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Veranstaltung



05.04.2016 - 08.04.2016 | Wolfenbüttel

Biographien des Buches

Wenn Dinge eine Lebensgeschichte haben, trifft dies besonders auf das alte Buch und die mittelalterliche Handschrift zu. Im Rahmen des Forschungsverbunds MWW greift die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel die Frage des Anthropologen Igor Kopytoff nach der Biographie von Dingen auf und stellt die Lebensgeschichte und materielle Kultur des Buches ins Zentrum der internationalen Tagung, die mit einem Vortrag des Literaturwissenschaftlers William H. Sherman (London) eröffnet wird.

Die Objektgeschichte verstanden als Biographie rückt die von materiellen, kommunikativen und praxeologischen Wechselfällen gekennzeichneten Karrieren des Buches ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Physische Verfasstheit und Struktur des alten Buches liefern materielle Befunde, deren mikrohistorische Betrachtung Auskunft über den wechselhaften Lebenslauf des Exemplars geben kann. Biographien von Dingen sind selten linear mit der Zunahme oder dem Verlust von Bedeutung verknüpft. Eingebettet in den spezifischen soziokulturellen Kontext erfolgen Wertschätzung und Abwertung in Abhängigkeit von Erwartungen, Wünschen und Versprechungen.

In der Forschung zur materiellen Kultur wird die Wahrnehmung von Objekten nicht mehr aus der alleinigen Verfügbarkeit durch den Menschen betrachtet. Vielmehr wird den Dingen Handlungsmacht zugeschrieben, die sie als aktive Elemente in kulturellen Konstellationen erscheinen lässt. Im Rahmen des Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel (MWW, http://www.mww-forschung.de) greift die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB, http://www.hab.de) die Frage des Anthropologen Igor Kopytoff nach der Biographie von Dingen auf und stellt die Lebensgeschichte und materielle Kultur des Buches ins Zentrum der Vorträge und Diskussionen im Rahmen der internationalen Tagung.

Drucke und Handschriften sind stets in Handlungszusammenhänge eingebettet und besitzen hinsichtlich ihrer Bedeutung und ihres praktischen Nutzens einen offenen, dynamischen Charakter. Im Umgang mit Büchern vollziehen sich daher unterschiedlichste Prozesse der Aneignung, Zuschreibung, Umnutzung und Musealisierung. In diesem Prozess ändern Buchobjekte sowohl ihre materielle Gestalt als auch ihre materielle Bedeutung. Sie werden zu Aufzeichnungsgeräten, Erinnerungsträgern und Symbolen. Buchobjekte stellen soziale Beziehungen her, verkörpern Identitäten und können in Geschenkbeziehungen zu unveräußerbaren Besitztümern werden.

Der Wert und der Gebrauch eines Buchobjektes sind an den Zeitgeist, lokale Bedingungen und individuelle Intentionen gebunden. Vor diesem Hintergrund verändern Neurahmungen die Bewertungen und Nutzungen. Das einzelne Buch erweist sich dabei nicht selten als produktiver Ort, an dem Texte und Bilder ergänzt, verändert und getilgt werden. In der Überführung vom Markt in eine Sammlung erfährt die Ware Buch intensive Modifikationen ihres Gebrauchs- und Tauschwerts.

Bei der Aufnahme in eine neue Bibliothek verändert sich der Charakter eines Buchobjekts in Abhängigkeit vom Ensemble seiner Buchnachbarschaften. Durch seinen Inhalt und seine Herkunft ist das Buch in eine Wissensordnung eingefügt, die unterschiedliche Repräsentations- und Gedächtnisfunktionen besitzt.

Werden der Sammlung keine Bücher mehr hinzugefügt und diese dadurch zu einem musealen, historischen Bestand vergangener Wissensordnungen transformiert, verändert sich auch das Aussage- und Erkenntnispotenzial des einzelnen Buchobjektes. Es kann zu einem physischen Relikt alter Klassifikations- und Wissenssysteme und zu einem historischen Forschungsgegenstand werden; es kann aber auch seinen Wert als Schriftstück vollständig einbüßen, in Vergessenheit geraten, zu einem Fetisch nationaler Erinnerungskultur oder zu einer kostbaren Zimelie werden.

Eröffnet wird die Tagung am Dienstag, 5. April 2016, um 17.30 Uhr mit einem Vortrag von William H. Sherman, Literaturwissenschaftler und Leiter der Forschungsabteilung des Victoria & Albert Museums in London. Den Abschlussvortrag hält die Buchwissenschaftlerin Ursula Rautenberg am Freitag, 8. April 2016, um 12.15 Uhr.

Hinweise zur Teilnahme:
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos. Anmeldungen erbeten unter forschung@hab.de.

Termin:

05.04.2016 ab 17:30 - 08.04.2016 13:15

Veranstaltungsort:

Bibliotheca Augusta, Lessingplatz 1
38304 Wolfenbüttel
Niedersachsen
Deutschland

Zielgruppe:

Wissenschaftler, jedermann

E-Mail-Adresse:

Relevanz:

international

Sachgebiete:

Geschichte / Archäologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur

Arten:

Konferenz / Symposion / (Jahres-)Tagung, Vortrag / Kolloquium / Vorlesung

Eintrag:

08.03.2016

Absender:

Nicole Alexander

Abteilung:

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Veranstaltung ist kostenlos:

ja

Textsprache:

Deutsch

URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event53553

Anhang
attachment icon Programm der Tagung "Biographien des Buches"

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