Protestantische Fürstinnen und Regentinnen haben beträchtlichen Einfluss auf die Religionspolitik ihrer Territorien ausgeübt. Bekannte Beispiele diese eigenständigen Handelns sind die lutherische Reformationsfürstin Elisabeth von Brandenburg (1510–1558), aber auch die reformierte Fürstin Dorothea Maria von Sachsen-Weimar, geb. von Anhalt (1574–1617). Ihr Todestag wurde als Gründungstag der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ ausgegeben, welche wiederum als lutherisch-reformierte Sammlungsbewegung mitteldeutscher Reichsfürsten gilt. Viele Fürstinnen spielten in der Religionspolitik eine aktive Rolle, die nicht nur von politischem Kalkül, sondern von religiösem Engagement getragen war. In den innerprotestantischen Kontroversen, die nach Luthers Tod (1546) im Gefolge des Interims (1548) aufbrachen, traten Herrschaftsträgerinnen als Schutzherrinnen „ihrer“ Theologen auf, und nahmen Partei im Streit um theologische Positionierungen. Fürstinnen verfassten sogar eigene Bekenntnisse, so etwa Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544–1592). Auch im Kontext protestantischer Einigungsbestrebungen im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts spielten Herrscherinnen eine wichtige Rolle. Eine der prominentesten unter ihnen dürfte Elisabeth I. von England (1533–1603) gewesen sein, auf die Protestanten in ganz Europa große Hoffnungen setzen. Als Politikerinnen mit europaweiten oder „nur“ auf das eigene Wittum bezogenen Interessen, aber auch als Gestalterinnen höfischer Realitäten, etwa durch Prinzenerziehung oder Heiratspolitik, trugen Frauen in Herrschaftspositionen zur Religionspolitik der protestantischen Territorien im 16. Jahrhundert bei.
Die interdisziplinäre Tagung beleuchtet in Einzelstudien und durch übergreifende Perspektiven den bislang wenig erforschten den Anteil von Herrschaftsträgerinnen an den Kontroversen um Bekenntnisinhalte, bei der Formulierung von Bekenntnistexten und an der Entstehung der Corpora Doctrinae im „langen“ Reformationsjahrhundert.
Unter den Reformationshandschriften der Forschungsbibliothek Gotha befinden sich bislang unbekannte oder wenig rezipierte Quellen zur Religionspolitik zahlreicher evangelischer Herrschaftsträgerinnen im 16. Jahrhundert. Einige dieser Quellen werden in Beiträgen zum Symposion vorgestellt und können im Rahmen einer Bibliotheksführung besichtigt werden.
Das Kolloquium wird durchgeführt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung.
Tagungsleitung
Dr. Vera von der Osten-Sacken (IEG Mainz)
Dr. Daniel Gehrt (Forschungsbibliothek Gotha)
Tagungsprogramm:
Donnerstag, 24.03.2011
14:00-14:30
Irene Dingel (Mainz), Kathrin Paasch (Gotha): Begrüßung
Vera v. der Osten-Sacken (Mainz), Daniel Gehrt (Gotha): Einleitung
Sektion I:
Kommunikation, Familie und Hofkultur
Moderation: Vera von der Osten-Sacken (Mainz)
14:30-15:00
Anne-Simone Knöfel (Gotha): Fürstinnen als Ehestifterinnen im konfessionellen Zeitalter.
