idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store

Veranstaltung


institutionlogo


30.05.2011 - 01.06.2011 | Istanbul

Häfen und Hafenstädte im östlichen Mittelmeerraum von der Antike bis in byzantinische Zeit.

Internationale und interdisziplinäre Tagung in Istanbul zu neuen Entdeckungen und aktuellen Forschungsansätzen.

Städte, Städtebau und zuletzt auch "Stadtkultur" gehören zu den zentralen Forschungsfeldern der Klassischen und der Byzantinischen Archäologie sowie der Altertumswissenschaften insgesamt. Griechisch-römische Urbanistik ist ein Schwerpunktthema der archäologischen Bauforschung, und die dezidiert kulturhistorische Ausrichtung weiter Teile der archäologischen Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten hat zahlreiche Studien zu Städten als Lebensraum hervorgebracht. Vor diesem Hintergrund überrascht es, daß die Hafenstadt als Sonderform und zugleich als besonders charakteristische Erscheinung antiker und byzantinischer Stadtkultur bisher kaum Aufmerksamkeit erfahren hat. Dies um so mehr, als bedeutende antike Zentren wie z.B. Karthago, Milet, Smyrna, Ephesos, Byzanz-Konstantinopel oder Alexandria Hafenstädte waren. Andere Metropolen wie Athen, Pergamon, Antiochia oder Rom verfügten über maritime Satelliten, die das Desiderat eines fehlenden Zugangs zum Meer ausgleichen sollten.

Für die Vernachlässigung des Phänomens "Hafenstadt" in der archäologischen Forschung lassen sich unterschiedliche Gründe anführen. Zahlreiche antike Hafenstädte sind aufgrund von Verlandung und Veränderungen in den Küstenverläufen heute nicht mehr unmittelbar als solche zu erkennen. Auch wenn die Existenz von Häfen an diesen Orten seit langem bekannt ist, bleibt doch in vielen Fällen der Eindruck einer Binnensiedlung bestehen und prägt auch die wissenschaftliche Wahrnehmung der Orte. Dies kann dazu führen, daß die Küstenlage einer Stadt und deren Orientierung auf den Hauptverkehrs- und Kommunikationsweg Meer nicht als vorrangige Analysekategorie und Deutungsoption präsent ist. Demzufolge wird bei der Untersuchung von Hafenstädten als Schnittstellen zwischen Land und Wasser die Anbindung der Siedlung ans Meer häufig weniger intensiv gewürdigt. Und tatsächlich ist die räumliche Bezugnahme einer Stadt auf das sie umgebende Land mit Stadttoren oder Tormonumenten, gräbergesäumten Ausfallstraßen und extraurbanen Heiligtümern archäologisch weitaus evidenter als die häufig schlecht erhaltenen, schwer nachweisbaren und typologisch nicht umfassend kategorisierten bzw. kategorisierbaren Hafenbauten.

Damit soll freilich nicht suggeriert werden, daß sich die archäologischen Wissenschaften nicht für die maritimen Aspekte antiker Kulturen interessieren würden. So wird die prägende Bedeutung des Mittelmeers als Kulturraum bei der Beschäftigung mit dem Transfer von Menschen, Gütern und Ideen durchaus berücksichtigt, und es liegen dementsprechend umfangreiche Forschungen zu Handel und Wirtschaft, Transportwesen und Kommunikation vor. Demgegenüber haben die Einrichtungen, die diese Interaktionen erst ermöglichen, wesentlich weniger Aufmerksamkeit erfahren. Hinzu kommt, daß sich die Beschäftigung mit Schiffahrt und Hafenanlagen zu eigenen Spezialdisziplinen entwickelt haben, deren Diskurse und Resultate in den Kerngebieten der klassischen und byzantinischen Archäologie kaum noch wahrgenommen werden. Ähnliches gilt für die mittlerweile umfangreichen Ergebnisse der Geographie und Geoarchäologie zu Küstenverläufen und anderen naturräumlichen Voraussetzungen für die Entstehung von Häfen und Hafenstädten, deren Berücksichtigung auch für die antike Urbanistik großes Potential bietet. Was somit fehlt, ist die ganzheitliche Betrachtung von Hafenstädten und maritimen Netzwerken in größeren räumlichen und architektonischen Rahmen.

