Eine zentrale Frage des Workshops wird daher lauten: Welchen Einfluss besaßen die Kategorien Unwissen und Missverständnisse im vormodernen Friedensprozess?
Außerdem lädt das IEG im Rahmen des Workshops am Mittwoch, 11. April um 18 Uhr zum öffentlichen Vortrag von Prof. Dr. Martin Kintzinger (Münster) ein. Der Vortrag behandelt das Thema »Ignorantia diplomatica. Konstruktives Nichtwissen in der Zeit des Hundertjährigen Krieges«.
Über Unwissen, Missverstand und Ignoranz wurde schon in der Frühen Neuzeit in Diplomatie, Völkerrecht und auch Philosophie reflektiert. Und die Kategorien des Unwissens waren und sind noch heute durchaus präsent: Bei der Amnestie geht es beispielsweise um bewusstes Vergessen, Geheimartikel sollen die Transparenz von Inhalten und Kenntnissen steuern, Missverstand ist eine häufig in Präambeln aufgeführte Begründungsmetapher. Auf Friedensverhandlungen fand sowohl der Austausch von Kenntnissen, Information und Fehlinformation als auch von positiv oder negativ konnotierten Bildern statt – Bilder, die sich die Verhandlungspartner voneinander machten, aber auch Vorstellungen von den Ursachen der Konflikte und Erwartungshaltungen, Denk- und Handlungstraditionen sowie Vertrauen und Misstrauen der Vertragspartner untereinander spielten dort hinein. Missverständnisse entstehen und entstanden nicht zuletzt durch Translationsdefizite.
Es sind hierbei verschiedene Ebenen zu unterscheiden: Die völkerrechtliche und zwischenstaatliche Ebene des Vermittlers, der zwischen Vertragsparteien moderiert; die diplomatische Ebene des Gesandten, der die Instruktionen seines Fürsten (seiner Regierung) umsetzt, und die philologische Ebene des Dolmetschers, der sich dem sprachlichen Transfer von Texten widmet. Dass die europäische Diplomatie die Gefahr von Missverständnissen und Fehlinterpretationen einkalkulierte, zeigen eine Reihe von zwischenstaatlichen Verträgen und Artikeln, in denen eine Interpretationshilfe vereinbart wurde oder die Ergebnisse bereits abgeschlossener Friedensverträge nochmals – gewissermaßen mit anderen Worten – auf eigens einberufenen Kongressen fixiert wurden. Dass sprachliche und sonstige kulturelle Missverständnisse nicht nur im interkulturellen Verkehr – etwa zwischen westeuropäischen und osmanischen Vertragspartnern – auftreten konnte, zeigen die Akten und Unterlagen des Westfälischen Friedens von 1648, die Acta Pacis Westphalicae (APW), die auch Verständigungsprobleme innerhalb der französischen Diplomatie benennt. Sogar Instruktionen, so formal sie auch gestaltet sein konnten, ließen mitunter mehrere Deutungsoptionen zu.
Der Workshop will die Kategorien des Unwissens und der Missverständnisse näher beleuchten und diskutieren, ob sie als Ursachen für das Scheitern der vormodernen dynastischen Regierungen und Gemeinwesen Europas Frieden herzustellen herangezogen, oder inwieweit sie zu den friedensstiftenden Instrumenten gerechnet werden können? Die Veranstaltung reflektiert einen Teilaspekt, mit dem sich das Mainzer Teilprojekt des Verbundes »Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess. Europa 1450-1789«, geleitet von Prof. em. Dr. Dr. Heinz Duchhardt und Dr. Martin Espenhorst, beschäftigt. Das Projekt selbst sowie die Veranstaltung werden gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Hinweise zur Teilnahme:
Eine Anmeldung zum Vortrag ist nicht erforderlich. Die Teilnahme sowohl am Vortrag als auch am Workshop ist kostenfrei.
Termin:
11.04.2012 19:00 - 21:00
Veranstaltungsort:
Leibniz-Institut für Europäische Geschichte
Alte Universitätsstr. 19
Konferenzraum, 1. OG
55116 Mainz
Rheinland-Pfalz
Deutschland
Zielgruppe:
Studierende, Wissenschaftler
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Geschichte / Archäologie
Arten:
Vortrag / Kolloquium / Vorlesung
Eintrag:
24.02.2012
Absender:
Stefanie Wiehl
Abteilung:
Geschäftsführung / Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event38756
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