Auf zauberische Weise sind Geheimnisse der Stoff, aus dem die Literatur besteht. Schriftsteller eignen sich Geheimnisse an und machen sie öffentlich. Aber nur, wenn es ihren Werken gelingt, auf eine andere, nämlich genuin literarische Weise wiederum neues Geheimnis zu schaffen, wird echte Literatur daraus. Das unterscheidet sie von der Unterhaltungsliteratur, die zwanghaft danach strebt, bis zur letzten Seite jeden Zweifel auszuräumen. Literatur ist ein geheimnisvolles Gefäß für Ambivalenzen, Unklares und Wider-sprüchliches. Wie man mit Sprache Geheimnisse rahmen und erzeugen kann, will der Vortrag von Eva Menasse anhand von Beispielen zeigen. Er wird versuchen, das Geheimnis in der Literatur vom Rätsel zu unterscheiden, er wird Fragen von Camouflage und Buddenbrooks-Effekt zumindest streifen, und er wird aus der persönlichen Schreiberfahrung berichten, wieviel ein Autor über seine Figuren wirklich weiß und was ihm selbst bis zuletzt aus gutem Grund verborgen bleibt.
In dem anschließenden Gespräch soll es zudem um die Frage gehen, inwiefern die so verstandene Literatur eine Vorstellung von Geheimnissen behütet und erweitert, die in der hyper-transparenten Welt der Über-wachung abhandengekommen ist. Mit dem Geheimnis verknüpft sich nicht allein das notwendig Ver-borgene, sondern auch das Private, Intime, Unsichere, und damit womöglich auch das Verzeihliche. Was für eine Gesellschaft ist das, in der das Geheimnis und alles, was mit ihm verbunden ist, keinen Raum und keinen Schutz mehr erhält? Was für Deformationen des Menschlichen und der menschlichen Beziehung ergeben sich aus der Allianz von freiwilliger Transparenz und unfreiwilliger Überwachung?
Eva Menasse, Österreichische Journalistin und Schriftstellerin, im Jahr 2000 erschien ihr Bericht Der Holocaust vor Gericht, ihre Romane wurden in mehrere Sprachen übersetzt: Vienna (2005), Lässlische Todsünden (2009), Quasikristalle (2013); 2015 erschien ein Band mit Essays Lieber aufgeregt als abgeklärt.
Carolin Emcke, freie Journalistin und Autorin, Reportagen aus Krisengebieten für Die Zeit, Kolumnistin der Süddeutschen Zeitung, Gastdozentin an verschiedenen Universitäten, Buchpublikationen u.a. Von den Kriegen. Briefe an Freunde (2004), Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF (2008), Wie wir begehren (2012), Weil es sagbar ist. Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit (2013).
Die Mosse-Lectures an der Humboldt-Universität zu Berlin sind ein interdisziplinär und international angelegtes Forschungs- und Veranstaltungsprojekt, gegründet 1997 von dem Historiker George L. Mosse und dem Literaturwissenschaftler Klaus Scherpe. Mit ihrem Wahlspruch zur »Öffentlichkeit von Kultur und Wissenschaft« erinnern die Mosse-Lectures an die Geschichte und das Erbe der deutsch-jüdischen Familie Mosse, insbesondere an die Tradition des von Rudolf Mosse gegründeten Verlagshauses, das mit seinem Flagschiff des liberalen »Berliner Tageblatt« großen Einfluss hatte auf die demokratische Öffentlichkeit der Weimarer Republik. Nachkommen der Familie hielten im Exil und bis in die Gegenwart mit ihrem politischen und philanthropischen Engagement an dieser Tradition fest. Dafür steht insbesondere das Werk des 1999 verstorbenen Historikers des Faschismus, George L. Mosse, der mit seinem Vortrag »Das liberale Erbe und die national-sozialistische Öffentlichkeit« am 14. Mai 1997 die Veranstaltungsreihe eröffnete. Mehr als 150 Vorträgen wurden seitdem in den Mosse-Lectures gehalten.
Hinweise zur Teilnahme:
Termin:
04.02.2016 ab 19:00
Veranstaltungsort:
Humboldt-Universität zu Berlin
Hauptgebäude, Senatssaal
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Berlin
Deutschland
Zielgruppe:
jedermann
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur
Arten:
Vortrag / Kolloquium / Vorlesung
Eintrag:
19.01.2016
Absender:
Ibou Diop
Abteilung:
Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event53097
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