Aus diesem ambivalenten Forschungsstand, der von Detailuntersuchungen zu Häfen und Hafenbauten auf der einen, dem Mangel an deren Analyse in übergeordneten stadt- und naturräumlichen Kontexten auf der anderen Seite gekennzeichnet ist, ergibt sich die spezifische Zielsetzung des Kolloquiums: Die Diskussion von Häfen und Hafenbauten als Elemente übergeordneter städtischer und landschaftlicher Räume unter funktionalen und symbolischen Gesichtspunkten. Wesentliche Fragen in diesem Zusammenhang betreffen die Lage und Gestaltung von Häfen und Hafenanlagen als Elemente des Städtebaus in antiker und byzantinischer Zeit, ihren Stellenwert in der politischen und wirtschaftlichen Organisation der Städte, die Bedeutung der Gestaltung von Hafenanlagen für die Wahrnehmung des Verkehrs-, Kommunikations- und Militärraumes "Meer", die Rolle von Häfen und Hafenstädten bei der Ausprägung von Mikroregionen und übergeordneten Netzwerken sowie die bewußte Auseinandersetzung des Menschen mit naturräumlichen Gegebenheiten bei der Anlage, Gestaltung und Pflege von Häfen. Innerhalb der aktuellen Forschungen zu antiken und byzantinischen Häfen repräsentiert das Kolloquium somit einen Ansatz, der über Spezialuntersuchungen zu technischen, ökonomischen oder geographischen Aspekten des Themas hinaus führt und Häfen und Hafenstädte als kulturgeschichtliches Phänomen des östlichen Mittelmeerraumes in antiker und byzantinischer Zeit zu erfassen sucht. Dabei ist ein interdisziplinäres Vorgehen, wie es von dem hier beantragten Kolloquium forciert wird, unerläßlich. Denn die ganzheitliche Betrachtung von Häfen und Hafenstädten als kulturgeschichtliches Phänomen kann nur in der engen Zusammenarbeit von archäologischen, historischen, geographischen und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen gelingen. Auch in diesem Punkt bietet das beantragte Kolloquium erhebliches Innovationspotential.

Die Konzentration der Veranstaltung auf den östlichen Mittelmeerraum in antiker und byzantinischer Zeit ermöglicht es, die Entwicklung von Häfen und Hafenstädten unter den sich im Hellenismus, der römischen Kaiserzeit und dem byzantinischen Reich verändernden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen über knapp zwei Jahrtausende zu verfolgen und nach Kontinuitäten und Brüchen zu fragen. Diese relative Homogenität der historischen Rahmenbedingungen wäre bei Einbeziehung des westlichen Mittelmeerraumes nicht mehr gegeben. Die Begrenzung des Kolloquiums auf den östlichen Mittelmeerraum ist aber auch dem Forschungsstand geschuldet, der für das westliche Mittelmeer in letzter Zeit größere Fortschritte zu verzeichnen hat. Die Konzentration auf den Osten und dabei insbesondere auf die Türkei trägt aber auch der besonderen Dynamik Rechnung, die gerade hier auf dem Gebiet der Hafenforschung in den letzten Jahren zu verzeichnen ist. In diesem Zusammenhang seien nur die spektakulären Grabungen in den byzantinischen Häfen Istanbuls im Zuge der Bauarbeiten für das Marmaray-Projekt oder die Entdeckung eines kaiserzeitlichen Leuchtturms in Patara erwähnt. Diese überregional bedeutenden Befunde einem internationalen altertumswissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen, ist ein weiteres wesentliches Anliegen der beantragten Tagung und unterscheidet sie von anderen Hafen-Kolloquien der jüngsten Zeit. In der bewußt gewählten Kombination neuer Projekte mit übergeordneten Forschungsansätzen soll es gelingen, Denkanstöße zu liefern und am Ende der Veranstaltung einen Katalog von Fragen und Methoden zu formulieren, die in Zukunft den Austausch zwischen verschiedenen Projekten und Forschungsansätzen erleichtern sollen.

Die Tagung findet in Kooperation zwischen dem Deutschen Archäologischen Institut, Istanbul, dem Koç University’s Research Center for Anatolian Civilizations (RCAC), dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum, Abteilung für Ancient Navigation, dem Austrian Archaeological Institute, und den Istanbul Archaeology Museums.
Gefördert von der Fritz-Thyssen-Stiftung und der Ephesus Foundation.

Hinweise zur Teilnahme:

Termin:

30.05.2011 ab 08:30 - 01.06.2011 20:00

Veranstaltungsort:

Koç University RCAC Istanbul, DAI Istanbul, Archaeological Museum Istanbul
34437 Istanbul
Türkei

Zielgruppe:

Journalisten, Wissenschaftler

Relevanz:

international

Sachgebiete:

Bauwesen / Architektur, Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Meer / Klima, Verkehr / Transport

Arten:

Konferenz / Symposion / (Jahres-)Tagung

Eintrag:

18.05.2011

Absender:

Nicole Kehrer

Abteilung:

Pressestelle

Veranstaltung ist kostenlos:

ja

Textsprache:

Englisch

URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event35473

Anhang
attachment icon Tagungsprogramm

Hilfe

Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
Verknüpfungen

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

Klammern

Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

Wortgruppen

Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

Auswahlkriterien

Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).