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11.12.1996 00:00

Internationale Konferenz zur Hochschulreform

Anne Ernst Pressestelle
HWP - Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik

    45/1996 - Hamburg, den 28.10.1996

    Internationale Konferenz zur Hochschulreform

    Wie koennen sich Hochschulen staerker profilieren? Muessen sich Hochschulen zu Unternehmen wandeln, damit sie leistungsstaerker werden und im Kampf um knappe oeffentliche Mittel ueberleben koennen? Schaffen Hochschulen ihre Reform aus eigener Kraft oder brauchen sie Unternehmensberater dazu? Diese und andere vieldiskutierte Fragen stehen im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz, zu der sich heute (31. Oktober) rund 150 HochschulpraesidentInnen, KanzlerInnen, PolitikerInnen, VerwaltungsmitarbeiterInnen, Studierende und Lehrende in Hamburg treffen.

    Sie sind einer Einladung der Hamburger Hochschule fuer Wirtschaft und Politik (HWP) und des CHE (Centrum fuer Hochschulentwicklung, Guetersloh) gefolgt. Unter dem Titel "Strategiebildung an Hochschulen und Fachbereichen" informieren deutsche und auslaendische ReferentInnen in den Raeumen der Talmud-Tora-Schule (Grindelhof) ueber die unterschiedlichen Wege und Methoden der Strategieentwicklung an Hochschulen. Fuer die HWP, die seit fast zwei Jahren einen Prozess der Profilbildung durchlaeuft, bietet sich hier ausserdem ein Forum, um die bisher erreichten Reformen kritisch zu reflektieren und mit Aussenstehenden zu diskutieren. Das CHE ist eine gemeinsame Einrichtung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Bertelsmannstiftung. Die Einrichtung bemueht sich seit 2 1/2 Jahren, Reformprozesse an deutschen Hochschulen voranzutreiben.

    Die Kernthesen der wichtigsten Vortraege werden im folgenden skizziert:

    "Eine Lebensluege der deutschen Universitaet" nennt es Prof. Dr. Michael Daxner von der Universitaet Oldenburg zu glauben, dass sie ueber die individuellen Privilegien der ProfessorInnen hinaus eine aussergewoehnliche Autonomie besaesse. Vielmehr dient die vielbeschworene "Freiheit von Forschung und Lehre" als Deckmantel fuer ein Laisser-faire, das die heutige Krise der Hochschulen mitverschuldet hat. Der Autor des kuerzlich erschienen Buches "Ist die Uni noch zu retten?" betont in seinem Vortrag, dass die Hochschulen als blosse "Huelle fuer Einzelunterricht, Genieleistung und Unverbindlichkeit" keine Chance haetten. Statt dessen muessten sie sich als Unternehmen der besonderen Art verstehen, die der OEffentlichkeit verpflichtet sind.

    Der Profilbildungsprozess an der HWP "Ein hohes Mass an Geduld" muessen diejenigen mitbringen, die eine Profilbildung an ihrer Hochschule initiieren und lenken wollen, weiss der Praesident der Hamburger Hochschule fuer Wirtschaft und Politik (HWP), Prof. Dr. Lothar Zechlin. Schon allein auf Grund der Selbstverwaltungsstruktur dauere alles sehr lange. Deshalb sei ein straffer Zeitplan notwendig.

    Ein Anlass fuer die Suche nach einem neuen Profil fuer die HWP waren die "Globalhaushalte", ueber die die Hamburger Hochschulen seit 1996 verfuegen. Die nachgewiesenen Leistungen der Hochschulen sollen die Hoehe der zukuenftigen Globalzuschuesse steuern (Output-Steuerung).

    Die Hochschulen wuerden nun um die Hoehe der staatlichen Globalzuschuesse konkurrieren und vor der Aufgabe stehen, ein spezifisches Profil zu entwickeln, "mit dem sie auf den Gebieten der Lehre, der Forschung, des Wissenstransfers, der internationalen Hochschulbeziehungen, der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Frauenfoerderung u. a. m. in der OEffentlichkeit und Politik ueberzeugen." Gefragt seien Schwerpunktsetzungen. "Jede Hochschule muss sich deshalb ueberlegen, welche Bereiche sie staerken will und welche Bereiche sie anderen Hochschulen ueberlaesst."

    Die strategische Entwicklungsplanung an der HWP begann im Januar 1995 mit einem umfassenden Diskussionsprozess um das zukuenftige Profil der Hochschule. Beteiligt wurden sowohl Studierende als auch DozentInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen. Hintergrund fuer dieses fast basisdemokratisch zu nennende Verfahren war die Auffassung, dass ein "von oben" zusammengeruehrtes Profil wirkungslos bleibt. Vielmehr muss es von moeglichst vielen Hochschulmitgliedern getragen und gelebt werden. Nach der Diskussionsphase, die etwa zehn Monate in Anspruch nahm, wurden konkrete Reformprojekte entwickelt und im Sommer 1996 beschlossen. Zur Zeit ist die HWP dabei, die Reformprojekte nacheinander umzusetzen.

