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26.06.2012 - 26.06.2012 | Kassel

Treffpunkt Eulensaal: Gestohlen - Verloren - Restituiert

Unter dem Titel "Gestohlen – verloren – restituiert" widmet sich am 26. Juni die Vortragsreihe "Treffpunkt Eulensaal" der wechselhaften Geschichte des historischen Buchbestands der Landes- und Murhardschen Bibliothek im 20. Jahrhundert.

Zentrale Themen der diesjährigen dOCUMENTA (13) sind Zusammenbruch und Wiederaufbau. Zwei künstlerische Arbeiten im Museum Fridericianum befassen sich vor diesem Hintergrund mit der Geschichte des Gebäudes und der dort bis 1941 beheimateten Landesbibliothek. Mariam Ghanis Videoinstallation erläutert die Geschichte des Museum Fridericianum im Kontrast zum Dar ul-Aman- (Wohnsitz des Friedens-) Palast in Kabul. Michael Rakowitz hat Artefakte und eine Rauminstallation einiger der verlorenen und zerstörten Handschriftenschätze der Landesbibliothek geschaffen. Das ist Anlass für die Universitätsbibliothek Kassel, auf die Geschichte ihrer Gebäude und Bestände im 20. Jahrhundert zu blicken.

Verlust und Rückgewinnung prägen auch das Schicksal der Kasseler Büchersammlungen. Unermesslich wertvolle Buch- und Handschriftenbestände wurden durch das Bombardement Kassels 1941 und 1943 vernichtet. Zuerst traf es das Museum Fridericianum, das seit 1913 ausschließlich von der Landesbibliothek genutzt wurde. Unter den Bibliotheksnutzern war auch Hans Jürgen von der Wense, der kurz und bündig 1932 schrieb: „Bibliothek feudal. Lese alles über Hessen“. Es war wirklich alles über Hessen dort, die Druckschriftensammlung gehörte zu den bedeutendsten Deutschlands, die Handschriftensammlung war herausragend und weltberühmt.

Es wurden zwar bereits am 2. September 1939 einige der wichtigsten Handschriften in einen Kasseler Banktresor und später aus Kassel an Auslagerungsorte, vor allem in Bad Wildungen und in die Nähe von Wanfried (heute: Werra-Meißner-Kreis), gebracht. Dort wurden aber viele Schätze gestohlen oder verschwanden spurlos. Bis heute bleiben Handschriften verloren, von deren Existenz an verborgenen Orten die Bibliothekare überzeugt sind. Denn bis in die jüngste Vergangenheit tauchen einzelne Schätze wieder auf.

Viele spannende Geschichten ranken sich um diese Verluste und Wiederbeschaffungen, z.B. des Hildebrandliedes, des Willehalm-Codex oder des Gebetbuchs von Johann Albrecht von Brandenburg. Die bedeutenden Buchmalereien dieses Gebetbuchs hingen beispielsweise einzeln gerahmt jahrelang im Geschäft eines Teppichhändlers in Boston. Einiges bleibt bis heute verschollen, beispielsweise die herausragende Kasseler Grimm-Sammlung. Von ihr tauchten in den letzten drei Jahren bei unterschiedlichen Personen aber ein Brief Jacob Grimms und zwei Erstausgaben auf. Bei dem Brief handelt es sich um das Bewerbungsschreiben um die Stelle des stellvertretenden Bibliotheksleiters und damit des gerade als Anhänger Napoleons entlassenen Friedrich Murhard, des späteren Stifters der Murhardschen Bibliothek.

Im brennenden Gebäude des Museum Fridericianum fielen etwa 85 Prozent der Druckschriften dem Feuer zum Opfer. Die im Keller in Stahlschränken lagernden nicht ausgelagerten Handschriften waren stundenlang großer Hitze ausgesetzt. In der Installation von Michael Rakowitz wird ein Gebetbuch ausgestellt, das diesem Inferno ausgesetzt war und die Form einer Halskrause angenommen hat. Es ist zum Symbol für die Verwüstungen des Krieges geworden.

Schlimm traf es auch das Gebäude der Murhardschen Bibliothek. Im Bombenhagel der schrecklichen Brandnacht vom 22. auf den 23. Oktober 1943 fielen etwa 70 Prozent der Bestände dem Feuer zum Opfer, ausgerechnet unter anderem derjenige Teil, der dem Stiftungszweck entsprach, nämlich die Staatswissenschaften. Aber auch Wunder gab es. So ist die 1903 der Murhardschen Bibliothek geschenkte Bibliothek des Landrabbis Prager erhalten geblieben. Vor den Nationalsozialisten von den Bibliothekaren der Murhardschen Bibliothek versteckt, überdauerte diese bedeutende Sammlung hebräischer Druckschriften die Zerstörungen.

In den Vorträgen mit Lichtbildern werden einige der spannenden und traurigen Geschichten der Kasseler Büchersammlungen erläutert. Der Leitende Bibliotheksdirektor Dr. Axel Halle wird einen Überblick in Anknüpfung an die o.g. dOCUMENTA (13)-Kunstwerke geben. Der Leiter der Handschriftenabteilung, Dr. Konrad Wiedemann, wird anhand einiger Beispiele ausgelagerter Handschriften deren Wiederbeschaffung und Verlust vorstellen. Professor Dr. Holger Ehrhardt, Inhaber der Brüder-Grimm-Stiftungsprofessur der Universität Kassel, wird über die verschollene Kasseler Grimm-Sammlung berichten.
Info:
Dr. Axel Halle
Universitätsbibliothek Kassel
Tel.: 0561/804-3726
E-Mail: direktion@bibliothek.uni-kassel.de

Dr. Konrad Wiedemann
Universitätsbibliothek Kassel
Handschriftenabteilung
Tel.: 0561/804-7340
E-Mail: kowi@bibliothek.uni-kassel.de

Dr. Holger Ehrhardt
Universität Kassel
Fachbereich 02 - Germanistik
Tel.: 0561/804-7455
E-Mail: holger.ehrhardt@uni-kassel.de

Hinweise zur Teilnahme:

Termin:

26.06.2012 18:00 - 20:00

Veranstaltungsort:

Eulensaal der Landes- und Murhardschen Bibliothek
Brüder-Grimm-Platz 4a
34117 Kassel
Hessen
Deutschland

Zielgruppe:

Wissenschaftler, jedermann

Relevanz:

überregional

Sachgebiete:

Geschichte / Archäologie, Kunst / Design

Arten:

Seminar / Workshop / Diskussion, Vortrag / Kolloquium / Vorlesung

Eintrag:

20.06.2012

Absender:

Christine Mandel

Abteilung:

Kommunikation, Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Veranstaltung ist kostenlos:

ja

Textsprache:

Deutsch

URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event40150


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