Wie verändert sich unser Bewusstsein, wenn wir wissen, dass jede unserer physischen Bewegungen endlos archiviert werden kann, für lange Zeit auffindbar und abrufbar ist? Welche psychischen und physiologischen Auswirkungen hat die über die digitalen Medien jederzeit mögliche Datenspeicherung und Überwachung?
Zur Beantwortung dieser Fragen rekurriert der Wissenschaftshistoriker Peter Galison auf das Wissen der Psychoanalyse, auf die in der »Traumdeutung« analysierten Verdrängungsmechanismen, die Sigmund Freud »Zensur« nannte: in Analogie zu den im Ersten Weltkrieg gängigen Praktiken der Überwachung und Geheimhaltung. In unserem Zeitalter der Vorherrschaft elektronischer Kommunikationsmittel hat diese »Selbstzensur« eine andere Dimension angenommen. Wir wissen: Staatliche Geheimdienste, Sicherheitsunternehmen, Kommunikationsplattformen und auch soziale Netzwerke sind in der Lage, »digitale Identitäten« zu identifizieren und individuelle Verhaltensweisen zu prognostizieren.
Was wir nicht genau wissen: wie sich künftig die von Freud seinerzeit analysierten Strategien der Verdrängung und Selbstzensur unter den Bedingungen von Big Data auf unser kommunikatives Denken und Empfinden auswirken werden. Wird sich ein anderes »Selbst« formieren? Wird es ein Aufbegehren des Verschwiegenen und Unterdrückten geben?
Peter Galison ist Professor für Wissenschaftsgeschichte und Physik an der Harvard University, zuvor in Stanford, School of Philosophy and Science; im Grenzgebiet der Künste und Wissenschaften zahlreiche Projekte, auch in Deutschland, »Iconoclash« ( ZKM Karlsruhe 2002), mit William Kentridge »The Refusal of Time« (Kasseler Documenta 2012), Filme u. a mit Robb Moss »Secrecy« (2008); neuere Veröffentlichungen u.a. »Einstein’s Clocks. Poincaré’s Maps« (2003), mit Lorraine Daston »Objectivity« (deutsch 2007), »Einstein for the 21st Century. His Legacy in Science, Art, and Modern Culture« (hg. 2008).
Die Mosse-Lectures sind ein interdisziplinär und international angelegtes Forschungs- und Veranstaltungsprojekt, gegründet 1997 von dem Historiker George L. Mosse und dem Literaturwissenschaftler Klaus Scherpe. Mit ihrem Wahlspruch zur »Öffentlichkeit von Kultur und Wissenschaft« erinnern die Mosse-Lectures an die Geschichte und das Erbe der deutsch-jüdischen Familie Mosse, insbesondere an die Tradition des von Rudolf Mosse gegründeten Verlagshauses, das mit seinem Flagschiff des liberalen »Berliner Tageblatt« großen Einfluss hatte auf die demokratische Öffentlichkeit der Weimarer Republik. Nachkommen der Familie hielten im Exil und bis in die Gegenwart mit ihrem politischen und philanthropischen Engagement an dieser Tradition fest. Dafür steht insbesondere das Werk des 1999 verstorbenen Historikers des Faschismus, George L. Mosse, der mit seinem Vortrag »Das liberale Erbe und die national-sozialistische Öffentlichkeit« am 14. Mai 1997 die Veranstaltungsreihe eröffnete. Mehr als 150 Vorträgen wurden seitdem in den Mosse-Lectures gehalten.
Hinweise zur Teilnahme:
Termin:
05.11.2015 ab 19:15
Veranstaltungsort:
Humboldt-Universität zu Berlin
Hauptgebäude; Senatssaal
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Berlin
Deutschland
Zielgruppe:
jedermann
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
regional
Sachgebiete:
Gesellschaft, Informationstechnik, Psychologie
Arten:
Vortrag / Kolloquium / Vorlesung
Eintrag:
02.11.2015
Absender:
Ibou Diop
Abteilung:
Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event52493
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