Die viel beschworene und von der Politik mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit Deutschlands geforderte „Internationalisierung“ der deutschen Universitäten ist in den letzten Jahren mit einer zunehmenden Reduzierung der existierenden Sprachenvielfalt einhergegangen. Die englische Sprache dominiert in Vorträgen und Veröffentlichungen. Nur noch 1 % der naturwissenschaftlichen Publikationen erscheinen auf Deutsch (Quelle: Ulrich Ammon, 2010 F&L). Zahlreiche Studiengänge werden bereits ausschließlich auf Englisch durchgeführt. Als eine Folge sind immer weniger Schüler bereit, mehr als eine Fremdsprache zu lernen.
Angesichts dieser Entwicklung verfassten die deutschen Wissenschaftsorganisationen einerseits und der Europäische Rat andererseits in der jüngsten Vergangenheit Appelle, die Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft zu bewahren und zu befördern. Eine einzige „Lingua franca“ bietet zwar viele Vorteile: Sie gewährleistet die Verständigung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Nationen und zwingt sie dazu, komplexe Sachverhalte auf ein allgemeinverständli-ches Maß zu komprimieren. Sprachliche Barrieren werden abgebaut. Und schließlich gab es in der Geschichte immer eine wissenschaftliche Verständigungssprache: Zuerst Griechisch, dann Latein, in der Neuzeit Französisch und heute Englisch.
Die Befürworter der Mehrsprachigkeit verweisen umgekehrt aber auf ähnlich überzeugende Argu-mente: Die Einfachheit des in der Realität verwendeten „Pidgin-Englisch“ erlaube gar keine ange-messene Kommunikation komplexer wissenschaftlicher Sachverhalte. Die länderspezifischen Tradi-tionen gingen außerdem zwangsläufig verloren, wenn ihre Sekundärliteratur nicht mehr gelesen werde. Mehrsprachigkeit könne hingegen für Interkulturalität sensibilisieren.
Wohin wird sich die wissenschaftliche „Community“ bewegen? Kehren wir ins Mittelalter zurück, indem nun zwar nicht mehr Latein, dafür aber Englisch gesprochen wird? Können wir aus histori-schen Entwicklungen Lehren für heute ziehen? Welche Vor- und Nachteile hat eine Einheits-sprache in einer multipolaren Welt? Kommt eine kritische Begriffsbildung nicht erst durch den schwierigen Übersetzungsprozess zustande? Was sollte zukünftigen Wissenschaftlergenerationen geraten werden? Zu einer Diskussion dieser und weiterer Fragen laden wir Sie herzlich ein. Ein Umtrunk im Anschluss gibt Gelegenheit zu weiterem Gedankenaustausch und Nachfragen.
Über diese Fragen diskutieren:
Dr. Jens Boysen, Deutsches Historisches Institut Warschau, Max Weber Stiftung
Prof. Dr. Dr. h. c. Evamarie Hey-Hawkins, Universität Leipzig,
Prof. Dr. Jürgen Jost, Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig,
Prof. Dr. Jürgen Trabant, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Prof. Dr. Gisela Trommsdorff, Universität Konstanz.
Es moderiert Dr. Ulrike Burgwinkel (Deutschlandfunk).
Hintergrund
Geisteswissenschaft im Dialog ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Schirmherrin ist die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Prof. Dr. Johanna Wanka.
Die Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland ist eine bundes-unmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts. Sie fördert die Forschung mit Schwerpunkten auf den Gebieten der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften und forscht dezentral. Derzeit unterhält sie zehn Institute mit Standorten in Beirut, Istanbul, Kairo, London, Moskau, Neu-Delhi, Paris, Rom, Tokio, War-schau und Washington. Mit ihren weltweit tätigen Instituten leistet die Max Weber Stiftung einen wesentli-chen Beitrag zur Verständigung und Vernetzung zwischen Deutschland und den Gastländern bzw. -regionen. Indem sie sowohl den Dialog der Fachkulturen fördert als auch Beschäftigte aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammenbringt, verstärkt sie die Internationali-sierung der Forschung in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften.
Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von acht Wissen-schaftsakademien. Sie vereint mehr als 1.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen, die zu den national und international herausragenden Vertretern ihrer Disziplinen gehören. Gemeinsam engagieren sie sich für wissenschaftlichen Austausch, exzellente Forschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert mit dem Akademienprogramm das größte geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungs-programm der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus organisiert die Akademienunion gemeinsame Veranstaltungen ihrer Mitgliedsakademien (Akademientag) und beteiligt sich an der wissenschaftsba-sierten Politik- und Gesellschaftsberatung.
Die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig wurde 1846 als Königlich Sächsische Ge-sellschaft der Wissenschaften gegründet. So steht die heutige Sächsische Akademie der Wissenschaften wie ihre Schwestereinrichtungen in der Tradition des von Leibniz geprägten Akademiegedankens, theoriam cum praxi zu verbinden. Mehr als 200 Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen treffen sich regelmäßig zum Meinungsaustausch, erörtern im interdisziplinären Gespräch Methoden und Ergebnisse der Spezialforschung und widmen sich der langfristigen Grundlagenforschung. Die Sächsische Akademie wählt ihre Ordentlichen Mitglieder aus den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu. Sie betreibt – meist in enger Kooperation mit Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen – zur Zeit mehr als 20 Forschungsvorhaben, vor allem im geisteswissenschaftlichen, aber auch im natur- und technikwissenschaftlichen Bereich.
Hinweise zur Teilnahme:
Der Eintritt ist frei, die Plätze sind jedoch begrenzt.
Termin:
06.02.2015 18:30 - 21:00
Anmeldeschluss:
04.02.2015
Veranstaltungsort:
Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Karl-Tauchnitz-Str. 1
04107 Leipzig
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
Zielgruppe:
Journalisten, jedermann
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften
Arten:
Seminar / Workshop / Diskussion
Eintrag:
20.01.2015
Absender:
Joachim Turré
Abteilung:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event49716
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