Wir alle kennen das: ein leckerer Duft und schon liegt auch der passende Geschmack auf der Zunge. Dass der Geschmack maßgeblich am Entschluss beteiligt ist, ob man isst und welche Entscheidungen beim Essen und Trinken ansonsten fallen, ist Alltag. Viele Studien zeigen, dass auch der Trend der letzten Jahre, immer mehr, immer höhere Ansprüche an Lebensmittel jenseits des Geschmacks zu stellen, wie etwa verbessertes Tierwohl oder Klimaschutz und nicht zuletzt gesundheitliche Aspekte, daran nichts geändert hat. Die Mehrheit deutscher Verbraucher*innen ist auch diesen Motiven zuliebe nicht gewillt, auf geschätzte Geschmackserlebnisse und persönliche Vorlieben zu verzichten.
Die Fähigkeit, Essen und Trinken mit den fünf Sinnen zu erfassen, ist so individuell wie die daran geknüpften Prozesse der Verarbeitung im Gehirn. Aus ihnen ergibt sich in der Summe letztlich das empfundene Gesamturteil, dass dem Ausruf „köstlich“ bzw. „scheußlich“ zugrunde liegt. Über den sensorischen Gesamteindruck bestimmen weder die Funktionalität der Sinnesorgane noch die sensorischen oder stofflichen Eigenschaften eines Produktes allein. Auf zentraler Ebene kommen nochmals unzählige und komplexe Mechanismen hinzu. Ein Teil davon lässt sich als biochemische Reaktionen oder physiologische Funktionen darstellen. Doch auf Gehirnebene laufen diese somatischen Vorgänge mit nicht-somatischen zusammen, worunter etwa Lernprozesse oder an Emotionen geknüpfte Erfahrungen zu verstehen sind.
Mithilfe moderner Technologie gewann die Wissenschaft zunehmend Erkenntnisse über dieses Zusammenspiel, wie persönliche Erinnerungen, Emotionen oder Erwartungen Einfluss auch auf die Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn nehmen. Dabei gelang etwa der Nachweis, dass schon vor dem Essen Erwartungen entstehen, die das sensorische Erleben des Nahrungsmittels mehr oder weniger unbewusst modulieren. Ob man beim Essen Genuss empfindet oder eben nicht, darüber entscheiden also offenbar auch persönliche Erfahrungen und Haltungen. Dieselbe Wirkung ist auch für andere Sinneseindrücke beschrieben, beispielsweise für akustische Reize.
Die Reihe möglicher Einflüsse auf den individuellen Sinneseindruck setzt sich fort mit Informationen über Lebensmittel aus Vermarktung, über Verpackung oder Labels sowie Preise und nicht zuletzt persönliche Empfehlungen. Weil Geschmack für die individuelle Ausgestaltung des Ernährungsalltags ein führendes Motiv ist, ist diese umfassende Perspektive im Zusammenhang mit gesundheitlich relevanten Entscheidungen besonders interessant
Wie dieser Ansatz in der Praxis hilfreich sein könnte zeigen Untersuchungen: Mehr als 80 Prozent der Deutschen äußern, dass sie ihr Essverhalten als „zu ungesund“ bewerten. Viele dieser Befragten scheitern immer wieder an ihren „ungesunden“ Routinen. Am häufigsten liegt das laut eigener Aussage daran, dass gesundheitlich ungünstigeres Essen, von dem man sich eigentlich trennen wollte, letzten Endes doch besser schmeckt. Vielleicht aber auch, weil man kraft der unbewussten Überzeugung „Geschmack schlägt Entschlossenheit“ den besseren Geschmack von vorneherein erwartet? Nicht unwahrscheinlich.
So gesehen könnten die Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Physiologie und Psycho-Sozialem potenzielle Fortschritte für Ernährungsprävention und Ernährungstherapie bringen. Möglicherweise verbirgt sich in ihnen sogar der Schlüssel für das verbreitete Dilemma „Wunsch-Wirklichkeitslücke“, an der sich so viele Menschen vergebens abmühen. Fast zu schön, um wahr zu sein? Geschmackliche Abstriche beim gesunden Genuss wären damit jedenfalls Vergangenheit.
Prof. Dr. rer. biol. hum. Jessica Freiherr ist Professorin für Neurowissenschaften der sensorischen Wahrnehmung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Leiterin der Forschungsgruppe MultiSense am Fraunhofer-Institut IVV in Freising und Mitglied im Leistungsgremium des enable-Kompetenzclusters für Ernährungsforschung. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt beim menschlichen Geruchssinn sowie der multisensorischen Wahrnehmung von Lebensmitteln.
Die Dr. Rainer Wild-Stiftung ist eine der führenden Plattformen für den interdisziplinären, wissenschaftlichen Austausch zum Thema „Gesunde Ernährung“. Als unabhängige, gemeinnützige und operativ tätige Stiftung zur Förderung von Forschung und Entwicklung gesunder Ernährung richten wir uns an alle, die beruflich mit dem Thema Ernährung befasst sind. Dazu entwickeln wir unter anderem Formate für den Wissensaustausch und -transfer, initiieren Modellprojekte, publizieren Fachbeiträge und bieten Fort- und Weiterbildungen an. Die Dr. Rainer Wild-Stiftung wurde 1991 in Heidelberg von Prof. Dr. Rainer Wild gegründet und feiert 2021 ihr 30-jähriges Jubiläum.
Hinweise zur Teilnahme:
Registrierung über folgenden Link:
https://online-event.webex.com/online-event/onstage/g.php?MTID=efccf2334ec4e607d...
1. LifeScience@home der Dr. Rainer Wild-Stiftung
11. Mai 2021, 16:00 - 17:30 Uhr
"Das riecht aber gut! Zur zentralen Verarbeitung sensorischer Reize und deren Einfluss auf das Essverhalten"
mit Prof. Dr. rer. biol. hum. Jessica Freiherr,
Professorin für Neurowissenschaften der sensorischen Wahrnehmung, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Programm:
16.00 Begrüßung der Geschäftsführung und Moderation
16.15 Fachvortrag (Professorin Jessica Freiherr)
16.45 Impuls-Interview mit Jana Dreyer (Moderation)
17.00 Offene Diskussion mit Gästen via Chat, Audio/Video
17.30 Verabschiedung und Ende
Im Fokus des stets zukunfts- und lösungsorientierten Austausches über ein anspruchsvolles, naturwissenschaftliches Thema steht wie gewohnt: die Realität. Samt aktueller Entwicklungen und Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund wünschen wir uns die Perspektiven vieler Fachdisziplinen und Berufsgruppen auf unser Thema.
Termin:
11.05.2021 16:00 - 17:30
Anmeldeschluss:
09.05.2021
Veranstaltungsort:
Online-Seminar
Dr. Rainer Wild-Stiftung
Mittelgewannweg 10
69123 Heidelberg
Baden-Württemberg
Deutschland
Zielgruppe:
Journalisten, Wissenschaftler
E-Mail-Adresse:
Relevanz:
überregional
Sachgebiete:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Pädagogik / Bildung, Psychologie
Arten:
Seminar / Workshop / Diskussion, Vortrag / Kolloquium / Vorlesung
Eintrag:
15.04.2021
Absender:
Lisa Christofzik
Abteilung:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltung ist kostenlos:
ja
Textsprache:
Deutsch
URL dieser Veranstaltung: http://idw-online.de/de/event68464
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