    "Kommunikation ist das tragende Element eines Reformprozesses," stellt die OEffentlichkeitsreferentin der Hochschule fuer Wirtschaft und Politik (HWP), Sigrun Nickel, in ihrem Referat heraus. Fuer die Profildiskussion sei es notwendig gewesen, Studierende, HochschullehrerInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen miteinander ins Gespraech zu bringen. Sie sieht sich vor der Aufgabe, einen "atomisierten Haufen" kommunikationsarmer IndividualistInnen dazu zu bringen, sich auf die Institution, an der sie studieren und arbeiten, einzulassen und sich auszutauschen. "Was fehlt, sind gemeinsame Ziele und die Identifikation mit der Hochschule als solcher. Anders als in Unternehmen, in denen MitarbeiterInnen zumindest durch die Klammer des wirtschaftlichen UEberleben-Muessens miteinander verbunden sind und die deshalb - gezwungenermassen - an einem Strang ziehen, verhalten sich die Mitglieder der Hochschulen wie Brieftauben. Sie benutzen ihren Taubenschlag als Basis fuer Ausfluege in die naehere oder weitere Umgebung. Die Gemeinsamkeiten beschraenken sich in der Regel auf gelegentliche Zusammenstoesse beim Starten und Landen." Dass der Kommunikationsprozess dennoch gelungen sei, liege an folgenden Elementen, die eingesetzt wurden: inhaltliche Provokation, persoenliche Ansprache und Auseinandersetzung, Zeit- und Entscheidungsdruck sowie vertrauensbildende Massnahmen und ein hohes Mass an Tranparenz.

    Hilfe von Unternehmensberatungen? Schaffen Hochschulen ihre Reform allein oder brauchen sie Hilfe von Unternehmensberatungen? Oliver Streit von der Essener Unternehmensberatung Fraser spricht sich fuer die Einschaltung Dritter aus. Die Gruende: Reformprojekte an Hochschulen, bei denen sehr viele Interessengruppen einbezogen werden muessen, bleiben haeufig auf der Ebene langwieriger ergebnisloser Diskussionen stecken. Hier bedarf es der Beratung und Disziplinierung durch erfahrene Kraefte. Ein externer Moderator koenne, da er in keine Machtkaempfe oder Interessenskollisionen verwickelt sei, mehr Objektivitaet walten lassen als ein interner.

    Die Methodensicherheit und Praxiserfahrung von UnternehmensberaterInnen gewaehrleiste darueber hinaus, dass die vielen Analyseinstrumente, die in der strategischen Planung ueblicherweise angewandt werden, richtig eingesetzt werden. Dennoch betont Oliver Streit, dass die eigentliche Reform durch die Mitglieder der Hochschule geleistet werden muesse. Die Rolle des Beraters sei auf die Unterstuetzung und kompetente Begleitung des Prozesses beschraenkt.

    Anregungen aus dem Ausland In den Niederlanden ist man auf den Gebieten der finanziellen Steuerung und dem Hochschulmanagement schon sehr viel weiter als in der Bundesrepublik. Dr. Lieteke van Vucht Tijssen, Mitglied des Beirates der Universitaet Utrecht, berichtet vom einem erfolgreichen Modell der Budgetierung, das 1993 eingefuehrt wurde. Demnach verteilt die Hochschulleitung die Gelder nach einem bestimmten, leistungsgesteuerten Schluessel an die Fachbereiche. 40 Prozent richten sich nach der Anzahl der Studierenden, der pro Jahr fertiggestellten Diplome und Dissertationen. 60 Prozent sind fuer die Forschung vorgesehen. Gleichzeitig findet in regelmaessigen Abstaenden eine Qualitaetsueberpruefung von Lehre und Forschung statt. Mit Blick auf die Politik, die ihren Einfluss auf die Hochschulen immer wieder geltend macht, meint Frau van Vucht Tijssen, dass eine Steuerung von Bildung und Forschung nur im Dialog gelingen kann und nicht durch Anordnungen von Ministerien.

    Leitbilder dienen dazu, das Profil einer Hochschule nach innen und aussen deutlich zu machen. Sie sind ein selbstgesetzter Massstab, an dem sich eine Hochschule messen lassen muss. Deshalb ist es wichtig, dass Hochschulen diese Art "Grundgesetz" entwickeln. Prof. Dr. Hans Weder stellt auf der Konferenz das Leitbild der Universitaet Zuerich vor. Inhalte sind: Identitaet und Ziel der Universitaet Zuerich; Die Aufgaben der Universitaet; Universitaet und OEffentlichkeit; Universitaet und Staat. Die traditionsreiche Universitaet versteht ihre wissenschaftliche Arbeit als Dienst an der OEffentlichkeit. Zugleich kann Wissenschaft nur dann erfolgreich sein, wenn ihr genuegend Freiraum zur Verfuegung steht, in dem sich Studium, Theoriebildung und Kritik unbeeinflusst von externen Sachzwaengen und ideologischen Einflussnahme vollziehen koennen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die universitaere Profilierung nicht nur in der Schweiz.

    Die Universitaet Roskilde hat einen Strategieplan (strategic plan) fuer die Entwicklung bis zum Jahr 2005 erarbeitet. Die StudentInnen haben sich an der Strategiebildung beteiligt, weil sie sicherstellen wollten "dass ihre Interessen, beispielsweise im Verhaeltnis von Forschung und Lehre, beruecksichtigt werden." Die studentische Beteiligung wurde durch die dezentrale Struktur der daenischen Universitaet erleichtert, die in Einheiten ("houses") von etwa 100 StudentInnen und vier bis sechs TutorInnen aufgeteilt ist, die jeweils ihre eigenen VertreterInnen in die Hochschulgremien entsenden.

    Verantwortlich: Pressestelle der HWP, 040/4123-2306, 4123-2181, Fax 4123-4150


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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