15:00-15:30
Daniel Gehrt (Gotha): Herzogin Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544-1592) und die Bewahrung dynastischer Identität. Mütterlicher Einfluss auf die religiöse Erziehung Prinz Friedrich Wilhelms im Spiegel seiner Bibliothek
Moderation: Daniel Gehrt (Gotha)
16:00-16:30
Dörthe Buchhester (Greifswald): "das fürstliche Frauenzimmer und junge herrschafft belanget": Maria von Sachsen (1515-1583) als Erzieherin am pommerschen Hof
16:30-17:00
Courtnay Konshuh (Bonn): Herzogin Katharina von Sachsen (1487-1561) im Spannungsfeld zwischen Familien- und Religionspolitik
Moderation: Stephan Michel (Jena)
17:30-18:00
Rosemarie Lühr / Daniela Prutscher (beide Jena): Genderbedingte Kommunikationsnetze frühneuzeitlicher Fürstinnen im mitteldeutschen Raum
18:00-18:30
Matthias Müller (Mainz): Die mythische Heldin als Fürstin – die Fürstin als mythische Heldin. Spuren eines Rollenbildes protestantischer Fürstinnen in der Malerei Lucas Cranachs
Öffentlicher Abendvortrag
19:15
Heide Wunder (Kassel): Fürstinnen und Konfession im 16. Jahrhundert
Freitag, 25.03.2011
Sektion II: Pflege der Erinnerung
Moderation: Bettina Braun (Mainz)
9:30-10:00
Ernst Koch (Jena): Herzogin Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544-1592) und die Pflege der Memoria ihres Gemahls
10:00-10:30
Tarald Rasmussen (Oslo): Lutherische Fürstinnen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts in der Memoria-Kultur: Grabdenkmäler und Leichenpredigten
Sektion III: Dichterinnen und Mäzeninnen
Moderation: Luka Ilic (Philadelphia, PA / Mainz)
11:00-11:30
Ute Gause (Bochum): Passionsfrömmigkeit als Bekenntnis – die junge Henriette Catherine Freyin von Friesen (1648-1726)
11:30-12:00
Inge Mager (Hamburg): Das Vermächtnis der Laientheologin Elisabeth von Calenberg-Göttingen für ihre Untertanen und für ihre Kinder
12:00-12:30
Andreas Waczkat (Göttingen): Sophie Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg: Ihre geistlichen Dichtungen und Lieder in ihrer Beziehung zu Heinrich Schütz
Führung durch die Forschungsbibliothek
14:00-15:30
Kathrin Paasch (Gotha): Führung mit Einblicken in die Forschungsbibliothek und ihre Bestände
Sektion IV: Politische Handlungsmöglichkeiten
Moderation: N.N.
15:30-16:00
Vera Faßhauer (Jena): Die Herzoginwitwe Dorothea Maria von Sachsen-Weimar (1574–1617) als Verfechterin dynastischer Interessen
16:00-16:30
Bettina Braun (Mainz): Die Pfälzer Kurfürstinnen – Gestalterinnen oder Randfiguren einer wechselvollen Religionspolitik?
Sektion V: „Landesmütter“ und Religionspolitikerinnen
Moderation: Stephan Michel (Jena)
17:00-17:30
Siegfried Bräuer (Berlin): "... gleich sowohl Fleisch und Blut wie ein anderer Mensch". Herzogin Sibylle von Sachsen in den Briefen an ihren gefangenen Mann (1547-1552)
17:30-18:00
Katrin Keller (Wien): Zur Rolle der Kurfürstin Anna von Sachsen (1532-1585) in der sächsischen Konfessionspolitik
18:00-18:30
David Scott Gehring (Madison, WI): Foedus et Fractio: Queen Elizabeth, The Formula of Concord, and the Protestant Cause
Samstag, 26.03.2011
Sektion VI: Witwen und religionspolitischer Konflikt
Moderation: Joachim Berger (Mainz)
9:30-10:00
Vera von der Osten-Sacken (Mainz): Herzogin Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544-1592) und die ernestinischen "Exules"
10:00-10:30
Hendrikje Carius (Erfurt): Religionspolitik und Recht. Zur Herrschaftspraxis der Herzoginwitwe Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544-1592)
Moderation:
11:00-11:30
Lothar Berndorff (Berlin): "Und sind für uns selbst aus Gottes Wort unterrichtet, was wir wissen, was wir glauben und wie wir unsere Kinder unterrichten sollen". Margarethe von Mansfeld und der Streit um das Ius Patronatus (1573-1575)
11:30-12:00
Siegrid Westphal (Osnabrück): Die Witwe Pfalzgräfin Anna von Pfalz-Neuburg (1552-1632) und die Auseinandersetzung mit ihrem Sohn über die Rekatholisierung der Pfalzgrafschaft
12.00-12.30
Irene Dingel (Mainz): Resümee
Abschlussdiskussion und Ende der Tagung
Hinweise zur Teilnahme:
Anmeldung und Kontakt
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Um Anmeldung bis zum 11. März 2011 wird gebeten an:
Dr. Daniel Gehrt
Forschungsbibliothek Gotha
Schloss Friedenstein, 99867 Gotha
Tel.: (+49) (0)361-7375554
Fax: (+49) (0)361-7375539
Mail: Daniel.Gehrt@uni-erfurt.de
Termin:
24.03.2011 ab 14:00 - 26.03.2011 13:00
Anmeldeschluss:
11.03.2011
Veranstaltungsort:
Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha
Schloß Friedenstein
99867 Gotha
Thüringen
Deutschland
Zielgruppe:
Studierende, Wissenschaftler
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Gesellschaft, Politik, Religion
Arten:
Vortrag / Kolloquium / Vorlesung
Eintrag:
24.02.2011
Absender:
Stefanie Wiehl
Abteilung:
Geschäftsführung / Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event34351
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