden. Eine Aufarbeitung dieser untergründig wirksamen Vergangenheit und redliche Versöhnung erscheint unerlässlich. Die Kirchen können hier nicht abseits stehen.
Hinweise zur Teilnahme:
Termin:
30.11.2009 18:15 - 20:00
Veranstaltungsort:
Der Vortrag findet auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz im Hörsaal 7 (Forum) um 18.15 Uhr statt.
J.-J.-Becher-Weg
55128 Mainz
Rheinland-Pfalz
Deutschland
Zielgruppe:
Studierende, Wissenschaftler
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht, Religion
Arten:
Eintrag:
12.11.2009
Absender:
Stefanie Wiehl
Abteilung:
Geschäftsführung / Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event29457
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