Gibt es so etwas wie Kollektivsucht? Kennen wir Sucht als genuin gesellschaftliches Phänomen? Was bedeutet es, wenn man von der "addictive society" spricht? Ganz unabhängig vom Abhängigkeitssyndrom der Einzelmenschen können soziale Prozesse selbst die Merkmale von Suchtverhalten aufweisen. Wenn es so etwas wie nicht-individuelle, also kollektive und kommunikative Steigerungszwänge gibt, dann ist nicht primär die Gier der Banker das Problem, sondern man muss nach den spezifischen gesellschaftlichen Suchtmechanismen suchen, die solche impersonalen Abhängigkeitssyndrome erzeugen.
Der Vortrag schlägt einen Bogen von selbstschädigenden Wiederholungs- und Steigerungszwängen sozialer Systeme über den Moment der Beinahe-Katastrophe bis hin zu Neuorientierungen, die nicht von außen durch staatliche Regulierungen bewirkt werden können, sondern nur durch Wandlungen ihrer "inneren Konstitution". Mit Derrida könnte man von "äußerst kapillaren Verfassungen der Diskurse" sprechen, auf die sich die Transformation richten muss, weil sie, nur sie – und nicht die "kapitalen" Verfassungen der Staatenwelt – das Innenleben der sozialen Körper selbst bis in die feinsten Blutgefäße hinein regulieren.
Um die jüngste globale Finanzkrise, aber auch andere gesellschaftliche Krisen, zu verstehen, sollte man sich nicht allein auf Faktorenanalysen verlassen, sondern nach selbstdestruktiven Steigerungszwängen von Informationsflüssen – vulgo Suchtphänomenen – suchen. "Hit the bottom" bezeichnet den "konstitutionellen Moment", in dem entweder die Katastrophe eintritt oder gesamtgesellschaftliche Änderungskräfte von solcher Intensität mobilisiert werden, dass sich unter ihrem Druck die "innere Konstitution" der Wirtschaft ändert.
Das Konzept der Vollgeldreform ist eines unter mehreren Beispielen, an dem sich eine innere Konstitutionalisierung der globalen Wirtschaft, deren Wirkungen weder durch nationale noch durch transnationale Interventionen der Staatenwelt erreicht werden können, deutlich machen lässt.
Prof. em. Dr. Gunther Teubner ist Professor für Privatrecht und Rechtssoziologie; Principal Investigator, Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" an der Goethe-Universität Frankfurt und Professor am International University College, Turin.
Prof. Dr. Heinz Bude, Soziologe; Leiter des Arbeitsbereichs "Die Gesellschaft der Bundesrepublik" des Hamburger Instituts für Sozialforschung und Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel
Hinweise zur Teilnahme:
Ort: Studio, Schaubühne am Lehniner Platz, Kurfürstendamm 153, Berlin
Beginn: 19.30 Uhr
Eintritt: 2,50 €, Ermäßigungsberechtigte frei
Termin:
12.11.2012 19:30 - 21:30
Veranstaltungsort:
Ort: Studio, Schaubühne am Lehniner Platz, Kurfürstendamm 153, Berlin
10709 Berlin
Hamburg
Deutschland
Zielgruppe:
jedermann
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Gesellschaft, Politik
Arten:
Vortrag / Kolloquium / Vorlesung
Eintrag:
13.09.2012
Absender:
Dr. Regine Klose-Wolf
Abteilung:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
nein
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event40894
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